Mittwoch, Februar 26

Den Schweizer Inlandbanken geht es schon fast zu gut. Das Verschwinden der Credit Suisse hat zu einem Vakuum geführt. Um dieses voll auszunützen, ist die Branche aber weder dynamisch noch innovativ genug.

Zwei Jahre nach dem Ende der Credit Suisse dominiert die UBS die öffentliche Wahrnehmung von Banken in der Schweiz. Die Diskussionen sind heftig: Es geht um die zukünftige Regulierung der Bank und darum, wie streng die zusätzlichen Anforderungen von Politik und Behörden an das zusätzliche Eigenkapital der letzten verbliebenen Grossbank sein sollen.

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Für die Konkurrenten sind das goldene Zeiten. In der laut geführten Eigenkapitaldiskussion geht es um Auslandsbeteiligungen systemrelevanter Banken – und das ist für die inlandorientierten Kantonal-, Regional- und Raiffeisenbanken, die den Hauptteil des hiesigen Finanzplatzes ausmachen, kein Thema.

Es lebt sich also gut im Schatten einer UBS, die vor allem mit sich selbst und der Politik beschäftigt ist. Viele Inlandbanken haben in den vergangenen zwei Jahren denn auch Rekordergebnisse erzielt. Die Kundengelder schienen ihnen ohne ihr Zutun einfach zuzufliessen. Ganz so, als ob sich seit dem Wegfall des Bankgeheimnisses nichts geändert habe. Dieses mache fett, aber impotent, lautet ein legendärer Ausspruch des verstorbenen Bankiers Hans Bär.

Sicher ist: Viel Geld und Geschäft hat von der CS zu anderen Banken gewechselt. Vorab die Kantonalbanken haben von der Verunsicherung der CS-Kunden profitiert – als Hort der Stabilität inklusive Staatsgarantie. Fast noch relevanter war jedoch der starke Rückenwind, den die Finanzinstitute durch die Zinswende der Schweizerischen Nationalbank (SNB) erhielten. Die Banken haben durch die gestiegenen Zinsen mehr verdient.

Niemand will der UBS Marktanteile streitig machen

Für den Moment scheint ihnen das zu genügen. Zwar haben einige Banken in den ersten Monaten nach dem Untergang der Grossbank zusätzliches Personal abbestellt, um für enttäuschte CS-Kunden neue Konten zu eröffnen. Aber grosse strategische Offensiven von Banken, welche der UBS die CS-Marktanteile gezielt streitig machen wollen, sind ausgeblieben.

Selbst im Bereich der Firmenfinanzierung – Unternehmer hatten eine Kreditklemme befürchtet – hat sich wenig verschoben: Vereinzelt ist in der Branche die Konkurrenz von ausländischen Geldinstituten, vor allem aus Frankreich und Deutschland, spürbar. Aber selbst grosse heimische Banken wie die Zürcher Kantonalbank (ZKB) und Raiffeisen Schweiz, welche die Kapazitäten dafür hätten, wollen hier nicht weiter im grossen Stil investieren.

Es macht den Eindruck, dass ihr Erfolg die Banken bequem und behäbig gemacht hat. Seit Jahren schaffen es viele nicht, sich zu diversifizieren und ihre Abhängigkeit vom zentralen Zinsengeschäft zu senken. Zum Beispiel über Innovationen. Mit Ausnahme der Bezahl-App Twint hat die hiesige Finanzbranche in den vergangenen Jahren kaum mit Neuerungen auf sich aufmerksam gemacht, die für die Kunden echten Mehrwert bieten.

Was den Kunden als innovativ verkauft wird, sind oft nur Nachjustierungen bestehender Produkte. Oder sie zielen an deren Bedürfnissen vorbei, wie etwa die im vergangenen Jahr gestarteten Instant-Payments. Diese ermöglichen Überweisungen zwischen Banken in wenigen Sekunden und dauern nicht mehr wie bis anhin einen Arbeitstag. Doch das kostet. Je nach Bank werden dafür Gebühren zwischen 2 und 5 Franken fällig. Da nehmen viele Bankkunden doch lieber den zusätzlichen Arbeitstag in Kauf oder twinten wie bis anhin ihr Geld.

Der Verdacht liegt nahe: Es könnte am Personal liegen, dass sich die Banken mit Innovationen schwertun. In den Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen sitzen oftmals keine Digitalisierungsprofis, sondern Personen, die ihr Handwerk zu einer Zeit gelernt haben, als Einzahlungen per Post an der Tagesordnung waren. Vielleicht fällt es ihnen daher auch so schwer, die tatsächlichen Bedürfnisse ihrer Kunden und die des Marktes zu treffen.

Lieber bequem als innovativ

Ein Beispiel dafür sind nachhaltige Anlagen. So wollte etwa die Basellandschaftliche Kantonalbank (BLKB) mit ihrer Digitalbank Radicant von dem Trend profitieren. Doch die Kantonalbank hat sich damit verkalkuliert. 2023 ging Radicant an den Start – nicht einmal ein Jahr später musste die Staatsbank einen Abschreiber in der Höhe von 22 Millionen Franken auf ihre Tochtergesellschaft vornehmen. Heute setzt das Fintech stärker auf ganz gewöhnliche Bankdienstleistungen und wirbt nicht mehr so offensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit wie einst.

