Montag, Januar 13

Die Stadt Gent hat ihren Bewohnern empfohlen, den Christbaum zu essen. Die belgische Lebensmittelbehörde reagierte mit einer Warnung, was bei ihren schwedischen Kollegen auf Unmut stiess. Doch wer hat recht? Ein wichtiges Detail entscheidet.

Die Festtage sind vorüber, der Christbaum steht noch immer im Wohnzimmer und sammelt Staub. Viele entsorgen ihn zur ersten Grünabfuhr im neuen Jahr. Doch die belgische Stadt Gent hatte für dieses Jahr eine ungewöhnliche Recycling-Idee: «Essen Sie Ihren Weihnachtsbaum», riet die Stadt ihren Bewohnerinnen und Bewohnern nach den Feiertagen. Gent ist bekannt für Klimaschutz und nachhaltige Initiativen. In der Stadt befindet sich die grösste autofreie Zone Europas.

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Nun schlug die Stadt ihren Bewohnern vor, die Nadeln der Bäume zu blanchieren und sie zu trocknen. So lande der Weihnachtsbaum nicht vollständig im Abfall. Aus den Nadeln liessen sich aromatisierte Butter und andere Lebensmittel herstellen. Auf ihrer Website teilte die Stadt zudem Rezepte: Crostini mit Fichtennadel-Ricotta und gerösteten Feigen oder Fichtennadel-Sauce zu Sellerie-Steak-Wellington.

«In Skandinavien macht man das schon lange»

Die Empfehlung der Genter Stadtverwaltung ging um die Welt. «New York Times», «Le Figaro», «The Guardian» – alle berichteten darüber. Dabei ist die Idee nicht neu. In skandinavischen Ländern wie Schweden und Dänemark gibt es den Brauch, Teile des Christbaums zu verwerten. Besonders Fichtennadeln werden dort für Tees, Sirupe oder Bier genutzt. An dieser Tradition orientierte sich die Stadt Gent: «In Skandinavien macht man das schon lange», schrieb sie in der Mitteilung.

In einer Zeit, in der vegane Ernährung immer mehr an Bedeutung gewinnt, rückt die Verwendung von Pflanzen wie Bäumen stärker in den Fokus. Es gibt mittlerweile viele Ratgeber, die sich damit befassen. Ein Beispiel ist das Buch «Tasty Trees: Leckeres aus Bäumen» der deutschen Autorin Victoria Lorenz. Es zeigt, wie «vielseitig sich Teile von Bäumen in der Küche einsetzen lassen».

Auch für Christbäume gibt es einen speziellen Ratgeber. Die britische Kochbuchautorin Julia Georgallis veröffentlichte 2021 das Buch «How To Eat Your Christmas Tree». Es enthält 32 Rezepte, «um den Baum sinnvoll zu verwerten». Georgallis möchte damit das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Wiederverwertung in der Weihnachtszeit stärken. In der Schweiz landen jährlich rund 1,5 Millionen Christbäume nach der Weihnachtszeit auf der Strasse und werden entsorgt. In Deutschland sind es rund 30 Millionen.

Dabei sind die Nadeln von Nordmanntannen oder Fichten reich an Vitamin C und in kleinen Mengen sicher geniessbar – vorausgesetzt, sie wurden nicht mit Chemikalien behandelt. Ein kleines, aber entscheidendes Detail.

Die Schweden verteidigen ihre Praxis und warnen

In Belgien folgte deshalb prompt eine Warnung der Lebensmittelbehörde: «Essen Sie Ihren Weihnachtsbaum nicht», schrieb sie am Dienstag in einer Mitteilung. Die Bäume seien nicht dazu bestimmt, in der Nahrungskette zu landen. Es gebe keine Garantie, dass sie sicher für den Verzehr seien – weder für Menschen noch für Tiere. Die Behörde verwies auf den «wahrscheinlichen Einsatz» von Pestiziden und giftigen Brandschutzmitteln beim Anbau der Bäume. Beides könnte beim Verzehr «tödliche Folgen» haben. Zudem gebe es Arten wie die Eibe, die giftig sind.

Die Aufforderung aus Brüssel rief wiederum die schwedische Behörde für Lebensmittelsicherheit auf den Plan. In einer Mitteilung erklärte sie: Der Verzehr von Nadeln junger, unbehandelter Bäume ist in begrenzten Mengen unbedenklich. Laut einer Toxikologin der Behörde sei das Verwerten von Tannennadeln in Schweden üblich, allerdings nur im Frühling, wenn die Nadeln im Mai oder Juni noch zart und klein seien.

Anders sehe es jedoch bei Christbäumen aus dem Handel aus. Hier stimmen die Schweden mit ihren belgischen Kollegen überein. Solche Bäume seien nicht für den Verzehr geeignet. Sie könnten Pflanzenschutzmittel enthalten, die für essbare Pflanzen nicht zugelassen sind.

In Gent reagierte die Stadtverwaltung schliesslich auf die ausgelöste Debatte. «Bitte beachten Sie, dass nicht alle Weihnachtsbäume essbar sind», steht nun in der Mitteilung. Die ursprüngliche Empfehlung «Essen Sie Ihren Weihnachtsbaum» wurde vorsichtshalber in «Skandinavier essen ihre Weihnachtsbäume» abgeändert.

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