Sonntag, September 29

Unwetter haben in diesem Sommer grosse Schäden in der Schweiz verursacht. Wie die Versicherung von Gebäuden hierzulande funktioniert.

In der Schweiz gelten Überflutungen als grösste Naturgefahr. Die Bilder der Schäden nach Unwettern in diesem Sommer sprechen dabei eine eindrückliche Sprache. Sowohl im Berner Oberland im August als auch im Tessin, in Graubünden und im Wallis im Juni und Juli hatte Starkregen grosse Zerstörungen angerichtet.

Immobilien sind hierzulande im Allgemeinen gut gegen solche Schäden versichert. Die Schweiz gehöre weltweit zu den Ländern mit den kleinsten Versicherungslücken, sagt Balz Grollimund, Chef des Bereichs Katastrophengefahren beim Rückversicherer Swiss Re. Grundsätzlich sei das Land sehr gut auf Naturkatastrophen vorbereitet. Doch bei Erdbeben gibt es nach wie vor einen blinden Fleck.

Besondere Regelungen in «Gustavo-Kantonen»

In der Schweiz sind die meisten Gebäudeversicherungen staatlich organisiert – ausser in den sogenannten «Gustavo-Kantonen», also Genf, Uri, Schwyz, Tessin, Appenzell Innerrhoden, Valais (Wallis) sowie Obwalden. Wie Michael Stahel, Partner bei der Investmentgesellschaft LGT Capital Partners, ausführt, dürfen Versicherer in den Kantonen mit staatlicher Lösung somit nur Zusatzversicherungen beispielsweise für Hausrat oder Gebäude-Wasser verkaufen.

In den Gustavo-Kantonen decken die Privatversicherer hingegen auch Gebäude. Laut Eduard Held, Experte für Naturgefahren beim Schweizerischen Versicherungsverband (SVV), sind auch in diesen Kantonen die Gebäude gut gegen Schäden von Naturkatastrophen versichert. «Grundsätzlich ist der Insurance Gap bei Gebäuden in der Schweiz sehr klein, denn auch in den wenigen Kantonen, in denen die Gebäudeversicherung nicht obligatorisch ist, ist sie weit verbreitet.»

Die Elementarschadenversicherung ist im Grunde genommen ein Solidaritätswerk zugunsten der Bevölkerung, die von Naturkatastrophen besonders bedroht ist, beispielsweise in Bergkantonen. Laut SVV bezahlen alle Versicherten für die private Elementarschadenversicherung denselben Prämiensatz, der von der Finanzmarktaufsicht (Finma) vorgeschrieben ist. Weisen zwei Häuser also denselben Wert auf, zahlen die Eigentümer unabhängig vom Standort des Gebäudes dieselbe Prämie. Ohne diese Regelung könnten sich Versicherte in stark gefährdeten Gebieten die Absicherung gegen Elementarschäden kaum leisten.

Zudem gibt es in der Schweiz den Elementarschadenpool. Dabei handelt es sich um einen freiwilligen Zusammenschluss von 12 privaten Versicherern, die zusammen rund 90 Prozent des Marktes abdecken. Er sorgt für einen finanziellen Ausgleich unter den Versicherern und verhindert, dass ein Versicherer durch einen lokalen Schaden in eine finanzielle Schieflage geraten könnte.

Hohe Schäden in dichtbesiedelten Gebieten

Bei den Überflutungen im Tessin, in Graubünden und im Wallis im Juni und Juli sind die Schäden indessen zwar hoch, aber laut Held überschaubar geblieben. Der SVV hat diese auf insgesamt 160 bis 200 Millionen Franken geschätzt. Viel teurer kommen Naturkatastrophen zu stehen, wenn sie sich in einem dichter besiedelten Gebiet in der Schweiz ereignen. Als Beispiel dient der Hagel im Gebiet von Locarno am 25. August 2023, der laut Held einen versicherten Schaden von rund 300 Millionen Franken angerichtet hat.

Auch in der Schweiz nehmen versicherte Schäden aus Naturgefahren zu. Laut Held ist der Haupttreiber dahinter die Zunahme der versicherten Werte. Der Grund dafür sei, dass der Immobilienbestand in der Schweiz weiter zunehme, zudem seien Bauten und Technologien heutzutage auch empfindlicher. Als Beispiel lassen sich Solarpanels auf Hausdächern nennen.

Versicherungslücke bei Erdbeben

Zudem gibt es im Bereich Erdbeben auch in der Schweiz eine Versicherungslücke. Erdbeben könnten, wenn auch sehr selten, sehr grosse Schäden verursachen, sagt Grollimund. Im Raum Basel sowie im Wallis sei beispielsweise die Gefahr von Erdbeben erhöht. «Ein Erdbeben wie in Basel im Jahr 1356 würde heute volkswirtschaftliche Schäden im Volumen von 80 bis 100 Milliarden Franken verursachen», sagt Held. Davon wäre nur ein kleiner Teil versichert, der Grossteil davon bliebe am Staat hängen. Der SVV schätzt, dass nur rund 15 Prozent des Erdbebenrisikos versichert sind.

Über die Jahre hinweg hat es immer wieder Bestrebungen gegeben, das Thema anzugehen. Erst im Dezember vergangenen Jahres hat der Bundesrat einen Vorschlag zu einer Änderung der Bundesverfassung in die Vernehmlassung geschickt, bei dem es um die Finanzierung von Gebäudeschäden bei Erdbeben geht. Damit erfüllt er eine Motion des Parlaments, laut der Gebäudeeigentümer vom Bund verpflichtet werden können, Schäden an Gebäuden bei Erdbeben solidarisch zu finanzieren. Der Bund könnte folglich bis zu 0,7 Prozent der Gebäudeversicherungssumme erheben.

Der SVV lehnt den Vorschlag indessen ab. Dieser habe den Charakter einer Zusatzsteuer. Zudem liessen sich Erdbebengefahren privat versichern.

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