Mittwoch, Februar 26

Das Baseball-Team aus New York pflegte lange ein striktes Regelwerk, was Bärte und Frisuren anbelangt. Dass dieses nun fällt, hat auch einen sportlichen Hintergrund.

Eishockeyspieler lassen sich einen Play-off-Bart wachsen; der Hochspringer Gianmarco Tamberi rasiert sich an den EM in Rom den halben Vollbart ab und gewinnt den Titel; Mark Spitz schwimmt mit Schnauz 1972 in München zu sieben olympischen Goldmedaillen. Spitz sagte, sein Markenzeichen leite das Wasser ideal um seinen Mund herum, mache ihn schneller. Und selbst Lionel Messi hat irgendwann keine Lust mehr, wie ein Schulbub auszusehen – also lässt er die Barthaare spriessen.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

«Wer rasiert, verliert», lautet ein geflügeltes Wort, besonders im amerikanischen Sport. Athleten ritualisieren Bärte und Schnäuze, pflegen sie als Alleinstellungsmerkmal oder Talisman. Nur die Baseball-Spieler der New York Yankees hatten in den vergangenen 49 Jahren immer glattrasiert zu den Partien und Trainings zu erscheinen; einzig ein sorgsam getrimmter Schnauz war erlaubt.

Die Regel hat der 2010 verstorbene Teambesitzer George Steinbrenner in den 1970er Jahren ersonnen. Er glaubte, die sogenannte «New York Yankees appearance policy» würde Disziplin und Professionalität seiner Equipe steigern. Kürzlich hob Steinbrenners Sohn Hal, der gegenwärtige Besitzer, das Bartverbot aber auf. «Nach sorgfältiger Abwägung ist ein gepflegter Bart erlaubt», wird Hal Steinbrenner in einer Mitteilung zitiert.

Die Simpsons parodieren die Yankee-Regel

Zuvor dürften sich die Yankees auf dem Klubgelände im New Yorker Stadtteil Bronx während fast fünf Jahrzehnten zuweilen wie in der Rekrutenschule gefühlt haben: Bärte waren verboten, und wessen Haar den Kragen berührte, der wurde zum Coiffeur geschickt. George Steinbrenner führte im Klub ein strenges Regime, sein Wort war Gesetz.

Wegen seines autoritären Führungsstils wurde der alte Patron von Spielern und Angestellten nur «The Boss» genannt. Selbst das Votum eines Spielers in den 1980er Jahren, wonach Jesus langes Haar und einen Bart getragen habe, daran also nichts falsch sein könne, änderte nichts am Verbot. Steinbrenner entgegnete: «Lauf über das Wasser, und du darfst langes Haar und Bart tragen.»

Steinbrenners striktes Regelwerk passte gut zum Baseball, dieser uramerikanischen Sportart, die vor allem eines ist: konservativ. Die Major League Baseball (MLB) wurde 1876 gegründet. Noch heute sind 70 Prozent des Publikums Männer, 55 Prozent sind über 55 Jahre alt. Es gibt eine Vielzahl von Traditionen und ungeschriebener Gesetze, etwa, dass überschwängliche Emotionen verpönt sind. Die Spielkleidung wirkt aus der Zeit gefallen. Ein Bartverbot zu Disziplinzwecken passt gut in diesen Kosmos.

Doch nicht immer hielten sich die Yankees-Spieler an die Regel. In diesen Fällen scheute sich Steinbrenner senior nicht, drastische Massnahmen zu ergreifen: 1991 weigerte sich Don Mattingly, damals der Captain und bester Spieler des Teams, sich die Haare zu schneiden. Der Klubbesitzer war zornig auf den fehlbaren Profi, strich ihn aus der Aufstellung und verdonnerte ihn zu einer Busse. Er werde so lange gesperrt, bis er den Besuch beim Coiffeur nachgeholt habe, beschied ihn Steinbrenner. Mattingly entgegnete, er sei «überwältigt von so viel Kleinkariertheit», gab aber nach. Die Episode wurde so berühmt, dass die Cartoon-Serie «The Simpsons» sie 1992 parodierte.

Andere Profis waren folgsamer als Mattingly, etwa Oscar Gamble, der 1979 nach New York gewechselt war. Gamble trug damals eine stolze Afro-Frisur, sah aus wie Jimi Hendrix. Doch nach dem Transfer zu den Yankees trennte er sich von seiner Haarpracht. Gamble liess sich jedoch zusichern, dass er auf seiner Baseball-Karte, in den USA ein beliebtes Sammlerobjekt, mit wucherndem Haar abgelichtet werden darf. Andere hingegen nahmen es mit Humor, wie Alex Rodriguez, von 2004 bis 2016 der Superstar im Yankee-Team. Der mittlerweile 50-Jährige sagte amerikanischen Medien vor kurzem: «Ich hatte kein Problem damit, ich versuche mir seit dreissig Jahren erfolglos einen Bart wachsen zu lassen.»

The Simpsons - Don Mattingly Sideburns

Die Yankees sind im US-Baseball nicht mehr die erste Adresse

Der heutige Teambesitzer Hal Steinbrenner sagte, er habe die Regel nach vielen Gesprächen mit ehemaligen Spielern und Funktionären abgeschafft. Dass in der Bronx plötzlich die Bärte spriessen dürfen, goutieren manche Fans allerdings gar nicht. Denn innerhalb der konservativen MLB gelten die Yankees als besonders traditionalistisch. Der Klub belegt in der vom Wirtschaftsmagazin «Forbes» erstellten Liste der wertvollsten Sportmarken mit 7,6 Milliarden Dollar den vierten Rang.

So skurril es klingen mag, aber die Abschaffung des Bartverbots dürfte durchaus sportliche Gründe haben. Der Klub war um die Jahrtausendwende das Mass der Dinge, zahlte die höchsten Gehälter und hatte somit die besten Spieler. Zwischen 1996 und 2009 gewannen die Yankees fünf Mal die World Series. Doch mittlerweile wartet New York seit 16 Jahren auf diesen Titel. Im Salär-Ranking der Major League Baseball haben die Los Angeles Dodgers, die New York Mets sowie die Philadelphia Phillies die Yankees überholt.

Hal Steinbrenner scheint eingesehen zu haben, dass das anachronistische Regelwerk seines Vaters manch einen Spitzenspieler vom Wechsel zu den Yankees abhalten könnte. Dass sein Vater mit der Aufhebung des Verbotes ein Problem gehabt hätte, glaubt Steinbrenner junior hingegen nicht: «Gewinnen stand für ihn über allem», sagte Hal Steinbrenner. Und sowieso: Lange Haare seien weiterhin verboten.

Exit mobile version