Donnerstag, Oktober 10

Die Grasshoppers sind Tabellenletzter und brauchen Verstärkung. Doch für den neuen Sportdirektor Stephan Schwarz lautet die oberste Maxime mehr Stabilität – und nicht grosse Namen.

Herr Schwarz, was war Ihr erster Gedanke, als Sie Ende März von Ihrem Freund Harald Gärtner gefragt wurden, ob Sie neuer Sportdirektor bei GC werden wollen?

Moment. Harald Gärtner und ich sind keine Freunde mit einem privaten Bezug. Wir kennen uns aus der Zeit, als wir Konkurrenten waren: er als Geschäftsführer in Ingolstadt, ich in Augsburg. Wir haben uns gerne ausgetauscht und in all den Jahren immer wieder festgestellt, dass wir eine ähnliche Sicht auf den Fussball teilen. Dazu gehört auch, wie man einen Verein führt und voranbringt.

Und wie bringt man einen Verein wie GC voran?

Die kurze Antwort lautet: Indem wir in allen Bereichen Stabilität in den Klub bringen und ein solides Fundament legen.

Wie langweilig. GC muss mit diesem Team froh sein, Rang 10 erreichen zu können.

Ob langweilig oder nicht: Wir müssen von dem ausgehen, was vorhanden ist. Wir haben die Barrage überstanden und sind dem Abstieg gerade noch von der Schippe gesprungen. Das ist die Ausgangslage. Wir wollen besser sein als in der letzten Saison und die Barrage vermeiden.

Rucksack aus der Bundesliga

Stephan Schwarz, GC-Sportdirektor

Der 53-Jährige ist nach der Übernahme durch den Los Angeles FC seit Ende März Nachfolger von Bernt Haas als Sportdirektor. Der Stuttgarter arbeitete in mehreren Bundesligaklubs als Nachwuchstrainer, Scout, Assistent und in weiteren Aufgabenbereichen. Schwarz war zuletzt bis 2019 Sportdirektor beim 1. FC Augsburg.

Bevor wir das weiter vertiefen – was hat Sie eigentlich bewogen, den Job als Sportdirektor bei GC anzunehmen?

Mir war klar, dass die Grasshoppers mit dem Los Angeles FC wieder seriöse Besitzer haben. In den Gesprächen mit Harald Gärtner und den Verantwortlichen des LAFC gewann ich den Eindruck, dass die Voraussetzungen gegeben sind, um GC auf einen guten Weg zu bringen. Auch kannte ich GC von früher durch meine verschiedenen Tätigkeiten.

Nach dem Ende in Augsburg im April 2019 waren sie mehrere Jahre lang bei keinem Klub mehr angestellt. Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?

Ich musste mich um Privates in meiner Familie kümmern. Dann kam Corona, es lief nicht viel. Danach habe ich mich wieder um Fussball gekümmert, diverse Vereine unterstützt, Mentoring betrieben, mich weitergebildet, meine Kontakte gepflegt. Ich war viel unterwegs, auch in Lateinamerika und den USA.

Waren Sie auch Spielerberater?

Nein. Diese Seite des Geschäftes hat mich nie interessiert. Ich habe immer aus Sicht der Vereine gearbeitet. Ich hatte Glück, dass ich in alle Bereiche in einem Verein hineinwachsen durfte: Nachwuchs, Vertragswesen, Assistenz, Geschäftsführung, Scouting. So habe ich mir beim VfB Stuttgart, bei 1860 München, bei der TSG Hoffenheim und beim FC Augsburg im Laufe der Jahre die Kenntnisse angeeignet, die ein Sportdirektor braucht.

Was ist für Sie die momentan grösste Baustelle bei GC?

Die erste Mannschaft. Sie ist das Wichtigste, wie in jedem Klub. Es gibt liegengebliebene Rechtsfälle, die Zusammenarbeit zwischen Verein und Verband musste wieder aktiviert werden. Es gab und gibt noch einiges mehr. Aber am wichtigsten ist die erste Mannschaft. Wir müssen uns aber auch um den Nachwuchs kümmern.

Das Kader ist ein Flickwerk. Sie müssen verzweifeln, wenn Sie sehen, wie die Mannschaft zusammengestellt worden ist.

