Mit dem Momentum Screen durchleuchtet The Market jeden zweiten Dienstag die Börsen nach Aktien mit relativer Stärke. Unter ihnen gibt es einige Veränderungen, aber auch Konstanten, die besondere Beachtung verdienen, weil sie weiter anhaltende Trends signalisieren.
Das Bild gleicht sich, ob in der ersten oder der zweiten Reihe. In den nach relativer Stärke sortierten Tabellen des The Market Momentum Screens finden sich weit oben erneut Immobilientitel, während abgeschlagen im Tabellenkeller Autowerte verweilen. Im Dax steht etwa der grösste deutsche Wohnimmobilienkonzern Vonovia, den Schlusslichtern BMW, VW, Mercedes-Benz und Porsche gegenüber. Im MDax sind Aroundtown, TAG Immobilien und LEG Immobilien und im SDax Deutsche Wohnen, Patrizia Immobilien und Grand City Properties vorne, während im französischen Leitindex Renault und Stellantis wiederum die hinteren Plätze einnehmen. Die Autobranche steckt in einer Strukturkrise, eine Parallele zur Entwicklung der Stahlbranche ist nicht von der Hand zu weisen. Die Immobilienunternehmen profitieren dagegen besonders von sinkenden Zinsen und günstigeren Krediten, aber auch von der Wohnungsknappheit. Auf jene Titel zu setzen, ist durchaus sinnvoll.
Entscheidend ist allerdings nicht an welcher genauen Position – im Sinne eines Ranges – die Aktien im Momentum Screen von The Market auftauchen, es geht vielmehr um den zugrunde gelegten Wert, um die relative Stärke nach Levy (RSL). Zur Erinnerung: Durch die RSL vergleichen Trendfolger den aktuellen Kurs einer Aktie mit deren Durchschnittskurs der vergangenen 26 Wochen. Aktien, deren aktueller Kurs deutlich über dem Mittelwert liegt, haben eine relative Stärke. Sie befinden sich im Aufwärtstrend und da sich dieser oft fortsetzt, kann es sich lohnen, ihm zu folgen. Dazu sollten die momentumstarken Aktien allerdings zusätzlich attraktiv bewertet und das Marktumfeld günstig sein. Hierauf gilt es bei dieser Strategie besonders zu achten, da Aktien mit relativer Stärke nicht ohne Risiko sind.
Anlegerstimmung und Markttrends mehrheitlich positiv
Die Vorzeichen sind zwar durchwachsen, aber mehrheitlich positiv. Die geldpolitischen Lockerungsmassnahmen in China haben den Börsen weltweit und im Speziellen den Indizes Hang Seng und Shanghai Composite in den vergangenen zwei Wochen Auftrieb verliehen. Das von The Market erhobene Risk Barometer ist von 64 auf 56 gefallen. Es hat sich somit deutlich entspannt, liegt aber noch immer über dem langfristigen Mittel von 50 und mahnt zur Vorsicht. Denn zuletzt wurden die Stimuli aus China anscheinend von der Eskalation im Nahen Osten als Impulsgeber für die Börsen abgelöst.
Gegenwärtig notieren 36 der vierzig von The Market beobachteten Aktienindizes über ihrem 200-Tage-Durchschnitt (Stand: 07. Oktober 2024; 22 Uhr), was für mehrheitlich intakte Aufwärtstrends spricht. Vor zwei Wochen waren es 35. Auch Indizes wie der Nasdaq Composite (Technologiewerte) und der Dow Jones Utility (Versorger) geben grünes Licht für ein Aktienengagement. Während die Tech-Aktien starken Schwankungen unterliegen und deshalb sehr schnell auf eine bevorstehende Hausse oder Baisse reagieren, sind die Versorger wenig volatil, was sie dafür prädestiniert, als Massstab herangezogen zu werden, ob Aktien im Verhältnis zu Anleihen eher über- oder unterbewertet sind. Die Kombination aus beiden Indizes hat sich als gutes Signal für den gesamten Aktienmarkt bewährt. Positive Signale melden ebenfalls der MSCI World und der Value Line Arithmetic, kurz VLA. Letzterer ist ein breiter, gleichgewichteter US-Index. Nur der als Angstbarometer bekannte Volatilitätsindex VIX hat jüngst etwas angezogen.
Anlegerstimmung und Markttrends sprechen demzufolge also erst einmal nicht grundsätzlich dagegen, derzeit auf Aktien mit relativer Stärke zu setzen. Besonders aufgefallen sind The Market im SLI folgende Aktien.
Sonova nutzt künstliche Intelligenz
Der Hörgerätehersteller Sonova konnte in den vergangenen zehn Handelstagen besonders zulegen. Er hat im August die zwei neuen Plattformen Phonak Audéo Infinio und Audéo Sphere Infinio auf den Markt gebracht. Letzteres Hörgerät nutzt künstliche Intelligenz in Echtzeit. So trennt der firmeneigene KI-Chip klar Sprache von Hintergrundgeräuschen – eine Technik, die etwa bei Smartphones bereits im Einsatz ist. Die Technik soll einer klinischen Studie zufolge das Sprachverstehen in lauter Umgebung mehr als verdoppeln verglichen mit bisher verfügbaren Geräten, heisst es von Firmenseite.
