Samstag, Januar 11

Politiker überbieten sich bei den Summen, welche in die Verteidigung fliessen sollen. Sie werden aber rasch merken, dass die Wirtschaft dadurch an ihre Grenzen stossen wird.

Wenn Unternehmen so investierten, wie das die Staaten bei der Rüstung beabsichtigen, gingen sie rasch bankrott. Die Einkäufe der Länder erfolgen nämlich ohne übergeordneten Plan, und die Regierungen ignorieren, was die Privatwirtschaft, welche die gewünschten Waffen produzieren soll, zu leisten vermag.

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Derzeit überbieten sich Regierungschefs und Strategen bei der Vorstellung, welchen Anteil der Wirtschaftsleistung (BIP) die Länder der EU und der Nato in die Verteidigung stecken sollen. Einst hatten sich die Staaten der Nato auf 2 Prozent geeinigt, dann sprach der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck von 3,5 Prozent, und der künftige amerikanische Präsident Donald Trump schraubte diesen Wert jüngst auf 5 Prozent hoch.

Aber das sind reine Phantasiezahlen, die Wirtschaft wird das nie hergeben. Und politisch durchsetzbar sind sie erst recht nicht.

Absolut gesehen geht es um riesige Summen

Auf den ersten Blick sehen die herumgebotenen Prozentzahlen zwar harmlos aus. Die Rüstungsausgaben beispielsweise von 2 auf 3 Prozent des BIP zu heben, sollte zu stemmen sein, könnte man meinen. Aber um welche finanzielle Last es geht, zeigt eine einfache Umrechnung in absolute Grössen.

Früher hat ein mittelgrosses, wohlhabendes europäisches Land – etwa die Niederlande – rund 1 Prozent des BIP für die Verteidigung ausgegeben. Das entsprach der Summe von 10 Milliarden Euro. 2 Prozent sind eine Verdoppelung auf 20 Milliarden Euro, Trumps jüngste Vorstellung würde den Staat 50 Milliarden Euro kosten. Das ist etwa das Dreifache dessen, was die Eidgenossenschaft für die Sozialversicherungen ausgibt.

Die Rüstungsindustrie wäre kaum in der Lage, das gewünschte Material auch nur mittelfristig zu liefern. Die Unternehmen stiessen rasch an Grenzen.

Erstens beim Personal. Spezialisierte Fachkräfte sind in Europa knapp, und gerade Rüstungsfirmen fiel es lange Zeit schwer, Arbeitskräfte anzuziehen. Auf dem Arbeitsmarkt hatten die Unternehmen kein gutes Image. Osteuropäische Produzenten holen daher Arbeiter und Arbeiterinnen sogar aus den Philippinen nach Europa, um Lücken beim Personal zu füllen.

Knappheit besteht zweitens bei den Komponenten, aus denen Waffen und Rüstungsgüter bestehen. Um sich die begehrten Bestandteile zu sichern, sind Firmen dazu übergegangen, Zulieferer gleich ganz zu übernehmen – sicher ist sicher.

Drittens dürfte bis auf weiteres auch das Personal fehlen, um all die Maschinen und Geräte zu bedienen, welche die Länder gerne beschafften. Eine strenge Wehrpflicht gibt es in Europa nur noch in wenigen Ländern, sie wieder einzuführen, dürfte auf Widerstand stossen. Hier schliesst sich der Kreis beim gleichsam ehernen Gesetz der ökonomischen Knappheit. Mehr Personal für die Armee erhöht den Fachkräftemangel in der Wirtschaft – sie wird daher bei solch einem Plan kaum mitspielen.

Die Länder sollten mehr kooperieren

Bevor die Länder der EU oder der Nato also so viel Geld ausgeben, sollten sie sich zuerst einigen, wie sie in der Verteidigung ihre Kooperation vertiefen könnten. Denn sonst treiben sie mit ihrer Nachfrage nur die Preise in die Höhe. Und für 1 Prozent des BIP werden sie künftig wegen der Teuerung kaum dieselbe Menge an Rüstungsgütern erhalten wie derzeit, sondern viel weniger.

Ökonomisch effizient und effektiv wäre es, wenn etwa die EU über eine vollständig ausgerüstete Armee verfügte. Dazu hat es in den vergangenen siebzig Jahren viele Versuche gegeben.

Alle scheiterten jedoch. Als es nach vielen Sitzungen ans Umsetzen ging, haben die Mitgliedsstaaten die Verteidigung plötzlich wieder als Domäne der nationalen Souveränität angesehen. Daran hat sich trotz dem Ukraine-Krieg nicht viel geändert.

Vielleicht schaffen es die Länder, wenigstens in gewissen Bereichen enger zu kooperieren, etwa bei der Logistik. Das wäre wünschenswert. Denn ein Land kann 3,5 Prozent des BIP in die Verteidigung stecken und trotzdem eine schlechte Armee haben.

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