Nicht mehr Steuergeld, sondern weniger Bauvorschriften – und weniger linker Aktivismus –, das würde helfen, den Druck zu lindern.

Der Kanton Zürich wächst ungebremst. In den letzten zehn Jahren hat die Bevölkerung um 13 Prozent zugelegt, rund 180 000 Personen sind dazugekommen. Das ist so, wie wenn irgendwo ein zweites Winterthur gebaut worden wäre. Und gleich daneben noch ein halbes.

Während der Arbeitsmarkt den Zufluss absorbieren kann, es herrscht nach wie vor Fachkräftemangel, macht sich die erhöhte Nachfrage im Wohnungsmarkt deutlich bemerkbar. Der Wohnungsbau hält mit dem Wachstum nicht Schritt, es wird weniger gebaut als noch vor zehn Jahren.

Die Baubewilligungen für neue Wohnungen gehen drastisch zurück

Baugesuche und Baubewilligungen für neue Wohnungen 2002 bis 2023

Eigentlich sollten die Verwaltung und die Politik alles daransetzen, dass private Anbieter mehr Wohnraum schaffen können. Institutionelle Investoren wie Pensionskassen hätten das Interesse, die Mittel und die Fähigkeiten dafür. Doch stattdessen greift die Zürcher Linke, und nicht nur sie, nach dem immergleichen ausgeleierten Rezept: Der Staat soll es richten.

Ein Reihenhaus für zwei Millionen Franken

Wohnen, das ist unbestritten, ist im Kanton Zürich teuer. Wer hier ein Einfamilienhaus erwerben will, muss gemäss der Zürcher Kantonalbank ohne weiteres mit einem Preis von 2 Millionen Franken rechnen. Interessenten sollten die Erwartungen aber nicht zu hoch schrauben. Für dieses Geld gibt es je nach Gemeinde bloss schlecht isolierte 1970er-Jahre-Bauten oder Reiheneinfamilienhäuser.

Die Bank, welche für so eine Liegenschaft die Hypothek vergibt, macht folgende Rechnung: Eigenkapital von 20 Prozent, das sind 400 000 Franken. Minimales Einkommen für den Restbetrag, der über einen Kredit finanziert wird: 320 000 Franken im Jahr. Das erreichen auch Doppelverdiener mit zwei 100-Prozent-Pensen nicht einfach so.

Die Eigenheimpreise im Kanton Zürich sind auch 2023 kräftig gestiegen

Zürcher Wohneigentumsindex, 2006 = 100

Auf dem Mietmarkt sieht es nicht besser aus. Wer vor Jahren eine Wohnung ergattern konnte, ist dank einem strengen Mietrecht vor grossen Preissprüngen geschützt, sitzt aber in einem goldenen Käfig – ein Wechsel würde deutlich teurer werden. Also harren viele, die gerne an einen anderen Ort oder in eine kleinere Wohnung ziehen würden, notgedrungen aus. So verkrustet der Markt.

500 Millionen? Das reicht nicht weit

Die Antwort der Zürcher Parteien und Verbände auf diese Herausforderungen fällt ernüchternd aus. Allein auf Kantonsebene sind fünf Wohn-Initiativen hängig, weitere gibt es in der Stadt Zürich. Doch brauchbar sind die Vorschläge mehrheitlich nicht.

Drei der kantonalen Vorlagen stammen von linken Parteien oder dem Mieterverband. Sie sind auf den ersten Blick kaum auseinanderzuhalten, weil sie alle dem Titel nach in die gleiche Richtung zielen: Die erste fordert «mehr bezahlbare Wohnungen», die zweite «mehr günstige und gemeinnützige Wohnungen», und die dritte will «bezahlbare Wohnungen schützen».

