Sonntag, Oktober 6

Drei Tanker derselben Firma aus Griechenland wurden im August von den Terroristen beschossen. Jetzt könnten die Folgen verheerend sein.

Die Angriffe der Huthi-Rebellen auf Handelsschiffe im Roten Meer setzen nicht nur dem Welthandel zu, sondern sind auch eine grosse Bedrohung für die Heimat der Terroristen aus Jemen. Doch weil diese sich wenig dafür interessieren, steht das Rote Meer am Rande der grössten Umweltkatastrophe seit Jahrzehnten. Der Tanker «Sounion», beladen mit rund 1 Million Fass Rohöl, wurde vor einigen Tagen zuerst von den Huthi attackiert und dann in Brand gesteckt.

Die Besatzung konnte vom manövrierunfähigen Schiff evakuiert werden, doch seit dem 23. August lodernden Brände an Deck des 274 Meter langen Tankers. Mehr noch: Von den Terroristen publizierte Aufnahmen zeigen, wie sie selbst vor wenigen Tagen Explosionen an Bord des verlassenen Tankers ausgelöst haben. Dies offenbar mit dem Ziel, das Schiff zu versenken.

Ein Top-Platz unter den grössten Öl-Unglücken

In einem weiteren, am Freitag veröffentlichten Video sind mehrere Feuer sowie Beschädigungen an der Hülle zu erkennen. Satellitenaufnahmen legen nahe, dass auch Treibstoff aus dem Schiff austritt – allerdings vielleicht noch nicht aus den Laderäumen, sondern aus dem eigenen Tank.

Ein Untergang der «Sounion» wäre die dritte erfolgreiche Versenkung, seit die Rebellen Ende 2023 ihre Angriffe begonnen haben. Für die Umwelt wäre es die verheerendste: Würde die rund 1 Million Fass Öl in die See gelangen, entspräche das laut Experten etwa der vierfachen Menge, die 1989 bei der katastrophalen Havarie der «Exxon Valdez» vor Alaska freigesetzt wurde.

Es wäre auch mehr als halb so viel wie jene Menge, die beim weltweit bisher grössten Untergang eines Tankers ins Meer gelangte. Im Jahr 1979 war die «Atlantic Empress» in der Karibik in einen Sturm geraten und nach einer Kollision gesunken. Es gibt eine Gemeinsamkeit zwischen der «Atlantic Empress» und der «Sounion»: Sie hatten beide Eigentümer aus Griechenland.

Im Fall der «Sounion» trifft es die Reederei namens Delta Tankers nicht so unerwartet wie der Sturm, der damals die Eigentümer der «Atlantic Empress» überrascht hatte. Im August haben die Huthi-Rebellen schon zwei andere Öltanker von Delta unter Beschuss genommen. Vor der «Sounion» gerieten bereits die «Delta Blue» und die «Delta Atlantica» ins Fadenkreuz der Drohnen und Raketen, kamen jedoch glimpflicher davon.

Es gibt eine Verbindung zu Israel

Immerhin wächst die Hoffnung, dass auch der Schaden an der «Sounion» nicht zur Katastrophe ausartet. Nachdem die Huthi-Rebellen zunächst die Versuche einer Bergungsmannschaft unterbunden hatten, sich dem Schiff zu nähern, haben sie nun offenbar ihr Einverständnis gegeben.

Dennoch stellt sich eine Frage: Was veranlasst Delta Tankers, seine Schiffe trotz der offensichtlichen Bedrohung immer wieder vor den Gewehrläufen der Rebellen vorbeizuschicken?

Seit die Huthi-Rebellen Ende 2023 ihre Angriffe auf Handelsschiffe begonnen haben, meiden viele Frachter und Tanker das Rote Meer und die Strasse von Bab al-Mandab vor der Küste Jemens, von wo die Terroristen operieren. Statt den Suezkanal zu nutzen, nehmen die Schiffe nun einen Umweg um Südafrika. Das hat die internationalen Frachtpreise stark in die Höhe getrieben. Die Terroristen geben vor, sie wollten mit ihren Angriffen die Versorgung von Israel beeinträchtigen und so Palästina unterstützen.

