Mittwoch, März 19

Der grösste Schweizer Baukonzern gedeiht in allen Bereichen. Der Markt trägt dieser Verbesserung noch nicht ausreichend Rechnung. Die Aktien haben Potenzial.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Die Genesung des Schweizer Baukonzerns Implenia setzt sich fort. Die am Mittwoch präsentierten Zahlen zum Geschäftsjahr 2023 unterstreichen dies eindrücklich. Alle Divisionen – ausser Real Estate, die 2022 von ausserordentlich hohen Immobilienverkäufen profitiert hatte – konnten den Betriebsgewinn verbessern. Mit einem Gruppen-Betriebsgewinn (Ebit) von 122,6 Mio. Fr. wurde die Prognose übertroffen. Unter dem Strich resultierte ein Rekordgewinn von 141,8 Mio. Fr., bedingt durch einen positiven Steuerbeitrag von 30,6 Mio. Fr. (2022: -17,2 Mio. Fr.), weil latente Steuerforderungen auf Verlustvorträgen kapitalisiert werden konnten. Auf vergleichbarer Basis ist der Gewinn pro Aktie unter Vorjahr ausgefallen.

Das gute Ergebnis bestätigt, wie wenig Implenia von der Flaute im Wohnungsbau tangiert ist. In der Schweiz konzentriert sich das Unternehmen wenn schon auf die besten Lagen (Winterthur, Baar, Zug, Neuenburg). Auch in Deutschland, im zweitwichtigsten Markt, macht sich die selektive Auswahl von Wohnprojekten bezahlt.

Wählerisch bleiben zahlt sich aus

Im Gespräch mit The Market erklärt Konzernchef André Wyss, dass sich Implenia künftig noch stärker auf grosse, komplexe Bauprojekte beschränken will, weil dort der Konkurrenzkampf geringer ist und die Margen besser sind.

Die Investoren beginnen indes erst langsam damit, die operativen Fortschritte zu anerkennen. Im Januar setzte eine zuversichtliche Studie von UBS dem mehrmonatigen Kursrückgang ein Ende. Am Mittwoch verkehrten die Implenia-Valoren anfänglich fester, büssten dann aber wieder deutlich Terrain ein. Das allgemein trübe Umfeld im Bauwesen wiegt offenbar zu schwer.

Mehr Dividende

Während vor einigen Jahren Wachstum um jeden Preis die Strategie des grössten Schweizer Baukonzerns leitete, wird nun der Rentabilität Priorität eingeräumt. Das gesundgeschrumpfte Unternehmen trägt zudem den Bedürfnissen seiner Aktionäre mehr Rechnung. Das zeigt sich an der Dividendenpolitik. Nach zwei dividendenlosen Jahren wurde 2022 die Ausschüttung wieder aufgenommen. Für 2023 sollen pro Aktie 60 (i. V. 40) Rappen ausbezahlt werden. Auch künftig würden die Aktionäre von steigenden Ausschüttungen profitieren, «im Rahmen der kontinuierlichen Verbesserung unseres Ergebnisses», erklärt Wyss.

Aktienrückkäufe seien derzeit hingegen kein Thema, «lieber möchten wir unser Kerngeschäft ausbauen». Den Kauf von Baufirmen schliesst Wyss aus. «Wir wollen nicht in die Tiefe gehen, sondern unsere Wertschöpfungskette nach vorne und nach hinten verbreitern», erklärt Wyss. Dabei denkt er an eine Rückwärtsintegration in die Planung von Bauprojekten sowie an eine Vorwärtsintegration in die Bewirtschaftung, wie es bei Wincasa der Fall gewesen ist. «Am Asset-light-Modell halten wir fest». Weniger lukrative Projekte anzunehmen, um Fixkosten zu decken, müsse Implenia nicht mehr. Je grösser ein Bauprojekt sei, desto mehr greife das Unternehmen auf externe Subunternehmen zurück.

Steigende Rentabilität

Mit einer Ebit-Marge von 3,4% – im Vorjahr waren es dank den Immobilienverkäufen 3,9% – befindet sich Implenia auf Kurs, das mittelfristige Ziel von über 4,5% zu erreichen. Für einen Baukonzern ist das ein guter Wert, vor allem für Implenia, die im Zeitraum 2015 bis 2022 im Durchschnitt lediglich auf eine Marge von 1,7% kam.

Dank der letztjährigen Akquisition von Wincasa sind die Voraussetzungen sogar gegeben, dass Implenias Rentabilität auf ein beständig höheres Niveau kommt. «Wincasa ist sehr gut integriert, die Erwartungen wurden sogar leicht übertroffen,» sagt Wyss. Der führende Schweizer Immobiliendienstleister erwirtschaftet wohl zwei bis drei mal höhere Margen als Implenia. Wie viel genau, wird nicht verraten. Lediglich, dass die Marge «deutlich höher» sei als bei Implenia.