Die Wohn-Initiative, das ist die mit den «mehr bezahlbaren Wohnungen», will den Wohnungsmarkt schleichend verstaatlichen. Wenn sich zwei Private über den Verkauf einer grösseren Liegenschaft oder eines Grundstücks einig sind, kann eine Gemeinde dazwischengehen und das Objekt anstelle des Käufers zum gleichen Preis übernehmen. Mit diesem Vorkaufsrecht, das auch von Teilen der GLP unterstützt wird, sollen nach und nach mehr günstige staatliche Wohnungen entstehen.

Die Nachteile dieser Idee sind offensichtlich. Damit ein Vorkaufsrecht wahrgenommen werden kann, muss zuerst ein abschlussreifes Geschäft vorliegen, doch viele Käufer dürften Gemeinden meiden, welche die Last-Minute-Übernahme eingeführt haben.

Selbst wenn die Gemeinde ein Vorkaufsrecht ausüben kann, stellt sich die Frage, wie günstig die Wohnungen am Ende sein werden. Denn die Gemeinde muss die Liegenschaft zum – möglicherweise recht hohen – Marktpreis übernehmen, was sich auch in der Höhe der Mieten niederschlagen könnte. Und natürlich kann ein Geschäft die finanziellen Möglichkeiten einer Gemeinde schlicht übersteigen.

Die Wohnungsinitiative, das ist die mit den «mehr günstigen und gemeinnützigen Wohnungen», fordert ein viel stärkeres Engagement des Kantons. Er soll eine kantonale Wohnbaugesellschaft schaffen und mit mindestens 500 Millionen Franken kapitalisieren. Zudem sollen alle Wohnungen im Kantonsbesitz in die Anstalt übertragen werden.

Abgesehen von den sehr grossen Zweifeln, ob der Bau von bezahlbaren Wohnungen eine kantonale Aufgabe sein soll, sowie der angespannten Finanzlage des Kantons ist das Hauptproblem dieser Vorlage, dass damit bestenfalls ein paar hundert Wohnungen erstellt werden könnten.

Eine halbe Milliarde Franken ist auch für einen grossen Kanton viel Geld. Doch im Immobilienmarkt ist das eine kleine Summe, sie reicht für eine einzige grössere Überbauung. 1,6 Millionen Zürcher müssten somit ein Projekt mitfinanzieren, von dem vielleicht 1000 Einwohner profitieren könnten. Das ist weder besonders solidarisch, noch wird damit das Wohnproblem auch nur ansatzweise gelöst.

Die dritte linke Vorlage ist die Wohnschutz-Initiative. Das ist die, welche «mehr bezahlbare Wohnungen schützen» will. Gemeinden sollen Regeln einführen können, um Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen zu verhindern. Ausserdem sollen sie Baubewilligungen mit einer temporären Beschränkung der Mietzinsen verknüpfen können. Ersatzneubauten sollen nicht einfach so erstellt werden, und der Mieterverband soll umfassende Rekursrechte erhalten.

Diese Vorlage würde keine Probleme lösen, sondern den Mangel verstärken. Wenn der Platz knapp ist, und das ist er in der Schweiz, ist es raumplanerisch und ökologisch sinnvoll, alte Bauten abzureissen und neue, dichter bebaute und höhere Siedlungen zu erstellen. Doch genau das will die Wohnschutz-Initiative mit übertriebenen Auflagen verhindern. In der Folge halten sich Investoren zurück. In Genf und Basel, wo ähnliche Einschränkungen schon gelten, sind die negativen Auswirkungen unübersehbar.

Vollkasko vom Vater Staat

Die zwei anderen kantonalen Initiativen stammen vom alles andere als linken Hauseigentümerverband (HEV). Trotzdem ruft auch der HEV nach mehr Staat. Seine erste Initiative verlangt, dass die öffentliche Hand nicht mehr nur günstige Miet-, sondern auch günstige Eigentumswohnungen erstelle.

