BP wollte der ideale «grüne» Ölkonzern sein. Das ist missraten – jetzt droht die Übernahme. Die fehlgeschlagene Klimastrategie hat den Konzern angreifbar gemacht.

Die Muschel frisst die Sonne. Was in der Natur nie passieren könnte, ist in der Geschäftswelt möglich geworden: Dem Erdölriesen Shell wird das Interesse nachgesagt, den Rivalen BP zu kaufen. Aus dem Zusammenschluss der beiden britischen Konzerne würde einer der weltgrössten Erdölförderer entstehen, der ein Gegengewicht zu amerikanischen Giganten wie ExxonMobil und Chevron bilden würde.

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Eine Fusion der beiden britischen Unternehmen wird seit Jahrzehnten immer wieder ins Spiel gebracht – aber diesmal stimmen die Vorzeichen. BP hat sich in den vergangenen Monaten selbst zum potenziellen Übernahmekandidaten gemacht. Der Aktienkurs hinkt im Branchenvergleich stark hinterher und hat innerhalb eines Jahres rund 30 Prozent verloren. Das Unternehmen ist an der Börse noch umgerechnet 62 Milliarden Franken wert. Shell bringt es auf rund 160 Milliarden Franken.

Die Börse bestraft die grüne Strategie

Der Abwärtstrend von BP hat mit der Sonne zu tun. Shell ist seinem Logo, der Muschel, seit über einem Jahrhundert treu. Es geht bis auf das Jahr 1901 zurück. Dagegen ist BPs Sonne jung – erschaffen wurde sie erst im Jahr 2000. Da entschied der Konzern unter dem damaligen Chef John Browne, mehr zu sein als «British Petroleum». Aus BP sollte «Beyond Petroleum» werden. Aber das hat nicht funktioniert.

Für die Sonne wurde damals das alte Logo, der Schild, auf den Müll geworfen. BP wollte sich ein umweltfreundlicheres Image geben. Doch der neue Auftritt war voreilig, erst viel später folgte eine passende Strategie: Der CEO Bernard Looney setzte ab dem Jahr 2020 nicht nur Emissionsziele, sondern investierte auch in Solar- und Windprojekte, Ladestationen und Wasserstoff. Parallel wollte er die Förderung von Erdöl und Erdgas reduzieren und BP zu einem Musterbeispiel für einen Kurswechsel im Kampf gegen den Klimawandel machen.

Doch beim Ertrag konnten die klimafreundlichen Bereiche nie mit dem traditionellen Geschäft mithalten. Aktionäre investieren in Ölkonzerne wegen hoher Gewinne, Dividenden und Aktienrückkäufe, welche den Kurs treiben. Weil der Gegenwind von Investoren immer stärker wurde, schraubte BP seine Ambitionen in den vergangenen zwei Jahren langsam zurück – ähnlich wie auch Shell, wobei der Konkurrent seine grünen Ziele nie so hochgesteckt hatte.

Looneys Nachfolger Murray Auchincloss riss Ende Februar das Steuer demonstrativ herum. Jetzt soll wieder mehr Geld für Öl und Gas statt für erneuerbare Energien ausgegeben werden. Doch noch sind die Anleger nicht überzeugt. Der aktivistische Hedge-Funds Elliott aus den USA hat einen 5-Prozent-Anteil an BP aufgebaut und fordert weitere Einschnitte. Amerikanische Konkurrenten wie ExxonMobil, die immer auf das gewinnbringende Öl- und Gasgeschäft fokussiert blieben, stehen an der Börse gut da.

Womöglich wird BP noch billiger

Mit BPs Marktkapitalisierung schwand der Preis, der für eine Übernahme des Konzerns zu bezahlen wäre. Shell prüft jetzt eine Offerte, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg am Wochenende berichtete. Entschieden ist noch nichts – und möglicherweise will sich der Riese lieber darauf konzentrieren, seine Aktionäre durch Aktienrückkäufe und Ausschüttungen zufriedenzustellen, statt sich auf eine langwierige Megafusion einzulassen. Die Integration von BP würde viel kosten, das lohnt sich nur bei hohen Einsparungen.

Shell wolle abwarten, ob die BP-Aktien noch billiger würden, berichtete Bloomberg. Das ist gut möglich: Der Wert eines Ölkonzerns hängt stark vom Ölpreis ab, und der fällt. Ein Fass der Referenzsorte Brent kostet 62 Dollar, so wenig wie zuletzt Anfang 2021. Die Gründe sind eine niedrige Nachfrage und ein hohes Angebot. Die Aussichten für die Weltkonjunktur haben sich eingetrübt, seit US-Präsident Donald Trump mit hohen Zöllen und Zolldrohungen um sich wirft.

Gleichzeitig wächst das Ölangebot, weil das Förderkartell Opec und verbündete Länder ihre Produktion unerwartet stark ausgeweitet haben. Erst am Wochenende hat die Opec das Tempo nochmals forciert. Besonders die Ölgrossmacht Saudiarabien scheint darauf zu spekulieren, in einem Preiskampf Marktanteile zu gewinnen. Das Königreich kann einen niedrigen Preis aufgrund seiner immensen Finanzreserven gut verkraften.

Für westliche Ölförderer ist der niedrige Preis garstig – aber Shell hat im Vergleich gute Karten. Der Konzern steche heraus, weil er seit 2023 durch Effizienzprogramme die Kosten stark gesenkt habe, kommentiert der Broker Bernstein. Shell habe die solideste Bilanz in der Branche. Die Bank of America lobt, kein anderer grosser westlicher Förderer könne so gut mit einem niedrigen Ölpreis umgehen.

Sollte BP zum Übernahmeziel werden, dürfte es der Regierung in London wohl am liebsten sein, wenn mit Shell ein anderes britisches Unternehmen zum Zuge käme. Mit grossen Öl- und Gasvorkommen in den USA, im Golf von Mexiko, in Brasilien und im Nahen Osten ist BP zwar auch für ausländische Produzenten interessant. Doch in Zeiten transatlantischer Spannungen und einer bedrohten Energiesicherheit in Europa erscheint eine «heimische» Lösung verlockend.

Ein europäischer Riese im Erdgasmarkt

Das Ergebnis wäre ein Energieriese, der 5 Millionen Fass Erdöläquivalente pro Tag produzieren und laut UBS fast einen Viertel des globalen Marktes für verflüssigtes Erdgas (LNG) kontrollieren würde. Traditionell kamen in der Branche solche grossen Übernahmen oft auf den Tisch, wenn ein anhaltend tiefer Ölpreis wahrscheinlich war. Aus Mangel an Möglichkeiten für organisches Wachstum setzen Firmen dann auf Zukäufe.

So geschah es Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre, als unter anderem der amerikanische Branchenführer ExxonMobil entstand. Der Nachfahre der Standard Oil Company von John D. Rockefeller hat kein besonderes Logo. Das soll den konservativen Markenkern ausstrahlen.

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