Die Kantonalbank war aber nicht die Einzige, die viel Geld und einen grossen Marketingaufwand in diesen Trend gesteckt und dies ihren Kunden als innovativ verkauft hat. Doch die grosse Mehrheit ihrer Kunden liess sich nicht in diese Produkte drängen. Das starke Wachstum nachhaltiger Anlagen in der Schweiz hat sich in letzter Zeit abgeflacht.

Dahinter stehen vielfältige Gründe. Nicht nur die starke Gegenbewegung in den USA, die durch die Regierung von Donald Trump noch verstärkt wurde. So sind etwa die Wirksamkeitsversprechen vieler dieser Produkte umstritten. Die Wahrheit ist aber wohl einfacher: Das eigene Vermögen ist den meisten Privatanlegern wichtiger, als vermeintlich Gutes zu tun.

Lieber bequem als innovativ. Diese Haltung muss man sich leisten können. Das ist aber auch die Schuld der Bankkunden. Diese haben eine hohe Toleranz für mässige Leistungen. Es braucht lange, bis Herr und Frau Schweizer ihre Bank wechseln. Dazu kommt, dass die vielzitierte Bedrohung des Geschäftsmodells der Banken durch Fintechs und Neobanken wie Revolut weitgehend ausgeblieben ist.

Noch schlimmer ist, dass aus Kundensicht der Eindruck entsteht, viele Banken würden ihre IT grundsätzlich nicht beherrschen. Dabei ist dies für Finanzinstitute ein zentraler Bereich. Es geht um die Gelder ihrer Kunden. Deswegen gilt hier Nulltoleranz. Könnte man meinen.

Doch die grösste Kantonalbank der Schweiz verzeichnete beispielsweise diverse Pannen in den vergangenen Monaten: So hat die ZKB vor einem Jahr 30 000 Mitarbeitern der Stadt Zürich wegen eines technischen Fehlers bei einem Swisscom-Lieferanten den Lohn doppelt ausbezahlt. Noch peinlicher für die Bank war, dass ZKB-Kunden im Juni über ihre E-Banking-App die Kontodaten anderer Kunden einsehen konnten. Zu Recht interessierte sich auch die Finanzmarktaufsicht dafür.

Raiffeisen Schweiz musste im vergangenen Herbst gar die Einführung ihrer neuen App stoppen. Ein Jahr Testbetrieb reichte nicht, um eine App zu bauen, die stabil genug für die rund zwei Millionen Bankkunden ist. Für ein Fintech hätte der Zeitraum gereicht, um gleich mehrere Versionen einer App auf den Markt zu bringen. Nicht so Raiffeisen: Der Start der App wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Als Folge davon musste der IT-Chef der Bank gehen. Mehrere Millionen Franken dürfte die Bank das Projekt gekostet haben.

Es drohen frustrierte Bankkunden

Ein solches Debakel kann sich die UBS nicht leisten. Sie steht vor dem schwierigsten Teil der Integration der Credit Suisse. Im zweiten Quartal will die Grossbank mit der Migration der Schweizer CS-Konten auf ihre eigene Plattform beginnen. Aus technischen Gründen erhalten sämtliche CS-Kunden neue IBAN-Kontonummern. Für die Grossbank ist dies ein Risiko. Der lästige bürokratische Aufwand könnte CS-Kunden frustrieren. Wer zahlreiche Überweisungen neu einrichten und auf der Arbeit ein neues Lohnkonto angeben muss, der wechselt möglicherweise auch gleich ganz seine Bank.

Das wissen auch die Konkurrenten der UBS. Doch derzeit ist keine Euphorie unter Schweizer Banken auszumachen. Im Gegenteil, die Stimmung ist wieder deutlich gedämpfter. So drücken die Leitzinssenkungen der SNB auf die Zinsmargen der Banken, aber auch weil die Institute das Regelwerk «Basel III final» umsetzen müssen. Dieses sieht unter anderem vor, dass Banken Finanzierungen mit mehr Kapital unterlegen müssen.

Dazu kommt, dass es für die Finanzinstitute derzeit schwierig ist, an Kundengelder zu kommen. Ein Grund dafür könnte sein, dass Kunden sie bei steigenden Börsen lieber anlegen, als dass sie sie auf ihrem Bankkonto belassen. Für die Finanzinstitute wird es damit schwieriger, sich zu refinanzieren und wieder mehr Kredite zu vergeben.

Umso wichtiger ist, dass die Banken versuchen, sich stärker zu diversifizieren und auch offensiver voneinander abzugrenzen. Sonst riskieren sie tatsächlich, Opfer ihres eigenen Erfolgs zu werden. Denn was wäre, wenn sich die grossen Tech-Konzerne doch noch ins Bankgeschäft vorwagen, mit einer Super-App, die alles kann? Von Zahlungsverkehr über Kreditvergabe bis zum Anlegen – kostengünstig und unterstützt von KI. Dann könnte plötzlich auch traditionell träge Kundschaft auf den Geschmack kommen – und der guten alten Schweizer Bank den Rücken kehren.

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