Der Markt setzt nun anscheinend darauf, dass das Stäfner Unternehmen damit wieder in die Erfolgsspur zurückkehrt. Den Beweis war Sonova im Mai noch schuldig geblieben. Die RSL liegt bei 113,3 (nach 105,7 vor zwei Wochen). Ein Schnäppchen war der Marktführer allerdings noch nie. Er ist mit dem 5,2-Fachen des Konzernumsatzes bewertet. Dafür liegt die Eigenkapitalrendite bei sehr guten 25,7%.
Straumann ohne Verlustbringer
Der Zahnimplantatehersteller Straumann hat sich von DrSmile getrennt – seitdem läuft es blendend. Die deutsche Tochtergesellschaft brachte vor allem eins ein: Verlust. Allein im vergangenen Jahr musste Straumann wegen DrSmile Wertberichtigungen in Höhe von 153 Mio. Fr. vornehmen. Ohne den Ballast laufen die Aktien von Straumann.
Das Management hat Mitte August zudem die Prognose erhöht. Die RSL liegt nun bei 109,5 nach 102,9 im vorherigen Momentum Screen. Die Titel sind kein Schnäppchen mehr. Neue Geschäftszahlen zum dritten Quartal legt Straumann am 29. Oktober vor.
SIG Group mit stabilem Geschäft
Die Aktien des Herstellers von Abfüllanlagen und Getränkekartons SIG Group haben ebenfalls deutlich an Kursmomentum gewonnen. The Market hatte den zuvor stark gefallenen Titel bereits Mitte Juni auf dem Schirm – angesichts des attraktiven Geschäftsmodells mit stabilen und voraussehbaren Erträgen.
SIG rechnet für das Gesamtjahr zwar nur noch mit einem Umsatzwachstum von etwa 4% und einer Marge auf der Stufe Ebitda am unteren Ende der Spanne von 24 bis 25%, doch schlechte Nachrichten erwartet der Markt kaum noch. Mittelfristig peilt das Unternehmen gar eine Marge von mehr 27% an, bei Nettoinvestitionen von 7 bis 9% des Umsatzes, der in der oberen Hälfte der Spanne von 4 bis 6 % wachsen soll.
Ein Update zum Geschäftsverlauf im dritten Quartal gibt SIG am 29. Oktober. Die RSL beträgt 107,5 nach äusserst schwachen 97,2 vor vierzehn Tagen. Trotz des Kurssprungs ist der Titel nicht hoch bewertet.
Roche schwächelt
Besondere Schwäche zeigen hingegen die Genussscheine von Roche (von 107,8 auf 102,6). Der Pharmakonzern konzentriere sich künftig auf die fünf Therapiegebiete Onkologie, Neurologie, Immunologie, Augenheilkunde und Stoffwechselkrankheiten (CVRM), sagte Konzernleiter Thomas Schinecker kürzlich beim Investorentag. Innerhalb dieser fünf Gebiete hat der Basler Konzern elf Krankheiten identifiziert, auf die er sich primär fokussieren will. Schinecker möchte zudem die Effizienz in der Forschung steigern und die Kosten drücken.
Die Kursschwäche ist wohl Gewinnmitnahmen geschuldet. Der Konzern hatte vor kurzem überraschend seine Prognose erhöht. Allerdings hatte er bei der Entwicklung von Abnehmpräparaten einen Dämpfer hinnehmen müssen.
Swiss Re und Munich Re in stürmischen Zeiten
An Momentum verloren haben inmitten der Hurrikansaison auch die Aktien des Rückversicherers Swiss Re (107,3 auf 100,7). Am Markt ist ebenfalls die Rede von Gewinnmitnahmen, wie sie auch die Papiere des deutschen Wettbewerbers Munich Re trafen. Die relative Stärke bei den Münchnern sank von 108,9 auf 102,4.
Unter den stärksten deutschen Aktien stechen des Weiteren folgende Titel besonders hervor.
Commerzbank heiss begehrt
Die Aktien der Commerzbank sind gefragter denn je, scheint eine Übernahme durch die italienische Grossbank Unicredit inzwischen doch recht wahrscheinlich. Die RSL beträgt 117,1 (vor zwei Wochen: 107,4). Zwar sehen die Bundesregierung und selbstredend das Commerzbank-Management eine Fusion kritisch, doch Unicredit hat sich bereits den Zugriff auf bis zu 21% der Commerzbank-Anteile gesichert und bei der Bankenaufsicht beantragt, die Beteiligung auf bis zu 29,9% der Anteile ausbauen zu dürfen.
Eine Übernahme abwehren will die Bundesregierung nicht. Das sei Sache der Kapitalmarktakteure. Auch die beim Bund verbliebenen 12% der Commerzbank-Anteile gewähren nicht genug Einfluss, um das Vorgehen der Unicredit noch zu blockieren, heisst es im Umfeld der Bank. Die Commerzbank-Aktien haben ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,7 und ein für 2025 geschätztes Kurs-Gewinn-Verhältnis von 7.
