Viele Gäste schätzen nach wie vor die Wahlmöglichkeit im Restaurant. Doch zahlreiche Betriebe haben ihre Angebote in den letzten Jahren reduziert, bieten nur noch jeweils wenige Vor- und Hauptspeisen an.

Natürlich existieren sie noch, die Restaurants mit vielen Angeboten und umfangreichen Karten. Zehn und mehr Vorspeisen, reichlich Hauptgerichte und eine ganze Phalanx an Desserts . . . Ein solches Beispiel habe ich vor einigen Tagen besuchen können. Das «Restaurant Eckel» in Wien verfügt nicht nur über eine Klassikerkarte, sondern auch über eine ganze Seite mit moderneren Speisen. Nicht weniger als 26 Hauptgerichte zählte ich, von Kalbsgulasch mit Nockerln über steirische Gebirgsgarnelen bis zum Hummer Thermidor.

So etwas ist nur dort möglich, wo viele Kunden gleichzeitig speisen können, wo zudem Personalprobleme in der Küche zu vernachlässigen sind. Und wo alle Lust haben auf die nicht ganz einfache Logistik. Auch wenn sich Zutaten wiederholen, sind doch bei grossem Angebot à la carte diverse Saucen und Gemüse vorrätig zu halten. Und wer weiss schon vor dem Service, ob zwei oder sieben Portionen Goldbrasse und Lammkarree verkauft werden? Entstehende Vorratskosten werden natürlich auf die Preise umgelegt.

Kleine Karten erleichtern Planung und Auswahl

Dann vielleicht doch lieber nur ein Fisch- und ein Fleischgang, sagen sich manche radikal gesinnte Wirte, addieren noch zwei, drei Vorspeisen und je ein vegetarisches oder veganes Gericht und vertrauen darauf, dass die Gäste den eingeschlagenen Weg mitgehen. Lediglich ein festes, mehrgängiges Menu anzubieten, wäre nochmals ein anderer Pfad – den man allerdings auch kritisch sehen kann, weil der Kunde so auf eine besonders strenge Weise in die Pflicht genommen wird.

Wer es richtig macht, kann auf diese Weise nicht nur Einkauf und Planung erleichtern, sondern auch Food-Waste vermeiden. Im besten Falle sinken die Kosten für den Wirt – und nachfolgend vielleicht auch für die Gäste. Was allerdings nicht bedeutet, dass alle Anbieter umfangreicher Karten zwingend deutlich teurer kalkulieren müssten und viel wegschmissen. Wer ein ganzes Lamm einkauft, kann, ganz im Gegenteil, ein einziges Tier zu zahlreichen unterschiedlichen Speisen verarbeiten: Vielfalt auf die clevere Weise.

Wenig Auswahl, aber dafür mit Pfiff

Beispiele für kleine Karten, die dennoch Auswahl auf hohem Niveau erlauben, gibt es reichlich. Das «Capet», gerade für die NZZ getestet, beschränkt sich pro Gang auf wenige Alternativen, die in überschaubaren Portionsgrössen, aber auch zu sympathischen Preisen angeboten werden. Sein Schwesterrestaurant «Silex» ist auch eher auf der überschaubaren Seite, hat aber immerhin fünf Gänge verfügbar, die man als Hauptgerichte einstufen kann.

Das relativ neue «Casanoa» in Solothurn begnügt sich mit je drei Vorspeisen, Zwischengerichten und Hauptgängen (sowie ein paar kalten Kleinigkeiten zum Knabbern namens «Qualcosa da stuzzicare»), und in der «Casa Caminada» in Fürstenau listet die Küche gerade neben vier offiziellen Hauptgängen noch ein paar Klassiker, die wahlweise als Vorspeise oder Hauptgang bestellbar sind. Noch restriktiver ist das «Rosa Pulver» in Winterthur: drei Hauptgänge, vier Vorspeisen. Ende der Diskussion.

Der Verzicht auf klassische Hauptgerichte hat auch Nachteile

Wie man eine kleine Auswahl attraktiv gestalten und gleichzeitig die althergebrachten Grenzen zwischen Vor-, Zwischen- und Hauptgerichten aufheben kann, zeigt der «Rote Bären» in Basel: Alle Teller der winzigen Karte kosten 33 Franken – vom Kaisergranat mit Melone bis zu Rücken und Bries vom Kalb mit Bohnen und schwarzem Knoblauch. Auch im «Olo» in Winterthur wird nicht sofort klar, was als Hauptgang, was als Vorspeise gelten soll: Es gibt ein paar kalte und drei warme Angebote – fertig.

In der «Neuen Taverne», einem von Zürichs modernen Klassikern, sind abends immerhin zehn Angebote (plus Käse und Nachtisch) verfügbar: Auch hier gilt, dass alles in kleineren Portionen angeboten wird und die traditionelle Reihenfolge aufgehoben wurde. Viele Gäste haben sich an solche Konzepte gewöhnt, während anderen die Orientierung fehlt – und die Klarheit darüber, wie viele Teller denn nun nötig sind, um satt zu werden. (Tipp: Mit dreien werde ich oft glücklich.) Noch ein Problem: Je kleiner das Angebot, desto schwieriger wird es schon beim zweiten Besuch, sich nicht zu wiederholen . . .

Ganz kleine Karten am Mittag oder am Nachmittag

Am Abend mehr Auswahl zu bieten und am Mittag weniger, ist ein Konzept, das sehr oft funktioniert, etwa im «Lindenhofkeller». Vier Vorspeisen und vier Hauptgänge gibt es hier zum Lunch, aber weil alles so delikat klingt, würde wahrscheinlich selbst die Hälfte noch genügen. Nachmittagskarten sind ebenfalls eine echte Herausforderung – aber für den Gast umso lohnender. Das «Restaurant Viadukt» in Zürich serviert zwischen 14 Uhr 30 und 18 Uhr beziehungsweise am späten Abend ein zurechtgestutztes Angebot, das aber von Bärlauchbratwurst bis Spaghettini immer noch etwas für die meisten Ansprüche enthält.

Im Wiener «Restaurant Eckel» hat mich die grosse Auswahl übrigens fast überfordert. Ich blickte nach links zu den saisonalen Kreationen, nach rechts zu den Klassikern, fand alles delikat und verzweifelte fast, fragte auch mehrmals ratsuchend nach. Doch der Aufwand an Beratung ist hier einkalkuliert, und weil es hier noch so vieles gibt, was ich nicht probieren konnte, ist mein nächster Besuch bereits eingeplant.

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