Donnerstag, Januar 30

In Dübendorf wachsen die Bauten gen Himmel, gekocht und gegessen wird aber immer am Boden. Zum Beispiel im «Bistro Hanoi» mit seiner inspirierenden Entstehungsgeschichte und ausgezeichneter Pho.

Dübendorf ist nicht leicht zu fassen. In Zürich wird es gerne als Wurmfortsatz der Grossstadt belächelt, als «Agglo», was schwer nach «aggro» klingt. Doch hüben wie drüben weiss man auch: «Dübi» boomt. Die Einwohnerzahl von gut 32 000 ist um gut einen Drittel höher als noch zur Jahrtausendwende, Tausende sind schon aus Zürich hergezogen. Ein Innovationspark auf dem alten Flugplatz soll dereinst einen weiteren Schub bringen, es wird dicht und hoch gebaut wie kaum woanders im Kanton. Zum Beweis kratzen seit einem Jahr die Three Point Towers, die drei höchsten Wohntürme der Schweiz, auf über hundert Metern am Himmel.

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Mitten im Vorstadt-Babylon aber werden berührende Geschichten von Kleinunternehmen geschrieben, wie sie im Getöse des grossen Nachbarn Zürich oft untergehen. Auf eine solche stossen wir wenige Gehminuten vom Bahnhof und nahe dem «My Senses», einer der besten Cocktailbars der Region: In einer unwirtlichen Gewerbepassage, die wir ohne Tippgeber nie betreten hätten, hat ein Wirtepaar mitten in den Corona-Turbulenzen das «Bistro Hanoi» eröffnet.

Christoph Weber, ein ETH-Maschineningenieur aus dem Emmental , stand kurz vor dem Pensionsalter, seine vietnamesische Frau Huyen Le ist eine passionierte Köchin. Gemeinsam machten sie im Sommer 2021 in ihrem vierten Ehejahr den Traum vom eigenen Restaurant wahr. Sie kocht, er serviert, so gut er kann, und das Lokal ist bunt und liebevoll gestaltet, mit Bildern aus der Heimat der Chefin und Lebensweisheiten in vietnamesischer Schrift. Eine davon lautet, sinngemäss in unseren Kulturkreis übersetzt: «Wie man in den Wald hineinruft, so tönt es heraus.»

Huyen Le wurde 1970 rund 170 Kilometer vor Hanoi geboren, im nordvietnamesischen Thanh Hoa. Dessen umkämpfte Hauptbrücke, fünf Kilometer von Huyens Geburtshaus entfernt, stürzte 1972 im amerikanischen Bombenhagel ein, die Kindheit war geprägt von Krieg und Hunger. Mit 17 Jahren wanderte sie aus, über Russland und Peking landete sie schliesslich in der Schweiz (und am Herd eines vietnamesischen Lokals in Zürich).

Im Jahrzehnt ihrer Geburt hatte hierzulande der Boom der asiatischen Küchen begonnen – mit Chinarestaurants von Südchinesen, die am Ende des Vietnamkriegs aus Vietnam geflohen waren. Heute sind andere fernöstliche Traditionen beliebter, und die vietnamesische gewinnt mit ihren besonders bekömmlichen Gerichten eine wachsende Fangemeinde, zu der ich mich zähle. In Zürich gehört das «Co Chin Chin» mit seinen tollen Kombinationen zu den Trendsettern, und seit Jahren liebe ich die Pho des «Saigon», diesen Soul Food schlechthin, gerade im Winter.

Vietnamesische Brühen von sehr guter Qualität gibt’s nun auch in Dübendorf, und so heisst es auf der «Bistro Hanoi»-Website: «Gerne verwöhnen wir Sie mit unseren sechs selbstgemachten Suppen» (es gibt sie auch zum Mitnehmen). Verführerisch aromatisch schmeckt Mi Vit (Fr. 23.50), eine Hühnerbrühe mit gebratener Ente und Eiernudeln, kräftig und ausbalanciert die klassische Pho Bo (Fr. 23.50) mit Rind, die zulasten der Reisnudeln noch etwas mehr Brühe vertrüge. Das Hausrezept der Rindsbouillon, auf der sie basiert, bleibt natürlich geheim.

Mindestens acht Stunden lang köchelt sie, so viel ist klar, Gewürze von Sternanis bis Zimt kommen hinein, und mit Berufskolleginnen in der ganzen Welt tauscht sich die Chefin über die Zubereitung aus. Ihre Küche lebt auch vom Einsatz frischer Kräuter. Köstlich sind ihre knusprigen Rollen Nem Ran Hanoi (Fr. 4.50), tadellos auch die gebratenen Gyoza mit Schwein (Fr. 20.— / 16 Stück). Und ist in «Dübi» alles rübis und stübis weggeputzt, wird natürlich mit Ca Phe Sua (Fr. 8.50) nachgespült, dieser vietnamesische Kaffee-Zubereitungssart mit gezuckerter Kondensmilch auf dem Glasboden.

Wäre ich so vermessen, eine Empfehlung anzubringen, schlüge ich vor, die über vierzig Gerichte umfassende Karte zu reduzieren und sich auf einige Hausspezialitäten zu konzentrieren. Allerdings ist sowieso kaum je das ganze Angebot abrufbar (was für viel Handarbeit spricht): «Bitte nachfragen, ob erhältlich», steht über manch aufwendiger Speise mit dem Hinweis, es brauche je nach Andrang bis zu einer Stunde Zeit.

Bei Grossandrang — es soll viele Stammgäste geben — kommt die Chefin in der kleinen offenen Küche gehörig ins Rotieren. Aber sie hat nebst der Schürze auch die Hosen an: Lässt der Gatte als Gastgeber beispielsweise Neuankömmlinge warten, schimpft sie gut hörbar mit ihm. Auch das gehört zum liebenswürdig-familiären Charme dieses Lokals.

Bistro Hanoi
Wallisellenstrasse 23, 8600 Dübendorf
Sonntag und Montag geschlossen
Telefon 079 861 95 48

Für diese Kolumne wird unangemeldet und anonym getestet und am Ende die Rechnung stets beglichen. Der Fokus liegt auf Lokalen in Zürich und der Region, mit gelegentlichen Abstechern in andere Landesteile.

Die Sammlung aller NZZ-Restaurantkritiken der letzten fünf Jahre finden Sie hier.

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