Dienstag, Januar 7

In New Orleans ist in der Silvesternacht ein von der Terrormiliz IS inspirierter Täter mit einem Auto in eine Menschenmenge gerast. In Las Vegas ist am Mittwoch ein Cybertruck vor dem Trump-Hotel explodiert. Präsident Joe Biden sprach von einer «abscheulichen Tat».

Die Menschen in New Orleans waren in der Nacht auf Mittwoch in Feierlaune. Und dies nicht nur, um das neue Jahr einzuläuten. Am Abend des 1. Januars sollte in der pulsierenden Stadt am Mississippi auch die Sugar Bowl stattfinden. In dem populären Play-off-Spiel standen sich die Football-Teams zweier Universitäten aus Georgia und Indiana gegenüber. Deshalb befanden sich besonders viele Besucher und Touristen in New Orleans.

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Auch kurz nach drei Uhr morgens tummelten sich auf der Bourbon Street im historischen Stadtzentrum mit ihren Bars und Restaurants deshalb noch viele Leute. Zu diesem Zeitpunkt bog ein weisser Pick-up in die Strasse ein. Eigentlich hatte die Polizei die Zufahrt zur Partymeile mit eigenen Wagen abgeriegelt. Doch wie ein Überwachungsvideo zeigt, umkurvte der Täter diese Hindernisse, indem er direkt auf das belebte Trottoir fuhr. In der Folge tötete der Lenker mindestens 14 Personen und verletzte 35 weitere. Zwei Häuserblöcke weiter rammte er einen in der Strasse stehenden Krankenwagen. Danach lieferte er sich eine Schiesserei mit der Polizei. Er verletzte dabei zwei Ordnungshüter, bevor er selbst erschossen wurde.

Vermutlich ein Einzeltäter

Ein Augenzeuge beschrieb die Szenerie in der Bourbon Street gegenüber dem Fernsehsender CNN als «realen Horrorfilm». Die aus Alabama angereiste Kimberly Stricklin erschütterten vor allem die Schreie der Opfer: «Mir gehen die Schreie dieses Mädchens nicht aus dem Kopf», sagte sie der «New York Times». Zu den Opfern gehören eine alleinerziehende Mutter eines 4-jährigen Sohnes, ein zweifacher Familienvater oder auch die 18-jährige Nikyra Dedeaux. Ihr Freund Zion Parsons musste mit ansehen, wie sie vom Auto erfasst und rund zehn Meter weggeschleudert wurde. Parsons verglich den von Toten und Verletzten übersäten Tatort mit einem Schlachtfeld.

Die Ermittler stuften die Gewalttat als Terroranschlag ein. Bei dem Lenker des weissen Ford F-150 Lightning handelt es sich um Shamsud-Din Bahar Jabbar. Der 42-Jährige wurde in Texas geboren, wuchs angeblich in einer christlichen Familie auf, konvertierte aber vor vielen Jahren zum Islam und radikalisierte sich in der jüngeren Vergangenheit. An der Anhängerkupplung des Pick-ups montierte Jabbar eine Fahne der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Polizei fand in dem Wagen weitere Waffen und offenbar einen selbstgebauten Sprengsatz. Ähnliche Bomben wurden demgemäss auch an anderen Orten in der historischen Innenstadt – dem French Quarter – entdeckt. Dabei soll es sich teilweise um Rohrbomben handeln, die in Kühlboxen versteckt waren.

Die Sprengsätze liessen vermuten, dass es sich nicht um die Tat einer Einzelperson handelte. «Wir glauben nicht, dass Jabbar allein verantwortlich war», sagte Alethea Duncan, die zuständige FBI-Agentin in New Orleans, am Mittwoch. Am Donnerstag jedoch erklärte Christopher Raia, ein leitender Mitarbeiter der Abteilung für Terrorabwehr: «Wir gehen momentan nicht mehr davon aus, dass noch jemand anders involviert war.» Auf Überwachungsvideos soll zu sehen sein, wie Jabbar die Bomben vor der Amokfahrt selbst platzierte. In seinem Auto führte er offenbar eine Fernbedienung mit, um sie zu zünden.