Die seit Mai 2023 konsolidierte Wincasa trug einen operativen Betriebsgewinn von 7,6 Mio. Fr. bei, dies nach Abzug von Transaktions- und Integrationskosten sowie von Kaufpreisallokations-Abschreibungen. Für das laufende Jahr sind Synergien von 5 Mio. Fr. budgetiert, ab 2027 sollen es jährlich 10 Mio. Fr. Einsparungen sein.

Mit einem Auftragsbestand von rund 7 Mrd. Fr. ist das Unternehmen für allfällige Konjunkturschwächen gerüstet. Jüngst konnten in Deutschland und der Schweiz lukrative Grossprojekte im Gesamtwert von über 110 Mio. Fr. an Land gezogen werden. Laut Wyss seien die vorkalkulierten Margen solcher Projekte kontinuierlich verbessert worden und würden sich den realisierten Margen dieser Mehrjahresprojekte stetig annähern. «Früher waren die kalkulierten Margen tief, die realisierten noch tiefer». Profitables Wachstum, nicht mehr Wachstum per se stünde nun im Mittelpunkt, ergänzt er.

Bilanz gesundet

Auch die während der schmerzhaften Restrukturierung in Schieflage geratene Bilanz von Implenia hat sich wieder aufgefangen. Die Eigenkapitalquote erholte sich im vergangenen Jahr von 17,5 auf 19,8%, dies obwohl durch den Erwerb von Wincasa die Bilanzsumme zugenommen hat. Damit hat sich die Quote innerhalb von drei Jahren verdoppelt. Damit werden die Kreditauflagen der Banken wieder knapp erfüllt. Mittelfristig wird eine Quote von mindestens 25% angestrebt. Würden die Entwicklungsprojekte zu Markt- statt Buchwerten bilanziert, würde sich die Eigenkapitalquote schon jetzt über 22% befinden, sagt Wyss. Das gibt ein beruhigendes Sicherheitspolster.

Wie üblich hat das Unternehmen im zweiten Semester einen hohen freien Cashflow erwirtschaftet (297 Mio. Fr.). Dass im Gesamtjahr ein negativer Wert von 12,7 Mio. Fr. resultierte, war lediglich der ersten Tranche für Wincasa (100 Mio. Fr.) zuzuschreiben. Ohne Wincasa wäre der freie Cashflow bei 87,3 Mio. Fr. gelegen. Diesen Januar wurde der restliche Kaufbetrag für Wincasa von 72 Mio. Fr. beglichen, die gänzlich aus eigenen Mitteln bezahlt wurde.

Bescheidene Prognosen

Die Börse trägt der operativen Trendwende von Implenia nur beschränkt Rechnung. Wie wenig der Markt Implenia zutraut, spiegelt sich in den verhaltenen Prognosen der Analysten. Die derzeitigen Gewinnprognosen müssten eine Stagnation bedingen, was wenig wahrscheinlich ist (vgl. Grafik). Das Implenia-Management stellt für das laufende Jahr einen Betriebsgewinn von rund 130 Mio. Fr. in Aussicht. Auch was die Dividende betrifft, besteht noch einige Luft nach oben, denn nur ein Bruchteil des Gewinns wird ausgeschüttet.

Wie wenig Vorschusslorbeeren Implenia geniesst, zeigt sich in der geringen Bewertung der Aktien. Selbst auf Basis der bescheidenen Konsensprognosen liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) klar unter dem mehrjährigen Durchschnittswert. Für 2024 sind es bescheidene 6,5.

Konkurrenten sind deutlich höher eingestuft

Aktien von Baukonzernen geniessen zwar generell eine eher geringe Bewertung. Doch im Vergleich mit den europäischen Konkurrenten wie Hochtief, Vinci oder Veidekke, deren KGV zum Teil doppelt so hoch sind, befindet sich die Bewertung von Implenia auf einem äusserst bescheidenen Niveau.

Die nach wie vor schwachen Zahlen aus der deutschen Baubranche, die auch in den kommenden Jahren kränkeln dürfte, verschrecken offenbar die Investoren. Hingegen betrifft das vor allem den Wohnungsbau, der unter steigenden Finanzierungskosten leidet. Implenia hat es bisher indes verstanden, sich auf komplexere Infrastrukturprojekte zu beschränken, die weniger davon tangiert sind und vielfach staatlich finanziert werden.

Falls sich der Markt für eine Neubewertung von Implenia durchringen kann, liegen weitere Kursavancen drin. Ich erachte den Zeitpunkt für einen (Wieder-)Einstieg in Implenia-Aktien als attraktiv.

Das sieht offenbar auch der Implenia-Chef so, der mittlerweile seine Beteiligung von 0,55% auf 0,67% ausgebaut hat. Die ganze Konzernleitung habe in den vergangenen Monaten ihre Implenia-Beteiligungen – «freiwillig» – aufgestockt, sagt Wyss.

Mir gefällt es, wenn die Insider «skin in the game» haben.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Giorgio Müller

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