Nach etwas mehr als einem Jahr scheint die Beziehung zwischen dem Schweizer Eishockeyverband und seinem Präsidenten bereits nachhaltig gestört. Weshalb ist dieser Verband so schwer führbar?
Die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft ist über das Wochenende am Karjala-Cup in Finnland in die neue Saison gestartet. Sie tat das unter anderem mit dem ersten Sieg gegen den Angstgegner Schweden nach sechzehn Niederlagen in Folge. Dank diesem Erfolg und der WM-Silbermedaille aus dem vergangenen Frühjahr in Prag kann der Nationalcoach Patrick Fischer weiterhin in Ruhe arbeiten.
Vor einem Jahr war das noch anders gewesen. Da stellten elf Niederlagen in Folge zusammen mit einer Vertragsverlängerung zur Unzeit vieles infrage. Doch dass Patrick Fischer wieder aus der Kritik gerückt ist, bedeutet nicht, dass auch im Schweizer Eishockeyverband nun wieder Ruhe eingekehrt ist. Die Verbandszentrale in der Nähe des Zürcher Flughafens steht im Vollbrand – glücklicherweise nur im übertragenen Sinne.
Der Präsident Stefan Schärer hat mit seiner Art wichtige Protagonisten aus dem Schweizer Eishockey derart gegen sich aufgebracht, dass eine weitere Zusammenarbeit schwer werden dürfte. Peter Zahner und Marc Lüthi, die CEO aus Zürich und Bern und traditionell zwei der Meinungsführer aus der Liga, sprechen ungeschminkt davon, dass er eine Fehlbesetzung sei.
Von einer politischen Entspannung kann keine Rede sein
Zahner und Lüthi sind bekannt dafür, vehement für ihre Interessen einzustehen. Lüthi hatte mit dem langjährigen Migros-Geschäftsleiter Anton Gäumann einen anderen Kandidaten bevorzugt und sieht sich nun in seiner Ansicht bestätigt. Doch selbst in Schärers Verwaltungsrat beginnt man sich Fragen zu stellen zum Kurs des Präsidenten. Von einer politischen Entspannung jedenfalls kann keine Rede sein.
Dabei hatte der ehemalige Handballer vor einem Jahr das Erbe von Michael Rindlisbacher just mit dem Auftrag übernommen, den jahrelangen Streit zwischen der National League und dem Verband beizulegen, damit sich die beiden Parteien einander wieder annähern. Nur ist das Gegenteil passiert. Gaudenz Domenig, der Präsident des HC Davos, gehört innerhalb der Liga zu den gemässigten Stimmen. Doch selbst er sagt: «Statt den Dialog zu suchen, ist er mit der Dampfwalze eingefahren. Im Befehlston lassen sich die Probleme, die es im Schweizer Eishockey gibt, bestimmt nicht lösen.»
Domenig war vor zwei Wochen an einer Präsidentenkonferenz, die der Zuger Präsident Hans-Peter Strebel zusammen mit Schärer einberufen hatte. Als sich Schärer am Tagungsort einfand, wurde ihm beschieden, er dürfe seine Sicht der Dinge rasch präsentieren. Dann wolle man unter sich weiter diskutieren. Domenig sagt: «Was wir zu hören bekamen, waren nicht Lösungsansätze, sondern eine Verteidigungsrede. Mehrere Präsidenten verliessen die Versammlung am Ende und sagten: So etwas müssen wir uns künftig nicht mehr antun.»
Ob es unter diesen Umständen weiterhin eine Basis für die Zusammenarbeit zwischen Schärer und der National League gibt, ist mehr als fraglich. Mehrere führende Stimmen aus der Liga sagen, mittlerweile sei zu viel Geschirr zerschlagen worden, als dass man einfach so weitermachen könnte. Der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, war ausgerechnet die Freistellung des CEO Patrick Bloch Ende September, die auch Exponenten der Liga wiederholt gefordert hatten. Mittlerweile hat Martin Baumann Blochs Position übernommen. Der 56-jährige Zuger hatte zuvor während zehn Jahren als CEO für die Champions Hockey League gearbeitet.
Der Verband steht finanziell auf einer gesunden Basis. In der vergangenen Saison erwirtschaftete er einen Gewinn von 74 729 Franken. Das Eigenkapital beträgt 2,5 Millionen Franken. Das war nicht immer so. Im Frühjahr 2003 stand Swiss Ice Hockey vor der Insolvenz. Nur Darlehen des Schweizer Fernsehens und des Internationalen Eishockeyverbandes sorgten dafür, dass er zumindest zahlungsfähig blieb.
Danach übernahm der Zuger Fredy Egli das Präsidium. Der ehemalige Rohstoffhändler und Präsident des EVZ war der letzte Präsident, der innerhalb der Liga und der ganzen Eishockeyszene uneingeschränkte Unterstützung fand. All seine Nachfolger gerieten früher oder später in die Kritik. Der ZSC-CEO Peter Zahner sagte einmal, der gegenwärtige Präsident sei immer gerade der schlechteste in der Geschichte. Der Spruch war mehr oder weniger ironisch gemeint.
Vor Schärer standen bereits Rindlisbacher und Furrer in der Kritik
Doch mittlerweile würde ihn Zahner wohl unterschreiben. Als Verwaltungsrat will er sich nicht zu den Vorgängen bei Swiss Ice Hockey äussern. Die Frage aber stellt sich: Weshalb ist dieser Verband derart schwer führbar? René Stammbach führt Swiss Tennis seit bald zwanzig Jahren, Dominique Blanc steht seit 2019 an der Spitze des Schweizerischen Fussballverbands. Bei Swiss Ice Hockey wechseln die Präsidenten praktisch im Vierjahreszyklus. Vor Schärer traten bereits Michael Rindlisbacher und Marc Furrer jeweils von Kritik begleitet zurück.
Für Schärer liegt der Grund dafür in der Führung der Liga, die nicht von ihren Präsidenten, sondern von den CEO geleitet werde. Er sagt: «Ich bin nicht nur der Präsident der Liga oder ihrer Vereine, ich vertrete das ganze Schweizer Eishockey, das gut dastehen muss.» Er habe ein Jahr lang versucht, Lösungsansätze zu finden.
«Auf der letzten Folie an der Konferenz habe ich diese Lösungsansätze den Präsidenten präsentiert. Ich funktioniere nach dem Prinzip ‹A: Ausgangslage, P: Problemstellung und L: Lösung›. Wo immer ich war, habe ich nach diesem Prinzip geführt.»
Der Graben, der seit der Abtrennung der National League vom Verband quer durch das Schweizer Eishockey verläuft und auch die Swiss League betrifft, ist tiefer als je zuvor. Schärer wird ihn trotz allen guten Vorsätzen kaum zuschütten können.