Präsident Joe Biden sprach am Mittwoch von einer «abscheulichen Tat». Aufgrund von Videos, die Jabbar kurz vor seiner Todesfahrt im Internet postete, gehe das FBI davon aus, dass dieser vom IS «inspiriert» worden sei. Wie CNN aus Ermittlungskreisen erfuhr, soll Jabbar auf dem Weg nach New Orleans mehrere Videos aufgenommen haben. Darin sprach er angeblich über eine Planänderung. Er habe zunächst seine Familie zu einer Neujahrsfeier einladen wollen, um sie dann zu töten. Mehrere Träume sollen ihn aber davon überzeugt haben, sich dem IS anzuschliessen. Gemäss Raia wollte Jabbar sicherstellen, dass die medialen Schlagzeilen nach seiner Tat auf «den Krieg zwischen den Gläubigen und Ungläubigen» fokussierten.

Jabbar kämpfte offenkundig mit privaten Problemen. Der Veteran hatte bis 2015 über zehn Jahre lang in der Armee als IT- und HR-Spezialist gedient. Dabei leistete er auch einen Einsatz in Afghanistan. Unter anderem arbeitete er zuletzt für die Beratungsfirma Deloitte und bezog dabei ein Einkommen von rund 120 000 Dollar. Gleichzeitig war er jedoch zweimal geschieden, sein Immobiliengeschäft schrieb Verluste, und in einer E-Mail klagte er 2022 über hohe Schulden. Gemäss dem neuen Ehemann seiner Ex-Frau soll sich Jabbar in den vergangenen Monaten erratisch und «verrückt» verhalten haben.

Keine «eindeutige Verbindung» zu Las Vegas

Noch bevor diese Details über den Täter bekannt waren, wollte Donald Trump in dem Ereignis derweil eine Bestätigung für seine strikte Haltung in der Migrationspolitik sehen. «Wenn ich sagte, dass die Kriminellen, die ins Land kommen, viel schlimmer seien als die einheimischen Kriminellen, haben die Demokraten und die Fake-News-Medien dem stets widersprochen», schrieb der angehende Präsident am Mittwoch auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social. «Aber wie es sich herausstellte, ist es wahr.»

Derweil untersuchte das FBI auch, ob es zwischen dem Terroranschlag in New Orleans und einem weiteren Ereignis in Las Vegas einen Zusammenhang geben könnte. Am Mittwochmorgen fuhr der Armeeangehörige Matthew Livelsberger dort in einem Cybertruck des Elektroautoherstellers Tesla vor das Trump-Hotel. Kurz danach explodierte der mit Feuerwerk und Brennstoffbehältern gefüllte Wagen. Livelsberger kam dabei ums Leben, sieben weitere Personen wurden leicht verletzt.

Was der 37-jährige Elitesoldat genau vorhatte, bleibt indes unklar. Der Tesla-Gründer Elon Musk ist ein grosser Geldgeber und enger Berater des künftigen Präsidenten. Ein Anschlag in einem Cybertruck auf ein Trump-Hotel wäre durchaus symbolträchtig. Doch Livelsberger war angeblich ein Trump-Anhänger, wie der Fernsehsender ABC berichtete. Der lokale Sheriff Kevin McMahill sprach am Donnerstag von einem Selbstmord. Gemäss den Ermittlern schoss sich Livelsberger in den Kopf, bevor das Auto explodierte.

Bis anhin scheint es nur wenige Gemeinsamkeiten zwischen Jabbar und Livelsberger zu geben. Beide dienten in Afghanistan, und beide mieteten ihre Trucks für den Neujahrstag über die Online-Plattform Turo. Über diese können Privatpersonen ihre Autos zur Vermietung anbieten. Am Donnerstag erklärte das FBI, dass es momentan keine «eindeutige Verbindung» zwischen den beiden Fällen gebe.

Hier bekommen Sie Hilfe:

Wenn Sie selbst Suizid-Gedanken haben oder jemanden kennen, der Unterstützung benötigt, gibt es verschiedene Hilfsangebote:
In der Schweiz können Sie die Berater der Dargebotenen Hand rund um die Uhr vertraulich unter der Nummer 143 erreichen.
In Deutschland finden Sie entsprechende Hilfe bei den Beratern der Telefonseelsorge, online oder telefonisch unter der Nummer 0800 / 1110111.

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