Mittwoch, November 27

Zehntausende fordern in Islamabad die Freilassung des inhaftierten früheren Premierministers. Die Regierung riegelt das Zentrum der Hauptstadt ab, am Abend verkündet sie ihren Sieg. Doch der Konflikt ist damit nur vertagt.

Bis zu ihrem letzten Atemzug werde sie in Islamabad ausharren, hatte Bushra Bibi angekündigt. Erst wenn ihr Mann Imran Khan frei sei, werde sie ihren Protestmarsch auf die pakistanische Hauptstadt abbrechen. Am Dienstag erreichte die Ehefrau des inhaftierten früheren Premierministers mit Tausenden ihrer Anhänger das von der Armee abgeriegelte Regierungsviertel im Zentrum von Islamabad. Doch der grosse Showdown blieb aus: Am Abend verkündete die Regierung, Khans Anhänger seien geflohen, die Proteste seien vorbei.

Der Informationsminister Attaullah Tarar spottete, Bushra Bibi und all ihre Unterstützer seien weggelaufen. Es sei offenbar ein Hobby von ihr, bei Protesten zu fliehen, meinte Tarar bei einer Pressekonferenz am D-Chowk, dem grossen Platz am Rande des Regierungsviertels, auf dem sich die Anhänger Khans versammeln wollten. Die Regierung hatte dort eine hohe Barriere aus Schiffscontainern errichten lassen, um den Protestmarsch zu stoppen und das Parlament abzuschirmen.

Da die Regierung das mobile Internet abgeschaltet hatte, war die Lage am Abend zunächst unklar. Am frühen Morgen rief Khans Partei Pakistan Tehreek-e Insaf (PTI) ihre Anhänger aber auf, nach Hause zu gehen, um weitere Gewalt zu vermeiden. Die Proteste seien «bis auf weiteres» abgesagt. Tarar versicherte, die Containerbarriere werde nun rasch abgeräumt, das Regierungsviertel wieder geöffnet, und auch die Schulen würden am Donnerstag den Betrieb wieder aufnehmen.

Imran Khans Partei gab sich kämpferisch

Imran Khans Partei hatte den Protestmarsch über Wochen zum finalen Showdown im Ringen mit der Regierung stilisiert. Aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa an der Grenze zu Afghanistan, in der die PTI die Regierung stellt, waren am Sonntag mehrere Konvois mit rund 50 000 Demonstranten in Richtung Hauptstadt gestartet. Die Regierung von Shehbaz Sharif hatte daraufhin die Polizei in Islamabad massiv verstärkt und die sogenannte Rote Zone, in der sich das Parlament, die Ministerien und das Oberste Gericht befinden, abgeriegelt.

Im Vorfeld hatte ein Gericht ein Demonstrationsverbot für das Zentrum der Hauptstadt erlassen. Verhandlungen der Regierung mit Khans Partei, die Kundgebung stattdessen in einem Vorort von Islamabad abzuhalten, scheiterten. Die PTI-Führung mit Khans Ehefrau Bushra Bibi an der Spitze gab sich kämpferisch und unnachgiebig. Ohne eine Freilassung aller Gefangenen der Partei werde es keine weiteren Gespräche mit der Regierung geben, kündigte die PTI an.

Auf einer Autobahn wurden am Dienstagmorgen zwei Polizisten und vier Paramilitärs getötet, als ein Auto mit hoher Geschwindigkeit in sie raste. Premierminister Sharif sprach von einem gezielten Angriff und kündigte an, die Täter vor Gericht zu bringen. Die PTI teilte ihrerseits mit, zwei Demonstranten seien bei Zusammenstössen mit den Sicherheitskräften getötet worden. Die Polizei setzte massiv Tränengas ein, auch die Armee war am Dienstag mit Truppen auf den Strassen präsent.

Der Streit mit Khans Anhängern lähmt das Land

Khan war im März 2022 vom Parlament gestürzt worden, nachdem er die Unterstützung des mächtigen Militärs verloren hatte. Seine Partei liegt seither im Clinch mit der Regierung. Im August 2023 wurde der frühere Cricket-Champion festgenommen und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Der 72-Jährige ist inzwischen in mehr als hundert weiteren Verfahren angeklagt. Seine Anhänger betrachten die Vorwürfe als politisch motiviert und dringen auf seine Freilassung.

Trotz seiner Inhaftierung ist Khans Popularität in Pakistan weiter gewachsen. Bei der Parlamentswahl im Februar erreichte seine Partei die meisten Sitze, obwohl ihre Kandidaten nicht unter dem Namen der PTI antreten durften und die Abstimmung von Fälschungsvorwürfen überschattet war. Khans Partei wirft dem militärischen Establishment vor, ihn kaltstellen zu wollen, nachdem er es gewagt hatte, die politische Vormachtstellung der Generäle infrage zu stellen.

Die Regierung von Shehbaz Sharif, die aus einer Koalition der Pakistan Muslim League (PML-N) und der Pakistan People’s Party (PPP) besteht, tut sich schwer, einen Umgang mit Khan zu finden. Der Streit lähmt nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft. Die Proteste von Khans Anhängern legen immer wieder das Leben in der Hauptstadt lahm, am Dienstag gaben die Börsenkurse wegen der Instabilität deutlich nach. Auch wenn die Proteste vorerst vorüber sein sollten, dürfte die nächste Runde nicht lange auf sich warten lassen.

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