Samstag, April 19

Peña ist die grösste Schweizer Box-Hoffnung. Der Berner tut alles dafür, seinen Traum vom WM-Kampf zu verwirklichen.

Das America Boxing Gym liegt in Regensdorf, nur wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Hier, im neu eröffneten Boxklub im ersten Stock eines Gewerbegebäudes, lässt Angelo Peña die Fäuste fliegen: Mit schnellen Geraden, Haken und Uppercuts prasseln seine Schläge auf die Pratzen ein, die sein Trainer Horia Trif ihm entgegenstreckt. Mit jeder Kombination feilt der 30-jährige Berner dominikanischer Herkunft an seiner Technik.

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Trif ist ein langjähriger Weggefährte von Peña. Der Rumäne war mehrfacher Schweizer Meister im Boxen und zwei Jahre als Profi in England, bevor er mit zwei Kollegen im Januar das Gym in Regensdorf eröffnete. Beim Verlegen des Bodens und beim Aufstellen des Rings packte auch Peña mit an. «Horia ist ein Freund, wir kennen uns seit Jahren. Er war lange mein Sparringspartner», sagt er über seinen Trainer.

Künftig will der Berner im Regensdorfer Gym die letzten Vorbereitungen vor seinen Kämpfen absolvieren. Seine Zeit im Boxkeller des früheren Profiboxers Alain Chervet in Bern ist vorbei. Der Abschied erfolgte aber im Guten. «Die Zusammenarbeit hat am Ende nicht mehr so funktioniert, wie ich mir das vorstellte», sagt Peña. Das bestätigt auch der Manager Leander Strupler, der ergänzt, sein Schützling habe in der Schweiz nach einer neuen sportlichen Herausforderung gesucht.

In den USA trainiert Peña mit Weltklasseboxern

«Amerika ist mein Weg», sagt Peña überzeugt – und diesem Motto folgend hat er seine Trainingsaufenthalte in den USA deutlich intensiviert. Für die bevorstehende Titelverteidigung am Karfreitag im Berner Stadttheater bereitete er sich sieben Wochen lang in Las Vegas vor – es war bereits sein fünftes und bisher längstes Trainingslager in der Stadt der Kasinos.

In der renommierten Salas Boxing Academy, in der Peña seine sportliche Heimat gefunden hat, trainiert er zusammen mit Weltklasseboxern wie dem zweifachen kubanischen Olympiasieger Robeisy Ramirez und dem dominikanischen Champion Alberto Puello. Betreut wird er hier vom legendären Coach Ismael Salas und von dessen Trainerstab. «In diesem Gym mit den vielen hispanischen Boxern fühle ich mich zu Hause», sagt Peña.

Zwei schweisstreibende Trainings von je drei Stunden standen in Las Vegas täglich auf dem Programm. Das Niveau der Einheiten war sehr hoch; in den sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie seine intensiven Runden im Ring mit Applaus quittiert wurden. «Jedes Sparring ist ein Kampf, es wird nie locker geboxt. Und das ist gut so: Wenn ich gefordert werde, weiss ich, wo ich stehe», sagt Peña. Der Cheftrainer Salas sei äusserst streng und erkenne Fehler, die anderen Trainern ebenso entgingen wie ihm selbst, sagt Peña. «Ich bin noch nicht perfekt und noch nicht dort, wo ich sein müsste», ergänzt der Profiboxer selbstkritisch.

Früher wohnte Peña während der Aufenthalte in den USA jeweils in einer Wohngemeinschaft mit anderen Boxern zusammen. Dieses Mal hatte er allerdings ein eigenes kleines Apartment unweit des Gyms bezogen. Weil er es vorziehe, allein zu sein. Mit der trockenen Hitze der Wüstenstadt komme er gut zurecht. Und als einzige Freizeitbeschäftigung gönne er sich ab und zu den Besuch von Boxkämpfen.