Die zweite HEV-Initiative will, dass der Kanton Zürich bei Erstkäufern 15 Prozent des Eigenkapitals über eine Bürgschaft absichere, die Hauskäufer müssten also nicht mehr 20 Prozent Eigenkapital mitbringen, sondern nur noch 5 Prozent.

Diese beiden Initiativen würden staatliche Hilfen auch auf hohe und sehr hohe Einkommensklassen ausdehnen – jene, die sich Wohneigentum grundsätzlich leisten können. Das kann nicht das Ziel einer massvollen Wohnbau- und Sozialpolitik sein. Ausserdem stellt sich die Frage, was bei einem breiten Einbruch der Immobilienpreise geschehen würde. Auf den Kanton könnten sehr hohe Forderungen zukommen.

So unterschiedlich die Urheber dieser fünf Initiativen sind, so gemeinsam ist ihnen, dass sie ein Abbild der heutigen Vollkaskomentalität sind. Genau wie in vielen anderen Lebensbereichen, vom Mindestlohn über Hygieneprodukte bis zu den Krankenkassenprämien, soll der Staat auch beim Wohnen verbilligen, verbürgen, verteilen, vorschreiben und verordnen.

Bürokratie und linker Aktivismus

In einem Punkt haben die Initianten recht: Der Staat muss sich stärker einsetzen. Aber anders, als sie meinen, nicht mit noch mehr Geld, sondern mit mehr Vernunft – und für weniger Bürokratie.

Gerade in der Stadt Zürich ist das dringend notwendig. Ein Unternehmer, der in Zürich tätig ist, hat in der NZZ am Sonntag davon berichtet, dass ein Baugesuch für ein etwas komplexeres Projekt nicht mehr wie früher aus zehn A-4-Seiten bestehe, sondern aus fünf Bundesordnern. Diese seien abzuliefern in mehrfacher Ausführung bei verschiedenen Amtsstellen. Bis zu zwölf Ämter seien involviert. Mehrwert für die Bauherrschaft: null. Mehraufwand: enorm.

Dazu kommt der linke Aktivismus. Selbst vernünftige Grossprojekte werden aus Prinzip bekämpft, weil sie, wie damals beim Neugasse-Areal, Maximalforderungen nicht erfüllen. Wegen übertriebener Lärmvorschriften sind in der Stadt ausserdem rund 3000 neue Wohnungen blockiert.

Die Schweiz muss die Zuwanderung angehen

Es ist dieses harte Umfeld, das Investoren neben den steigenden Kosten die Lust nehmen kann, in Zürich zu bauen.

Immerhin bei den Lärmvorschriften scheint sich in Bundesbern nun langsam etwas zu bewegen, und auch bei einem anderen zentralen Thema, der Aufstockung von Liegenschaften, kommt dank der FDP und ihren bürgerlichen Partnern sowohl in Zürich wie in Bern Druck auf. Das ist ein Lichtblick.

Doch der Druck im Wohnbau ist nicht nur ein Problem des Outputs, sondern auch des Inputs: Die Schweiz muss die Zuwanderung angehen, und dies betrifft auch den Sog in Städte wie Zürich. Dabei sind die inneren Blockaden gross. Linke und Grüne, die bei jedem Autobahnprojekt posaunen, «wer Strassen sät, wird Verkehr ernten», wollen die gleiche Logik bei staatlich verbilligten Wohnungen nicht erkennen. Dabei liegt die Analogie auf der Hand.

Gefragt sind aber auch die Direktbetroffenen, die Mieter und künftigen Eigentümer. Sie sollten ihre Ansprüche an sich und vor allem an den Staat herunterschrauben. Nicht alle können ins Zürcher Stadtzentrum ziehen und dabei auf eine subventionierte Wohnung mit Seeblick hoffen.

Wohnraum in Zürich ist ein Privileg, kein Grundrecht – und günstigere Lagen sind – noch – nicht mehr als eine kurze Zugfahrt aufs Land oder in einen Nachbarkanton entfernt.

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