Offenbar hatte ein anderes Schiff von Delta Tankers tatsächlich Anfang Juli im Hafen von Haifa angelegt. Jedoch fühlte sich Delta offenbar sicher genug, um seine Flotte weiterhin durch den Suezkanal und das Rote Meer zu schicken. Die Reederei mit Sitz in Athen unterhält nach eigenen Angaben eine Flotte von 29 Tankern. Die Vorfälle im Roten Meer möchte das Unternehmen nicht weiter kommentieren.

Viele fahren den sicheren Umweg – aber nicht alle

Mit der riskanten Routenwahl ist die 2006 gegründete Reederei nicht allein. Die Strecke durch das Rote Meer, einer der wichtigsten Handelswege weltweit, ist zwar weit weniger belebt als normal, aber nicht ausgestorben. Täglich passieren weniger als 20 normale Frachtschiffe die Strasse von Bab al-Mandab. Vor Beginn der Angriffe waren es rund 50. Doch trotz ihrer gefährlicheren Fracht kommen auch noch bis zu 10 Tanker durch. Das sind zwar signifikant weniger als die zuvor gezählten 25, aber immer noch eine grosse Zahl hochentzündliche Ziele.

Dies mag mit dem Kalkül der Reeder zusammenhängen, die hohen Kosten für den Umweg um das Kap der Guten Hoffnung zu sparen, weil ihre Tanker möglicherweise von den Huthi geschont werden. Schiffe, die mit iranischem Erdöl beladen sind, dürften wohl tatsächlich nicht angegriffen werden – schliesslich ist Iran der massgebliche Unterstützer und Ausrüster der Terroristen. Delta Tankers wurde vor einigen Jahren vorgeworfen, iranisches Erdöl nach Venezuela zu schmuggeln. Die Reederei wurde aber nicht mit Sanktionen belegt.

Ebenso scheinen Tanker mit russischem Rohöl im Prinzip nicht gefährdet zu sein. Wo Schiffe mit Verbindungen zu Russland attackiert wurden, handelte es sich nach Beobachtungen der Denkfabrik The Washington Institute for Near East Policy offenbar um Verwechslungen, weil die neusten Eigentumsverhältnisse den Rebellen nicht bekannt waren. Russland hat eine Schattenflotte von Tankern aufgebaut, um sein Öl trotz westlichen Sanktionen aufgrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine möglichst breit verkaufen zu können.

Fühlte sich Delta als Schmuggler sicher?

Auch in Hinblick auf Russland hat Delta Tankers keine blütenreine Weste. Die Ukraine setzte das Unternehmen genau wie einige andere griechische Reedereien auf ihre Liste der «Internationalen Unterstützer des Krieges». Dies unter anderem deshalb, weil sie sich weigerten, immer die Transponder ihrer Tanker einzuschalten und darauf zu verzichten, Ladungen von Schiff zu Schiff zu transferieren – beliebte Möglichkeiten, um Spuren des Transports von Rohöl zu verwischen. Nach einer ukrainischen Analyse spielten griechische Reeder eine grosse Rolle beim russischen Ölexport.

Allerdings haben weder die möglichen Verbindungen zu Russland noch jene zu Iran die Delta-Tanker in den vergangenen Wochen geschützt. Vielleicht war man sich zu sicher: In diesen unsicheren Gewässern kann die Rolle von Freund und Feind schnell wechseln. Schliesslich waren es iranische Soldaten, die einen anderen Tanker der Reederei, die «Delta Poseidon», im Frühjahr 2022 im Persischen Golf geentert hatten.

Die aufsehenerregende Aktion, bei der auch ein zweites griechisches Schiff besetzt wurde, war eine Vergeltung von Teheran. Griechische Behörden hatten zuvor einen Tanker mit iranischem Öl festgesetzt; auch die USA waren darin involviert. Umgekehrt hatten die griechischen Schiffe Öl aus dem Irak an Bord – und auf diesen Nachbarn ist Teheran nicht gut zu sprechen. Um solche Zwischenfälle zu vermeiden, gibt es für Reeder nur einen Weg, auch wenn er teuer ist: das Gebiet grossräumig umfahren.

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