Samstag, November 23

In einem bewilligten Pilotversuch fährt ein autonomes Fahrzeug der Transportfirma Planzer von einem Verteilzentrum an mehrere Standorte in Bern. Dabei kommt es an verschiedenen Brennpunkten mit vielen Velos und Fussgängern vorbei.

In der Stadt Bern verkehrt seit Donnerstagmorgen ein autonomer Lieferwagen ohne Chauffeur am Steuer. Die Transportfirma Planzer hat gemeinsam mit dem Startup Loxo ein auf zwei Jahre angelegtes Pilotprojekt mit einem batterieelektrischen VW ID.Buzz gestartet. Dieser ist mit allerlei Kameras, Radar- und Lidar-Systemen ausgerüstet, um vollautomatisiert durch den Stadt- und Agglomerationsverkehr zu gelangen.

Planzer erfüllt damit ein Versprechen, das die Transportfirma vor drei Jahren abgab: Damals hatte das Unternehmen zwei automatisierte Lieferwagen bei der kalifornischen Firma Udelv bestellt. Weil diese nicht unmittelbar eingesetzt wurden, entstand der Eindruck, die Bestellung sei zunächst aus Image-Zwecken geschehen.

«Das ist kein Eindruck, das ist die Wahrheit», sagte CEO Nils Planzer 2021. «Wir müssen erst einmal herausfinden, was wir überhaupt mit autonomen Lieferwagen tun dürfen. Deshalb sind wir in engem Kontakt mit dem Bundesamt für Strassen Astra.»

Gesetzliche Grundlagen sollen geschaffen werden

In der Zwischenzeit ist das kommerzielle Interesse an nachhaltigen Verkehrslösungen gestiegen, gleichzeitig hat sich das hochautomatisierte Fahren weiterentwickelt. Das hat auch die Gesetzgeber in Europa auf den Plan gerufen. Das Schweizer Parlament hat im Frühling eine Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) beschlossen und damit die Rahmenbedingungen für das automatisierte Fahren geschaffen.

Der Bundesrat eröffnete im Oktober 2023 die Vernehmlassung zu zwei neuen Verordnungen, mit denen er das automatisierte Fahren regeln will. Insbesondere die Verordnung über das automatisierte Fahren (AFV) soll 2025 die Voraussetzung zur flächendeckenden Einführung des hochautomatisierten Fahrens in der Schweiz ermöglichen. Wie das Astra betont, will man auf diese Weise insbesondere den Verkehrsfluss verbessern, Unfallrisiken reduzieren und die Strassenflächen besser auslasten.

Stand heute, ist automatisiertes Fahren auf Autonomiestufe 3 in der Schweiz zulässig. Demnach dürfen Lenker nach Aktivierung des Automatisierungssystems das Lenkrad loslassen und müssen den Verkehr sowie das Fahrzeug nicht mehr dauernd überwachen. Sie müssen aber bereit bleiben, die Fahraufgabe zu übernehmen, wenn sie das System dazu auffordert oder das System an seine Grenze gelangt.

Das Fahren auf der Autonomiestufe 4, bei der sich das Fahrzeug auf bestimmten Strecken autonom und ohne menschliche Aufsicht bewegen darf, ist dementsprechend heute noch nicht zulässig, ausser in bewilligten Pilotversuchen. Doch die Transportdienstleister sind an einer baldigen Einführung der AFV und der Möglichkeit zu fahrerlosen Lieferdiensten interessiert, wie Planzer-Kommunikationschef Jan Pfenninger bestätigt: «Für die Gütermobilität und die Zustellung von Paketen auf der letzten Meile birgt das enorme Chancen.»

Das Transportunternehmen mit Hauptsitz in Dietikon geht nun in Vorleistung und lanciert gemeinsam mit Partnern wie Loxo, der Stadt Bern und dem zur Amag gehörenden Service-Unternehmen Noviv Mobility einen ersten Versuch zur fahrerlosen Güterverteilung.

Fahrerlos zum Umschlagpunkt für die weitere Verteilung

Ab sofort fährt der autonome Lieferwagen mehrmals täglich vom Planzer-Logistikzentrum im Westen von Bern zu vierzehn verschiedenen Punkten für den Warenumschlag. Die Stützpunkte sind strategisch über das Berner Stadtgebiet verteilt und über ein Streckennetz von 67 Kilometern verbunden. Enthalten sind auch anspruchsvolle Verkehrssituationen mit viel Velo- und Fussgängerverkehr.

An den Umschlagpunkten werden zwei spezielle Wechselboxen, in denen sich Pakete verschiedener Grösse befinden, auf elektrische Kleinfahrzeuge umgeladen und von den Planzer-Fahrern an die Endkunden ausgeliefert. Nach erfolgreichem Abschluss der Pilotphase wollen Planzer und Loxo den regulären Betrieb mit acht Wechselboxen auf weitere Schweizer Städte ausweiten.

Das System ist keine Neuerfindung. Bereits 2021 dachte der Zürcher Mobilitäts-Vordenker Frank M. Rinderknecht über ein vergleichbares Verteilsystem nach, wenngleich noch ohne automatisiertes Fahren. Das Projekt Citysnap sollte Verteilboxen an strategische Orte liefern, wo die Kunden sich ihre Waren abholen würden.

Insbesondere bei Überlegungen zur sogenannten 15-Minuten-Siedlung – wo sich alles, was man braucht, in einer Viertelstunde besorgen lässt – soll die individuelle Mobilität durch smarte lokale Warenverteilung reduziert werden. Systeme wie Citysnap und das von Planzer lancierte Projekt mit hochautomatisierten Lieferwagen könnten diesen Trend weiter unterstützen.

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