Mittwoch, April 23

Nach der Geburt des Kalbs Zali ist der Zoo «vorsichtig optimistisch». Die kritische Phase bei jungen Elefanten dauert Jahre.

Ingo Schmidinger hat schlaflose Nächte hinter sich. Der Elefantenkurator des Zoos Zürich hat sie auf einem Feldbett im Tierpflegerbereich des Elefantenparks Kaeng Krachan verbracht und die Elefantenkuh Farha beobachtet. Sie hatte tiefe Werte des Hormons Progesteron aufgewiesen, ein Zeichen, dass eine Geburt ansteht.

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In der Nacht auf Samstag, um 2 Uhr 22, ist es dann so weit. Farha bringt ein gesundes Kalb zur Welt. Es wird auf den Namen Zali getauft, was auf Hindi so viel heisst wie «sofortiges Erscheinen». Der Name passt, weil die Geburt so schnell vonstattengegangen ist. Und der Kurator Schmidinger kann aufatmen, vorerst. Doch er weiss: Die ersten Tage und Wochen im Leben eines Jungtiers sind immer die heikelsten.

Deshalb zeigen sich Schmidinger und der Zoodirektor Severin Dressen am Mittwoch vor den Medien nur «vorsichtig optimistisch», dass sich das Kalb gut entwickelt – obwohl es einen munteren Eindruck macht. Es trinkt, tapst seiner Mutter hinterher und erprobt seinen Tastsinn, indem es mit dem Rüssel über kleine Äste fährt.

Eine erste Bewährungsprobe steht an, wenn Mutter und Kalb in einigen Tagen mit der Elefantenkuh Panang zusammengeführt werden, Farhas Schwester. Sie wurde aus Sicherheitsgründen von der Geburt ferngehalten.

Vorwürfe von Tierschützern

Doch Zali wird noch lange unter spezieller Beobachtung der Tierpfleger stehen – aus gutem Grund. Seit dem Jahr 2020 sind im Zoo Zürich sechs junge Elefanten gestorben.

Im Jahr 2020 wurden zwei Jungtiere von Mitgliedern der Elefantengruppe zu Tode getreten. 2022 starben innert zweier Monate gleich drei Elefanten infolge einer Herpesvirusinfektion, trotz intensiver medizinischer Behandlung. Und 2023 gebar Farha einen Elefantenbullen, der kurz nach der Geburt starb. Später zeigte sich, dass gewisse Organe des Kalbs nicht richtig ausgebildet waren und es deshalb nicht lebensfähig war.

Der Zoo Zürich kommuniziert offen, wenn Publikumslieblinge sterben. Erst kürzlich hat er bekanntgegeben, das 47-jährige Gorillamännchen N’Gola eingeschläfert zu haben. Es litt schon länger unter gesundheitlichen Problemen. Auch um die toten Elefanten machte der Zoo kein Geheimnis. Nach dem Tod des schwachen Kalbs im Jahr 2023 veröffentlichte der Zoo ein Video, in dem die Geburt und das tote Jungtier zu sehen sind.

Doch nach den tödlichen Herpesinfektionen entbrannte in der Schweiz eine Diskussion über die Haltung von Elefanten in Zoos. Die Tier- und Umweltschutzorganisation Fondation Franz Weber kritisiert, Zoo-Elefanten seien stark gestresst, was den Ausbruch des Herpesvirus begünstige.

Ein Vorwurf, den man im Zoo Zürich zurückweist. Der 2014 eröffnete Elefantenpark sei einer der modernsten in Europa. Lob dafür gibt es auch vom Schweizer Tierschutz. Dieser hebt den Park in seinem jüngsten Zoobericht als positives Beispiel hervor und hält etwa fest: «Die Elefanten haben viel Platz, um sich zu beschäftigen, einander auch mal aus dem Weg zu gehen oder sich bei Bedarf zurückzuziehen.»

Hoffen auf einen Impfstoff

Zalis Geburt ist wichtig für den Zoo, weil dieser am Zuchtprogramm des europäischen Zooverbands beteiligt ist und zur Arterhaltung der Asiatischen Elefanten beiträgt. Doch der Bestand im Elefantenpark wegen der vielen Todesfälle in den letzten Jahren schrumpfte. Gegenwärtig ist Zali das einzige Jungtier im Park.

Noch ist das Herpesvirus keine Gefahr für Zali. Die ersten zwei Lebensjahre sind Elefanten durch die Antikörper der Mutter geschützt. Danach lässt dieser Schutz nach, und die Tiere müssen eine Immunität gegen das Virus aufbauen. Deshalb ist das Virus ein Risiko für junge Tiere. Gemäss dem Zoo Zürich tragen es die meisten Elefanten in sich, ob in Zoos oder in der Wildnis. Längst nicht alle erkranken daran.

Im Zoo Zürich gilt die Zeitspanne zwischen zwei und acht Jahren als kritisch. Abgesehen von Zali sind alle Elefanten im Park älter, beobachtet werden aber auch sie. Um den Gesundheitszustand der Tiere zu überprüfen, werden sie regelmässig auf das Virus getestet.

Damit die Elefanten Behandlungen über sich ergehen lassen, führen die Pfleger medizinische Trainings mit ihnen durch. Sämtliche Interaktionen finden mit «geschütztem Kontakt» statt, das bedeutet, es gibt stets eine Barriere zwischen Tier und Pfleger. Auch das Elefantenkalb Zali wird eines Tages an dieses Training herangeführt. Möglich ist das erst, wenn es keine Muttermilch mehr braucht und feste Nahrung zu sich nimmt – denn das Training funktioniert mit Leckerli.

Weil das Herpesvirus in vielen Tiergärten ein Problem ist, arbeiten Forscher seit Jahren an einem Impfstoff. Wie der Zürcher Zoodirektor Severin Dressen am Mittwoch sagte, sind in den Niederlanden Impfstoffe mit «sehr vielversprechenden» Ergebnissen erprobt worden. Er hofft deshalb, dass Impfungen dereinst auch in Zürich angewendet werden können. Bis dahin dürfte aber noch einige Zeit vergehen.

Im Elefantenpark liegt der Fokus darauf, dass Zali sich gut entwickelt. Nach der intensiven Phase der letzten Tage ist etwas Entspannung angesagt – auch beim Kurator Ingo Schmidinger. Er geht jetzt ausschlafen. Im eigenen Bett.

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