Dienstag, März 4

Der Schweizer Film versucht einen fiktionalen Dokumentarismus. Das kann nicht funktionieren. Die Dialoge sind forciert, die Patienten geschminkt, nicht krank.

Nachdem man über eine halbe Stunde der Pflegefachkraft Floria in der Nachtschicht durch die Chirurgie eines Schweizer Krankenhauses gefolgt ist, sie dabei beobachtet hat, wie sie Medizin verabreicht, Patientenbetten ins OP rollt und sich Sorgen und Beschwerden anhört, kann man sich die Frage stellen, warum man das eigentlich tut. Das hängt nicht nur mit der angestrengt klimpernden Stimmungsmusik und den stereotyp gezeichneten Patientenfiguren zusammen, sondern auch mit der Tatsache, dass man in Petra Volpes «Heldin» lange Zeit einem fiktionalen Dokumentarismus beiwohnt. Was soll das sein?

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Es ist der Versuch, mit Schauspielern, einer naturalistischen Darstellung und geschriebenen Szenen tatsächlich existierende Situationen im Krankenhaus nachzustellen. Es erklärt sich eigentlich von selbst, warum das nie ganz überzeugen kann: Die zahlreichen Handgriffe wirken nicht ganz richtig, die Patienten sind geschminkt, nicht krank, die Dialoge dramaturgisch forciert, und man bekommt das Gefühl, dass im Drehbuch sämtliche Fragen, die an die Pflegesituation gestellt werden können, vorkommen müssen.

Singen kann die Heldin auch

So wird die wacker gegen diese Hürden anspielende Leonie Benesch mit Personalmangel, unfreundlichen Privatpatienten, Zeitdruck, Schuldgefühlen, drängenden Angehörigen, bürokratischen Sperenzchen, schulterzuckenden Ärzten, ihren Gefühlen zu den kranken Menschen und mit ihrem eigenen Privatleben konfrontiert. Erst als sie plötzlich über das Menschenmögliche hinauszuwachsen scheint und einer verwirrten Patientin ein Lied vorsingt, damit diese sich beruhigt, steigt der Film aus seinem naturalistischen Begehren aus und erhöht Floria zur titelgebenden (Super-)Heldin.

Diese Frau übersteigt die Erwartungen, die wir an eine Arbeiterin in diesen Bedingungen haben können. Als Heldin macht sie jedoch einen schwerwiegenden Fehler, als sie ein falsches Schmerzmittel verabreicht. So fallen ein menschlicher Fehler und ein unmenschliches Arbeitspensum zusammen.

Der Film macht nicht ganz klar, ob er einfach nur diese Frau bewundern oder ihre Überforderung thematisieren will. Beides widerspricht sich nicht unbedingt, aber eine Heldin ist vielleicht gar nicht, was nötig wäre, sondern ein anderer politischer Umgang mit dieser Situation. Man fragt sich, ob Volpe hier ein humanistisches Märchen erzählt oder die Offenlegung eines mehr als brüchigen Systems zur Debatte stellt.

Wie in der Covid-Pandemie

Letztlich triumphiert Florias Menschlichkeit über das am Abgrund torkelnde Gesundheitssystem, das ihr alles abverlangt. Und das ist ein Problem. Man muss ein bisschen an die Covid-Pandemie denken, als Menschen auf Balkonen standen, um den Systemerhaltern zu applaudieren. Diese Assoziation drängt sich auch aufgrund des Pathos auf, das der Film in seinen Schlussbildern wählt.

Volpe entscheidet sich für den einfachen und magisch angehauchten Weg einer Versöhnung, in der sich die Dankbarkeit der Patienten durchsetzt. Einzig in der Erschöpfung und der sich immer wieder anbahnenden Verzweiflung Florias erzählt sich so etwas wie eine wirkliche Konsequenz. Was sie verdient, wie ihr eigener Alltag aussieht, diese eigentlich essenziellen Fragen spart der Film aus.

Die seltsame Mischung aus Realismus und narrativ verdichteter Überhöhung führt hier in einen Widerspruch, in dem man letztlich gezwungen wird, jedes Bild mit einer Wirklichkeit abzugleichen, die man entweder aus den Nachrichten oder dem eigenen Leben kennt. Am Ende kündet dann eine Texttafel von dem, was ohnehin dauernd unter den Bildern liegt. Bis zum Jahr 2030 werden in der Schweiz 30 000 Pflegefachkräfte fehlen, weltweit laut der WHO 13 Millionen.

Engagierte Reportage reicht nicht

Der gesellschaftliche Diskurs dominiert jede Einstellung in diesem Film, und das ist es auch, was die Bilder zugleich so lebensnah und lebensfern wirken lässt. Letztlich ist «Heldin» ein weiteres Produkt dieser Zeit, in der das Kino sich nichts weiter zutraut, als politische Botschaften auszusenden und engagierte Reportagen abzuliefern.

Damit sollen keineswegs die real existierenden Probleme der Krankenpflege verharmlost werden, aber die gibt es nun einmal mit und ohne Filme. Volpe bebildert letztlich ein Problem und fügt den bekannten Themen nichts hinzu, vereinfacht sie sogar hie und da.

Ihre Heldin ist weder wirklich eine Filmheldin, noch glaubt man, dass sie eine solche Nacht tatsächlich erleben könnte. Sie ist die Idee eines Kinos, das sich nichts mehr vorstellen kann, was über die Erwartung an ein Thema hinausgeht. Das mag ausreichen, um im Anschluss angeregt darüber zu diskutieren, filmisch überzeugen tut es nicht.

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