Freitag, Dezember 27

Die Stadtzürcher Stimmbevölkerung stimmt am 3. März über die Abfindungen für politische Amtsträger ab. Die Vorlage im Überblick.

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Stadt Zürich soll neu geregelt werden, welche gewählten Behördenmitglieder Abgangsentschädigungen erhalten sollen und wie hoch diese ausfallen.
  • Die Volksinitiative der SVP fordert, dass einzig Stadträtinnen und Stadträte Anspruch auf Entschädigungen haben, und zwar nur im Fall einer Abwahl. Der Maximalbetrag soll ein Jahresgehalt nicht überschreiten. 
  • Der Gegenvorschlag von Stadt- und Gemeinderat zielt in eine ähnliche Richtung, unterscheidet sich aber in Bezug auf die maximale Höhe der Abgangsleistungen und die Umstände, unter denen scheidende Stadträte bezugsberechtigt sein sollen.

Was ist der Hintergrund der Initiative?

Abfindungen für Politikerinnen und Politiker, die ihr Amt niederlegten, sorgten in den letzten Jahren in der Stadt Zürich immer wieder für Schlagzeilen. Besonders hohe Wellen schlug die Abgangsentschädigung der SP-Stadträtin Claudia Nielsen. Nach ihrem freiwilligen Rücktritt erhielt die damals 56-Jährige noch dreieinhalb Jahreslöhne (856 657 Franken) ausbezahlt.

Drei Jahre später erntete Nielsens Parteigenosse Roberto Rodriguez viel Kritik, als der bisherige Präsident der Kreisschulpflege Uto sich in seinem Schulkreis zum Schulleiter wählen liess und 651 000 Franken Abfindung für seinen Abgang als Präsident kassierte. Der Skandal war so gross, dass Rodriguez das Schulleiteramt schliesslich nicht antrat.

Seit 2006 haben 24 Behördenmitglieder, unter ihnen 8 Stadträte, insgesamt rund 7,8 Millionen Franken an Abfindungsgeldern erhalten, weil sie abgewählt wurden oder zurücktraten.

2022 wurde die Verordnung revidiert und die Höhe der möglichen Abfindungen auf maximal 1,8 Jahressaläre beschränkt. Der Kreis der Bezugsberechtigten geht aber nach wie vor über den Stadtrat hinaus und umfasst auch das Stadtammann- und das Friedensrichteramt sowie die Präsidien von Kreisschulbehörden.

Was fordern die Initianten?

Für die SVP war der Fall Rodriguez der Tropfen, der das Fass endgültig zum Überlaufen brachte. Bereits 2018 hatte die Partei in einer Motion gefordert, die Abgangsentschädigungen für gewählte Behördenmitglieder zusammenzustreichen. Nach Rodriguez lancierte sie dann die Volksinitiative.

Diese fordert, dass nur noch abgewählte Stadträtinnen und Stadträte eine Abfindung erhalten. Diese soll maximal ein Jahresgehalt betragen. Treten die Exekutivmitglieder freiwillig zurück oder nicht mehr zur Wiederwahl an, sollen sie keine Entschädigung mehr bekommen.

Für alle anderen gewählten Mitglieder von Behörden sollen die Abgangsentschädigungen gestrichen werden, so die Initianten. Es handle sich um hochqualifizierte Personen, denen man zumuten könne, die Verantwortung für eine berufliche Neuorientierung selbst zu tragen.

Was umfasst der Gegenvorschlag?

Wie die Initiative zielt auch der Gegenvorschlag darauf ab, dass nur noch Stadtratsmitglieder Anspruch auf eine Abgangsentschädigung haben sollen.

Der Gegenvorschlag weicht aber in zwei Punkten von der Initiative ab:

Erstens sollen nicht nur abgewählte, sondern auch freiwillig aus dem Gremium ausscheidende Mitglieder Anspruch auf eine Abfindung haben. Damit soll verhindert werden, dass Stadträte sich während ihrer Amtszeit im Arbeitsmarkt aktiv neu orientieren.

Zweitens sieht der Gegenvorschlag von Gemeinde- und Stadtrat vor, dass die Höhe der Abgangsentschädigung so bleibt, wie sie ist. Das heisst, bei einem freiwilligen Rücktritt soll sie maximal 1,5, bei einer Abwahl höchstens 1,8 Jahresgehälter umfassen.

Die Befürworter des Gegenvorschlags sind der Meinung, dass die Forderungen der SVP in weiten Teilen schon erfüllt seien, da die maximale Höhe der Abfindungen bereits reduziert worden sei. Abgeltungszahlungen à la Nielsen oder Rodriguez sind seither nicht mehr möglich.

Eine Reduktion der Anspruchsberechtigten von zurzeit 38 Personen auf die 9 Stadtratsmitglieder halten Parlament und Stadtrat aber für vertretbar.

Wird der Gegenvorschlag angenommen, dürften die nicht mehr anspruchsberechtigten Amtsträger allerdings nicht leer ausgehen.

Denn sowohl der Stadtrat als auch die zuständige Kommission des Stadtparlaments möchten nämlich, dass die Abfindungen für gewählte Behördenmitglieder im Personalreglement geregelt werden. Das heisst, sie würden städtischen Mitarbeitenden in vergleichbaren Positionen gleichgestellt. Diese bekommen Abgangsentschädigungen, wenn sie trotz guter Arbeit die Kündigung erhalten.

Für die gewählten Amtsträger würde das bedeuten, dass sie im Falle einer Abwahl oder Nichtnomination eine Abfindung von maximal rund 1,2 Jahresgehältern erhalten würden.

Die Ausgangslage des Gegenvorschlags ist deshalb so kompliziert, weil der Stadtrat zum Zeitpunkt, als die SVP ihre Volksinitiative einreichte, bereits einen Vorschlag für die Abfindungen von gewählten Behördenmitgliedern ausgearbeitet hatte. Dieser wurde vom Parlament noch weiter verschärft. Das Resultat war die oben genannte Revision der Verordnung für Abgangsentschädigungen von 2022.

Das Parlament wollte den Kreis der Anspruchsberechtigten in einem weiteren Schritt verkleinern. Da die SVP dennoch an ihrer Initiative festhielt, ist der Gegenvorschlag dazu nun eigentlich der Vollzug der ohnehin vom Parlament angestrebten nächsten Revisionsetappe.

Die Parolen der Parteien

Während die AL zur Initiative Stimmfreigabe beschlossen hat, lehnt die Mehrheit der Parteien die Initiative ab.

Volksinitiative «Keine goldenen Fallschirme für abtretende Behördenmitglieder»

Stand 8. Februar 2024

Gegenvorschlag von Stadt- und Gemeinderat

Stand 8. Februar 2024

GLP und SVP stimmen beiden Vorlagen zu, wobei sie bei der Stichfrage die Volksinitiative dem Gegenvorschlag vorziehen.

Position der NZZ

Die NZZ empfiehlt sowohl die Initiative als auch den Gegenvorschlag zur Annahme. Es ist wichtig, dass die Stadt bei der Abgangsentschädigung für gewählte Behördenmitglieder über die Bücher geht. Der Status quo mit 38 anspruchsberechtigten Personen ist nicht haltbar.

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