Freitag, Januar 17

Viele Kantone wollen verhindern, dass Asylsuchende Geld in ihre Heimat senden können. Das soll mit Bezahlkarten erreicht werden. Doch das System hat Tücken.

Verschiedene Kantonsparlamente wollen, dass Asylsuchenden Unterstützungsbeiträge im Rahmen der Sozialhilfe zu einem Teil via Bezahlkarte ausbezahlt werden. Auch die National- und Ständeräte haben einer solchen Forderung bereits zugestimmt. Die Staatspolitische Kommission hat sich letzte Woche erneut damit befasst. Dennoch ist die Bezahlkarte in der Schweiz noch nirgendwo eingeführt. Oder kurz: Bezahlkarte für Asylsuchende – das klingt knackig. Doch in der Realität ist die Sache deutlich komplizierter.

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Mithilfe von Bezahlkarten soll in erster Linie verhindert werden, dass Asylsuchende Geld in ihre Heimatländer schicken. Solange dies möglich sei, bestehe ein Anreiz für zusätzliche Migration nach Europa, so die Überlegung. Dies, weil viele Familien in den Herkunftsländern von Geldern aus dem Westen profitierten können. Und andererseits, weil auf diesem Weg Unrechtsregime unterstützt werden könnten. So zeigen Recherchen der NZZ, dass sich Eritreas Langzeitherrscher Afewerki über Gelder aus dem Ausland finanziert.

In Deutschland bald Realität

Vorbild im Bereich der Bezahlkarten ist Deutschland, wo das Instrument im Mai 2024 eingeführt worden ist. In verschiedenen Bundesländern und Städten laufen derzeit Pilotprojekte, darunter in Bayern, in Magdeburg oder in Hamburg. Demnächst wird das System in verschiedenen Bundesländern flächendeckend ausgerollt.

Bis es in der Schweiz so weit ist, dürfte allerdings noch mindestens ein Jahr vergehen. Der Kanton Schwyz, wo das Parlament der Einführung einer Bezahlkarte im September zugestimmt hatte, erklärt, der Regierungsrat habe zwei Jahre Zeit, um eine Rechtsgrundlage auszuarbeiten und dem Kantonsrat vorzulegen.

Geprüft werden müssten in erster Linie technische und praktische Fragen. So müssten Asylsuchende bis anhin am Schalter erscheinen, um das Geld abzuholen. Damit sei das Vieraugenprinzip gewährleistet gewesen – also die Garantie, dass das Geld auch wirklich an die richtige Person ausbezahlt werde. Bei Bezahlkarten ist dies komplizierter. Erforderlich sind zum Beispiel Massnahmen, damit Geld nur auf Karten von Personen überwiesen wird, die tatsächlich noch im Kanton sind.

Tricks mit Tauschbörsen

Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass keine Überweisungen ins Ausland möglich sind – auch über Umwege nicht. Denn nichts wäre verheerender, als wenn die Bezahlkarten das Missbrauchspotenzial verlagerten, statt es zu reduzieren. So hatten deutsche Medien berichtet, Asylsuchende kauften mit den Bezahlkarten Gutscheine bei Drogerien oder Supermärkten, um sie auf Tauschbörsen gegen Bargeld umzutauschen. Auch Aktivisten der linken Szene mischten dabei mit.

Die Einschränkungen gehen deshalb in Deutschland teilweise recht weit: So sind vereinzelt sogar Online-Einkäufe verunmöglicht. Die Karte wird zudem für Glücksspiele, Anbieter von Bargeldtransfers oder Börsenprodukte gesperrt. Im Prinzip handelt es sich bei der Bezahlkarte aber um gewöhnliche Prepaid-Debitkarten der grossen Anbieter wie beispielsweise Visa. Ein Konto braucht es dafür nicht.

Doch obwohl die Bezahlkarten in vielen Kantonen von einer Mehrheit in den Parlamenten befürwortet wird, ist noch immer unklar, wie viel sie wirklich bringen. Bis jetzt deutet einiges darauf hin, dass sich die Effekte auf das Missbrauchspotenzial in Grenzen halten. In den Bundesasylzentren wird Unterstützung ohnehin vor allem in Form von Sachleistungen ausbezahlt. Und danach gelten für Asylsuchende reduzierte Sozialhilfe-Ansätze, so dass finanziell wenig Spielraum bleibt.

Nur wenige Asylsuchende überweisen Geld

Laut einer Studie der Universität Zürich von 2023 tätigten rund 21 Prozent der Migranten aus Europa regelmässig Zahlungen an ihre Familien. Doch die Studie betrifft die Arbeitsmigration – im Asylbereich dürfte der Anteil tiefer liegen. Das jedenfalls legt eine aktuelle Untersuchung des deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung nahe: Nur gerade 7 Prozent der Personen aus dem Asylbereich überweisen danach Geld in die Heimat. Bei Migranten ist der Anteil deutlich höher. Wissenschaftliche Hinweise, dass Bezahlkarten im Asylbereich das Missbrauchspotenzial wirklich senken, existieren trotz Pilotversuchen auch in Deutschland nicht.

Dass der Effekt voraussichtlich kleiner ausfallen wird, als es das politische Interesse am Thema nahelegt, ist jedoch nicht der einzige Grund, weshalb es den Kantonen mit der Einführung nicht sonderlich zu eilen scheint. Noch immer ist offen, wer für die Umsetzung zuständig sein soll. Die Sozialhilfe liegt eigentlich in der Kompetenz der Kantone. Doch diese ahnen, dass das Vorhaben rasch zum Rohrkrepierer werden könnte, wenn alle ihre eigene Lösung realisieren.

Die Kantone müssten eng zusammenarbeiten und Bezahlkarten koordiniert einführen, schreibt deshalb der Regierungsrat des Kantons Zug. Ganz ähnlich klingt es im Kanton Schwyz. Es sei sinnvoll, die Projekte über die Kantonsgrenzen hinaus abzustimmen. Der Kanton St. Gallen geht sogar noch einen Schritt weiter und verlangt in Bern per kantonale Initiative eine Bundeslösung. So beginnt das typisch eidgenössische Zuständigkeitsgerangel, das schon manches Projekt langsam sterben liess.

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