Covestro mit Luft zum Angebotspreis
Auch die Aktien des deutschen Kunststoffherstellers Covestro haben wegen einer angekündigten Übernahme durch das staatliche Ölunternehmen Adnoc aus den Vereinigten Arabischen Emiraten einen Lauf. Der arabische Investor bietet 62 € je Aktie. Am Montagabend stand der Kurs bei 58.22 € und viel höher ging es mit 58.50 € auf Schlusskursbasis auch in den vergangenen 52 Wochen nicht. Das zeigt zumindest, dass der Markt skeptisch ist und offenbar befürchtet, der Deal könne noch an den Behörden oder an der Politik scheitern.
Covestro steht auch auf Rang zwei der Dax-Titel mit dem höchsten Anteil an Short-Positionen. Sollten diese Spekulanten auf niedrigere Kurse bei einer erfolgreichen Offerte zum Eindecken ihrer Short-Positionen gezwungen sein, könnte dies dem Kurs Auftrieb geben.
Die Überschneidungen der Geschäfte sind jedenfalls gering und Adnoc hat – vorbehaltlich der Prüfung der Angebotsunterlagen – das Management und den Aufsichtsrat von Covestro auf seiner Seite. Die RSL liegt bei 111,0 (zuvor: 105,3).
Deutsche Telekom samt US-Tochter weiter beliebt
Weiterhin stark sind auch die Papiere der Deutschen Telekom, die hier wie die Commerzbank vor zwei Wochen schon Erwähnung fanden, sowie auch die Aktien der Tochter T-Mobile USA, die für einen Grossteil der guten Performance der T-Aktien verantwortlich und die im Momentum Screen im US-Teil zu finden sind. Die relative Stärke der Telekom-Aktien beträgt 111,4 (zuvor: 112,9), die der Tochter T-Mobile US 114,7 (zuvor: 112,8).
Am 10. und 11. Oktober veranstaltet die Deutsche Telekom ihren Kapitalmarkttag für Analysten und Investoren. Dabei werden unter anderem CEO Tim Höttges und Finanzchef Christian Illek sprechen und sich den Fragen der Teilnehmer stellen. Zu der zweitägigen Veranstaltung lädt das Unternehmen nur alle drei Jahre ein.
3M mit Spin-off-Fantasie
Im Dow Jones sticht unter Aktien wie IBM, Home Depot, Caterpillar und Walmart insbesondere 3M heraus. Dass das Interesse am Investment Case wächst, hatte The Market bereits Mitte Juni berichtet. Der Mischkonzern hat Ende Juli seine Prognose etwas erhöht. Statt 6.80 bis 7.30 $ je Aktie peilt er nun 7.00 bis 7.30 $ an.
Der Markt liebt zudem die Aufspaltung des Konzerns. So hat 3M jüngst seine Gesundheitssparte ausgegliedert, die nun Solventum heisst. Auf Solventum lasten milliardenschwere Rechtsvergleiche, etwa wegen mangelhafter Ohrstöpsel. 3M besitzt an dem Unternehmen nur noch einen Minderheitsanteil. Und das könnte noch lange nicht der letzte Spin-off gewesen sein. Das Kursmomentum hat zwar leicht nachgelassen, ist aber weiter intakt. RSL: 120,6 (zuvor: 126,2). Das für 2025 geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt bei 17.
Andritz hat Qualitäten
Auffällig stark im österreichischen Index ATX ist Andritz. Der Maschinen- und Anlagenbauer ist ebenfalls unter den zwanzig günstigsten europäischen Qualitätswerten von The Market vertreten. Andritz rechnet für das Geschäftsjahr 2024 trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes mit einem stabilen Umsatz und einer stabilen Ebita-Marge. Aufgrund des anhaltend rückläufigen Auftragseingangs lege man den Fokus in der zweiten Jahreshälfte auf die Steigerung der Kosteneffizienz und leite selektive Kapazitätsanpassungen ein, heisst es aus Graz.
Die RSL der Aktien beträgt 110,9 (zuvor: 110,5). Hervorragend ist die Eigenkapitalrendite von 25,2%. Andritz ist aktuell zudem nur mit dem 0,7-Fachen des Umsatzes bewertet. Das 2025er KGV liegt bei 11 und die Dividendenrendite derzeit bei 3,9%.
Sanofi schnell comebackfähig
Der französische Pharmakonzern Sanofi (vertreten im Euro Stoxx 50 und dem heimischen Leitindex CAC) hat ordentlich an Schwung verloren und steht stellvertretend für französische Aktien, die allesamt derzeit nicht besonders gut performen. Das 52-Wochen-Hoch von 106.14 € ist schon ein wenig in die Ferne gerückt. Montagabend gingen die Aktien mit 100.86 € aus dem Handel. Die RSL liegt bei 106,8 (zuvor: 110,8).
The Market hat bei Sanofi aber Tennisballqualitäten ausgemacht: Die Aktien von Sanofi haben das Zeug dazu, nach einem Rücksetzer schnell aufzuspringen, so wie es die gelbe Filzkugel vormacht. Für Pharmatitel sind Sanofi darüber hinaus recht günstig bewertet.
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