Samstag, Januar 11

Neue Digitalisierungsplattform, Luftraumüberwachung, Kriegslogistik, Drohnen: Wichtige Projekte werden teurer und kommen zu spät. Die Finanzdelegation des Parlaments ist alarmiert und schreibt Verteidigungsministerin Viola Amherd.

Die Schweiz hat eine Armee ohne krisensichere Kriegslogistik. Ende Oktober machte SRF bekannt, dass ein millionenteures IT-Nachfolgeprojekt nicht funktioniert. Weil die Software nicht unabhängig von einer internationalen Cloud-Lösung ist, hat die Armee das neue Informatikprojekt abgebrochen. Es wird bis mindestens 2027 dauern, bis in der Schweiz ein neues, zuverlässiges militärisches Logistiksystem zur Verfügung steht. Damit stellt sich die Frage, wie die Armee unter solchen Umständen sicherstellen will, dass sie ihre Soldaten im Krisenfall rechtzeitig mobilisieren und genügend Nahrung und Munition im richtigen Moment an den richtigen Ort bringen kann.

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Alte IT-Spezialisten für ein altes System

Immerhin hat die Schweiz noch eine Luftraumüberwachung. Allerdings eine uralte. Das 20-jährige System mit dem eingängigen Namen Florako sollte ab 2024 ausser Dienst sein. Es ist so aus der Zeit gefallen, dass es laut einem Armeebericht «nur noch von hochgradigen Spezialisten in sehr alter Technologie gewartet werden kann». Doch Florako muss seinen Dienst weiter versehen. Das 150 Millionen Franken teure Führungssystem «Sky View» ist trotz Zusatzkredit von 155 Millionen Franken erst ab 2029 einsatzbereit.

Laufen sollte das neue System zur Überwachung des Luftraums auf einer neuen Digitalisierungsplattform (NDP). Doch auch die funktioniert noch nicht. Dabei hatte sich Armeechef Thomas Süssli, ein ausgebildeter Wirtschaftsinformatiker, laut der «NZZ am Sonntag» persönlich für die NDP eingesetzt. Nun hat sich gezeigt, «dass der Betrieb der NDP wesentlich mehr Ressourcen erfordern wird, als ursprünglich angenommen».

Dies schreibt die Finanzdelegation der Bundesversammlung (FinDel) in einem besorgten Brief an Verteidigungsministerin Viola Amherd. Im Brief, der der NZZ vorliegt, heisst es, die Mitglieder der Kommission hätten mit grosser Sorge erkennen müssen, dass sich die Aussichten für verschiedene Top- und Schlüsselprojekte im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) verschlechtert hätten. Angesichts eines Gesamtvolumens von 19 Milliarden Franken seien die zunehmenden Verzögerungen, die steigenden Risiken und die unzureichenden Ressourcen beunruhigend.

Im Schreiben an die VBS-Vorsteherin listet die FinDel noch weitere problematische Projekte auf:

  • Der Stand des Programms «Sicheres Datenverbundsnetz plus» hat sich kontinuierlich verschlechtert.
  • Beim Projekt Telekommunikation der Armee, das 1,9 Milliarden Franken kostet, kann der Zeitplan wegen Lieferschwierigkeiten und Qualitätsproblemen nicht eingehalten werden. Das habe, schreibt die Kommission, «den Risikowert markant auf sehr hoch ansteigen lassen».
  • Die Beschaffung der neuen Aufklärungsdrohnen verzögert sich. Bis heute sind erst vier von sechs bestellten Drohnen in der Schweiz angekommen, und sie werden frühestens ab 2029 die beim israelischen Hersteller deponierten Anforderungen erfüllen können. Unter anderem forderten die Schweizer, dass die Drohnen auch ohne GPS autonom landen können.

Die technischen Probleme der 2015 vom Parlament bewilligten Drohnen sind offensichtlich so gravierend, dass sie, um Kollisionen zu vermeiden, von einem Helikopter oder einem anderen Flugzeug begleitet werden müssen. Schuld daran ist ein System namens Detect and Avoid, das laut FinDel «erhebliche Risiken betreffend technischer Machbarkeit, Zulassung und Kosten birgt».

Weshalb keine Standard-SAP-Lösung wie andere Armeen auch?

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Finanzdelegation von National- und Ständerat mit Projekten der Armee beschäftigt. Bereits in ihrem Jahresbericht von 2023 äusserte sie sich kritisch zu verschiedenen Schlüsselprojekten.

Die Kommission will ihre Aufsicht über das VBS deshalb verstärken. Gleichzeitig fordert sie, dass auch Amherds Departement seine Aufgabe wahrnimmt. Es müsse, schreibt die FinDel, die Aufsicht und die Steuerung der Projekte verbessern sowie «die Entwicklung der Controlling-Instrumente und des Projektportfoliomanagements mit Nachdruck vorantreiben und Massnahmen zur Bewältigung der Abhängigkeiten zwischen Projekten ergreifen». Man wolle die Probleme bei der nächsten Aussprache mit Viola Amherd im Februar thematisieren.

Für Viola Amherd und ihren Armeechef, Thomas Süssli, kommt der Brief der Politiker nicht unerwartet. Auch die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats hat sich im Dezember schon besorgt gemeldet. Sie will vom Bundesrat wissen, ob die verzögerte Einführung einer robusten Kriegslogistik ein Sicherheitsrisiko für die Schweiz bedeutet. Gleichzeitig fragt sie sich, weshalb die Armee unter Süssli partout eine eigene IT-Plattform aufbauen will. Schliesslich begnügten sich 22 Armeen von 29 Nato-Staaten mit bewährten SAP-Standardlösungen, schreibt die Kommission in einem Postulat. Ziel müsse es sein, «die Standard-Software auch im Defence-Bereich einzusetzen, statt ein mit grossen zeitlichen und finanziellen Risiken behaftetes, überhöhtes Ambitionsniveau und kostspielige Helvetisierungen anzustreben». Bis im Juni muss der Bundesrat einen Bericht vorlegen, in dem er die Fragen beantwortet.

Die wiederholte Kritik der politischen Finanzkontrolleure und der Sicherheitspolitiker dringt in einem für Süssli und Amherd ungünstigen Moment an die Öffentlichkeit: Das Parlament hat der Armee im Dezember für nächstes Jahr zusätzliche 530 Millionen für Rüstung bewilligt. Bald wird es über eine grundsätzliche Erhöhung der Armeefinanzierung entscheiden. Doch ausgerechnet unter der Führung eines digital versierten Armeechefs reiht sich nun eine kostspielige IT-Panne an die nächste.

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