Dieses spartanische Leben mit Abstechern in die Vereinigten Staaten nimmt der Wahlberner gerne in Kauf. Er ist fest davon überzeugt, dass er sein grosses Ziel, einen Kampf um den Weltmeistertitel zu erzwingen, nicht in der Schweiz, sondern einzig in den USA, der Hochburg des Boxsports, erreichen kann. Deshalb schliesst Peña auch nicht aus, eines Tages seinen Lebensmittelpunkt ganz nach Amerika zu verlegen. «Ich werde alles tun, um meinen Traum zu verwirklichen.»

Der jüngste Aufenthalt in Las Vegas kostete laut Strupler zwischen fünf- und sechstausend Franken. Bezahlt werden muss auch der Unterricht im Gym. Gegenwärtig finanzieren Sponsoren, die Familie und Freunde Peñas Leben und Karriere. Die Verlobte Alissha ist berufstätig und betreut ihren Partner in organisatorischer Hinsicht. Die Kampfbörsen, die der Boxer erhält, liegen im vierstelligen Bereich – der grosse Zahltag dürfte erst mit einem grossen Titelkampf kommen.

Nach dem wichtigen Sieg, den er vor dreieinhalb Monaten am Boxing Day im Berner Kursaal errang, dürften Peñas Ambitionen auf einen EM- oder gar WM-Titel durchaus realistisch sein. Sein Kampf im Superfedergewicht gegen den Südkoreaner Gisu Lee war die beste Vorstellung, die ein Boxer mit Schweizer Lizenz seit Jahren in einem heimischen Ring gezeigt hat. Zehn Runden lang bot Peña Boxkunst vom Feinsten – ein ästhetischer Genuss für das Publikum. Seine Fortschritte waren ebenso beeindruckend wie die Konstanz und das variantenreiche Schlagrepertoire. Kurzum: In diesem Duell präsentierte sich Peña in allen Belangen als nahezu perfekt.

Peñas Traum? Ein WM-Kampf im Wankdorfstadion

Nun steht Peña vor einer weiteren wegweisenden Aufgabe: Im Berner Stadttheater trifft er auf den erfahrenen Franzosen Karim Guerfi. «Es ist ein Schlüsselkampf», sagt sein Manager Leander Strupler.

Guerfi, der unlängst den 38. Geburtstag feierte, war vierfacher Europameister und wagt nach einer zweijährigen Pause ein Comeback. Vor fast zwölf Jahren hatte er seinen ersten EM-Titel im Bantamgewicht errungen. Obwohl er den Zenit mittlerweile überschritten hat, sieht Strupler in ihm einen gefährlichen Gegner – zumal Guerfi die Chance wittern dürfte, mit einem Triumph über die grösste Schweizer Box-Hoffnung noch einmal ins Rampenlicht zurückzukehren. Mit vierzig Kämpfen bringt Guerfi deutlich mehr Erfahrung in den Ring als Peña, der bisher elf Profikämpfe absolvierte – und jeden gewann. Allerdings musste der Franzose auch sieben Niederlagen hinnehmen, fünf davon durch Knock-out.

Auf dem Spiel steht der Interkontinental-Titel im Superfedergewicht (bis 59 Kilogramm) der World Boxing Organization (WBO), den Peña zum zweiten Mal verteidigen will. In der WBO-Rangliste wird er zurzeit auf Platz 13 geführt. Ein Sieg am Karfreitag könnte ihn in die Top Ten befördern – und damit in direkte Schlagdistanz zu einem WM-Kampf.

Vor dem ersten Gong werden im Stadttheater mit der schweizerischen und der dominikanischen zwei Nationalhymnen für Peña erklingen. Denn obwohl der Boxer in der Schweiz lebt und trainiert, fühlt er sich stark mit seiner Herkunft verbunden. «Ich bin zu 11 Prozent Dominikaner. Ich denke und träume auf Spanisch», sagte er Ende 2023 in einem Gespräch mit der NZZ. Gleichzeitig betonte er damals, wie viel er der Schweiz verdanke. Seinen grössten Traum möchte er deshalb in seiner Wahlheimat verwirklichen: «Ein Weltmeisterschaftskampf im Wankdorfstadion – das wäre mein Dank an Bern.»

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