Donnerstag, Mai 1

Premierminister Antony Albanese hat in seiner Amtszeit keine grossen Stricke zerrissen. Doch Trumps Zollpolitik könnte ihm dennoch zur Wiederwahl verhelfen.

Australien wählt am 3. Mai ein neues Parlament. Premierminister Anthony Albanese von der Labor Party und der Oppositionsführer Peter Dutton von den Liberalkonservativen liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Im Zentrum des Wahlkampfs stehen steigende Lebenshaltungskosten, der angespannte Wohnungsmarkt und die Frage, wie das rohstoffreiche Land in einer sich wandelnden Weltordnung seinen Platz behauptet.

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Als der heute 62-jährige Albanese 2022 die Regierung übernahm, versprach er einen politischen Neuanfang – mit Schwerpunkten auf Klimaschutz, Gleichstellung, Integrität und der Versöhnung mit den indigenen Völkern. Doch der Weg war holprig – und nicht frei von Rückschlägen. Besonders im Klimaschutz, einst Herzstück seines Programms, blieb vieles hinter den Erwartungen zurück. Zwar wurde ein gesetzlich verbindliches Ziel zur Reduktion der Emissionen um 43 Prozent bis 2030 beschlossen. Gleichzeitig aber genehmigte die Regierung gleich mehrere neue Kohleminen oder Erweiterungen bestehender Projekte – ein Widerspruch, der die Enttäuschung vieler Umweltaktivisten nährt.

Auch innenpolitisch musste Albanese Rückschläge einstecken. So scheiterte etwa das Vorhaben, die Zahl internationaler Studierender zu begrenzen, im Parlament – unter anderem am fehlenden Konsens mit kleineren Parteien. Der wohl grösste Rückschlag war jedoch das gescheiterte Referendum über die «Voice to Parliament» – ein beratendes Gremium der indigenen Bevölkerung, das in der Verfassung verankert werden sollte.

Ein Tabubruch in der Energiepolitik?

Wirtschaftlich unterscheiden sich die Politik von Albanese und jene des Oppositionsführers Dutton klar. Der Premierminister wirbt mit sozialpolitischen Massnahmen, die insbesondere junge und einkommensschwache Wähler ansprechen sollen: Ein geplanter Schuldenerlass für Studierende, Investitionen in psychische Gesundheit und Wohnungsbau sowie ein Verbot von Social Media für unter 16-Jährige gehören zu seinem Kernprogramm.

Dutton hingegen verspricht Steuersenkungen, Bürokratieabbau und eine stärkere Rolle des privaten Sektors. Seine wohl kontroverseste Forderung: der Bau von sieben Atomkraftwerken – ein Tabubruch in einem Land, das bis jetzt gänzlich auf Kernenergie verzichtet. Zudem will Dutton die Migration stark begrenzen, Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte beschleunigen und Investitionen in den Bergbau erleichtern.

Für Dutton ist seine politische Vergangenheit ein Hindernis. Er verweigerte sich einer offiziellen Entschuldigung für die gestohlenen Generationen indigener Kinder, sprach sich gegen die Ehe für alle aus und lehnte das «Voice to Parliament»-Referendum ab. Zwar bemüht er sich im Wahlkampf um ein sachlicheres Auftreten, doch politische Gegner zeichnen das Bild eines rechtskonservativen Hardliners.

Dutton zeigte sich direkt nach Trumps Wahlsieg euphorisch – wie viele Konservative, sagt Mark Kenny vom Australian Studies Institute in Canberra. Damals habe er sich bereitwillig als australisches Pendant zu Trump inszeniert – «nicht ganz so extrem, aber als ideologischer Weggefährte». Mittlerweile aber bemüht er sich, demonstrativ auf Distanz zu gehen. Das widerspiegelt, wie kritisch viele Australierinnen und Australier heute auf Trumps Einfluss blicken.

Ein geopolitischer Spagat

Australien bekommt die Unsicherheit der internationalen Lage unmittelbar zu spüren. Der Handelsstreit zwischen den USA und China hat direkte Auswirkungen auf das exportorientierte Land. Als Washington Anfang April weltweite Zölle, darunter auch zehn Prozent auf die meisten australischen Importe in die USA, ankündigte, reagierte Albanese ungewöhnlich scharf. Die Entscheidung sei «nicht die Tat eines Freundes», so der Premierminister. Der Oppositionsführer Dutton pflichtete ihm bei und warf den USA mangelnden Respekt gegenüber Australien vor – ein selten deutliches Signal gegenüber dem militärischen Verbündeten.

Gleichzeitig wächst die Nervosität angesichts der chinesischen Militärpräsenz in der Region. Mehrfach kam es in den vergangenen Monaten zu Zwischenfällen in der Nähe australischer Gewässer. Dutton, der als ehemaliger Verteidigungsminister für seine harte Linie gegenüber Peking bekannt ist, betonte einst, es sei «nahezu undenkbar», dass Australien sich nicht an der Seite der USA an einem möglichen Taiwan-Konflikt beteilige. Diese Haltung verschafft ihm aussenpolitisches Profil, kostet ihn jedoch Stimmen in Wahlkreisen mit hohem chinesischstämmigem Bevölkerungsanteil. Albanese hat den Ruf eines Politikers, der mit Peking diplomatisch erfolgreich agieren kann.

Auffällig im laufenden Wahlkampf ist der Bedeutungszuwachs unabhängiger Kandidatinnen und Kandidaten. In mehreren Wahlkreisen stellen sich muslimische Unabhängige zur Wahl, die insbesondere mit der Nahostpolitik der Regierung unzufrieden sind. Der Krieg in Gaza hat auch innerhalb der Labor-Partei Spannungen ausgelöst. Albanese muss dabei aufpassen, die traditionell multikulturellen Wählergruppen seiner Partei nicht zu verlieren. Auch parteilose Kandidatinnen und Kandidaten mit wirtschaftsliberaler, aber klimapolitisch progressiver Agenda könnten erneut Sitze gewinnen. Ihnen ist es bereits bei der Wahl 2022 gelungen, klassische Hochburgen der konservativen Liberalen zu erobern.

Entscheidend wird am Ende sein, welchem der beiden Kandidaten die Wählerinnen und Wähler eher zutrauen, die drängenden Alltagssorgen zu lindern – ohne dabei die geopolitischen Herausforderungen aus dem Blick zu verlieren. Dutton gelang es vorübergehend, das konservative Lager nach der herben Wahlniederlage von 2022 wieder zu konsolidieren – doch in den vergangenen Wochen konnte sich Albanese in den Umfragen einen leichten Vorsprung sichern. Dies verdankt er nicht zuletzt dem «Trump-Backlash» – eine Gegenreaktion auf die Politik des US-Präsidenten. Nicht überraschen würde auch eine Pattsituation, bei der keine der grossen Parteien eine Mehrheit erzielt.

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