Was würde Verzweiflung bringen? Es gibt Verträge. Wir wollen uns daran messen lassen, dass wir nachhaltig ein stabiles Gefüge aufbauen. Es tut mir leid, so ist die Situation. Bei GC wurden in den letzten zwanzig Jahren viele Träume verkauft. Wir verkaufen keine Träume. Wir sind realistisch und gehen konsequent und geduldig einen Schritt nach dem anderen.

Sky Sun, der GC-Präsident unter den chinesischen Besitzern, hatte andere Ideen. Er sagte 2021 in der NZZ, die Grasshoppers sollten nach fünf Jahren Titel gewinnen und nach zehn Jahren zur europäischen Spitze gehören. Sie verkünden das Gegenteil: Demut, Realismus, Bescheidenheit. Passt das zu GC?

Wir wollen Spiele gewinnen, keine Frage. Aber ein Fortkommen benötigt zuerst Stabilität, sonst fällt das Konstrukt rasch wieder in sich zusammen. Was früher war oder gesagt worden ist, können wir nicht mehr beeinflussen. Jeder sieht, dass der Verein in den letzten zehn, fünfzehn Jahren keine gute Entwicklung erlebt hat. Wir können es nun besser machen, auch wenn unsere Aussagen über unsere Ideen und Pläne langweilig klingen mögen.

Wir versuchen es anders: GC braucht Verstärkung in der Offensive. Einverstanden?

Uns ist auch klar, dass wir zu wenig Tore erzielen. Aber eine Torgarantie gibt es nicht, ausser man holt einen Stürmer wie Robert Lewandowski. Auch hier: Wir arbeiten daran, und die neuen Spieler müssen ins Gefüge passen. Wir werden auf jeden Fall noch Transfers tätigen, das Budget ist vorhanden.

Will der LAFC überhaupt investieren und Geld ausgeben? Bis jetzt hat man nicht diesen Eindruck.

Unser Weg besteht nicht darin, mit viel Geld eine Blase zu finanzieren, wie das etwa Hertha Berlin gemacht hat: Das funktioniert nicht. Der LAFC zahlt Schulden und deckt das Defizit von angeblich 14 oder 15 Millionen Franken. Aber er investiert auch in unseren Plan, mit Spielern, die uns weiterbringen, Schritt für Schritt weiterzukommen. Wir benötigen drei bis fünf Transferperioden, also zwei bis drei Jahre, bis wir von höheren Zielen sprechen können. Es geht nicht um Namen, es geht um die Spielidee und darum, dass wir genau evaluieren, was uns noch fehlt, um unsere Vision umzusetzen.

Benötigt GC nicht auch einen Statement-Transfer wie es Renato Steffen als Schlüsselspieler für den FC Lugano war? Beispielsweise einen wie Steven Zuber?

Das ist ein schöner Gedanke. Aber Zuber ist ein Spieler, dem es bei seinem Verein in Griechenland gefällt. Wir gehen unseren eigenen Weg, man kann Philosophien oder Vorgehensweisen nicht von einem Verein auf den anderen übertragen. Wir wollen und müssen in der gegenwärtigen Phase nur auf unsere Mannschaft schauen.

Es gibt auch eine Zusammenarbeit mit dem FC Bayern München. Warum stösst nicht das eine oder andere Bayern-Talent zu GC?

Diese Kooperation betrifft den LAFC und Bayern. Aber natürlich gehört das zum Netzwerk dazu. Wir sind ständig im Austausch. Derzeit benötigen wir vor allem Spieler, die wenig entscheidende Fehler machen und uns Stabilität verleihen. Wie unsere neuen Spieler Benno Schmitz und Saulo Decarli. Es geht um den guten Mix in der Altersstruktur des ganzen Kaders.

Mag sein. Denken Sie an einen Spieler wie Kim Källström? Der Schwede machte 2015 das Team und die Mitspieler sofort besser.

Dieses Beispiel hat aber bestimmt auch die finanzielle Situation verändert. Nochmals: Es geht um eine seriöse Kaderplanung. Wir können nicht einfach viel Geld für einen Spieler ausgeben und denken, dann werde es besser. So funktioniert der Fussball nicht. Wir wollen das Potenzial von Spielern erkennen, sie entwickeln und voranbringen. Es ist ein Puzzle. Bei Augsburg beispielsweise holten wir einige Spieler aus einer unteren Liga. Sie gaben dem Team Stabilität, und wir entwickelten sie weiter. Dieses Vorgehen muss unser Ziel und unser Anspruch sein. Nicht umgekehrt.

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