An den Ufern des Ganges in Prayagraj werden 400 Millionen Gläubige erwartet, so viele wie niemals zuvor. Bei dem Festival vermischen sich Glaube, Politik und Kommerz.
Die Ausmasse des Festivals sind gigantisch: Allein zum offiziellen Start der Maha Kumbh Mela am Montagmorgen nahmen trotz frostigen Temperaturen mehr als sechs Millionen Gläubige am rituellen Bad im Ganges teil. In den kommenden sechs Wochen erwartet die indische Regierung über 400 Millionen Besucher in Prayagraj. Es ist das erste Mal seit dem Amtsantritt von Premierminister Narendra Modi 2014, dass das Fest unter seiner Hindu-nationalistischen Regierung stattfindet. Sie ist fest entschlossen, es zu einem Erfolg zu machen.
Die Regierung hat so viel Geld investiert wie nie zuvor, um einen sicheren Ablauf des Festivals zu gewährleisten. Knapp 70 Milliarden Rupien (742 Millionen Franken) hat der von Modis Bharatiya Janata Party (BJP) regierte Teilstaat Uttar Pradesh für Infrastruktur und Sicherheit ausgegeben. Die indische Eisenbahn, die 13 000 Züge für den Transport der Pilger aufbietet, hat im Vorfeld zusätzlich 50 Milliarden Rupien in den Ausbau der Strecken und der Bahnhöfe gesteckt.
In Prayagraj, wo der Yamuna und der Ganges zusammenfliessen, sind an den Ufern der Flüsse riesige Zeltstädte errichtet worden. Die Optionen reichen von einfachen Schlafplätzen in Massenunterkünften zu exklusiven Suiten, die mehr als 100 000 Rupien (1050 Franken) pro Nacht kosten. Für die Hoteliers, Essensverkäufer und Bootsverleiher ist das Fest eine Goldgrube. Die Organisatoren rechnen bis zum Ende des Fests am 26. Februar mit einem Umsatz von 250 Milliarden Rupien.
Die Gläubigen suchen Reinigung von allen Sünden
Die Maha Kumbh Mela findet alle zwölf Jahre alternierend in vier Städten statt: Haridwar, Ujjain, Nashik und Prayagraj, das bis 2018 Allahabad hiess. Dazwischen gibt es alle drei Jahre eine kleinere Ausgabe des Festivals. Der Zeitpunkt der Kumbh Mela wird bestimmt durch die Konstellation der Sterne und Planeten. Das Fest findet jeweils am Ufer des Ganges und anderer für die Hindus heiliger Flüsse statt. Angeführt von den Sadhus genannten heiligen Männern, nehmen die Gläubigen dabei ein Bad im Fluss, um ihre Sünden abzuwaschen.
Die Ursprünge der Kumbh Mela sind unklar. Laut der Überlieferung fielen im Kampf zwischen Göttern und Dämonen aus einem Krug («kumbh») vier Tropfen des Nektars der Unsterblichkeit auf die Erde – dort, wo heute die Kumbh Mela stattfindet. Viele gläubige Hindus sind überzeugt davon, dass es das Fest schon immer gegeben habe und sein Ursprung auf die heiligen Schriften der Veden und Puranas zurückgehe. Allerdings gibt es dort keine Erwähnung des Festes.
Zwar schreibt der chinesische Mönch und Reisende Xuanzang im siebten Jahrhundert von einem grossen Fest am Ufer des Ganges in Prayagraj, doch ist umstritten, ob es sich dabei um die Kumbh Mela handelte. Erst im 17. Jahrhundert gibt es eine Schrift, die ein Fest in Haridwar erwähnt, das alle zwölf Jahre stattfindet. Die meisten Historiker gehen davon aus, dass sich die Kumbh Mela in ihrer heutigen Form erst im 19. und 20. Jahrhundert herausgebildet hat.
Die Briten fürchteten die Kumbh Mela als Ort der Agitation
Bei der Kumbh Mela handelt es sich in erster Linie um ein religiöses Fest, doch hatte es stets auch eine kommerzielle und eine politische Dimension. Verbunden mit dem rituellen Bad im Fluss fand jeweils ein grosser Jahrmarkt statt, auf dem Waren feilgeboten wurden und Musiker und Gaukler auftraten. Während der britischen Kolonialzeit erhielt die Kumbh Mela zunehmend einen politischen Charakter, da die indischen Nationalisten das Fest nutzten, um für ihre Forderung von Swaraj (Selbstregierung) und Unabhängigkeit zu werben.
Die Briten betrachteten das Fest daher als gefährlichen Ort der Agitation und versuchten, die Versammlung zu kontrollieren. Der Staat hatte aber schon früher begonnen, die Organisation an sich zu ziehen. Der Grund dafür war, dass es zwischen den Gruppen von Sadhus immer wieder zu blutigen Konflikten um die Frage kam, wer zuerst sein Bad nehmen durfte. Nachdem es bei Kämpfen teilweise Tausende Opfer gegeben hatte, schritt der Staat ein und legte die Reihenfolge fest.
Seit der Unabhängigkeit 1947 ist es für führende Politiker aller Parteien zur Tradition geworden, dass sie an dem Fest teilnehmen. Bei der ersten Maha Kumbh Mela im unabhängigen Indien 1954 reiste auch der damalige Premierminister Jawaharlal Nehru an, obwohl seine säkulare Kongress-Partei sonst für die Trennung von Politik und Religion eintrat. Das Festival wurde damals überschattet von einer Massenpanik, bei der rund 800 Menschen ihr Leben verloren.
Die Regierung nutzt das Fest für ihre Zwecke
Um die Wiederholung eines solchen Unglücks zu vermeiden, hat die Regierung strenge Sicherheitsvorkehrungen ergriffen. Das mehr als 4000 Hektaren grosse Festivalgelände auf den Sandbänken am Ganges und am Yamuna wird dieses Jahr von 2300 Kameras überwacht. Erstmals gibt es auch ein eigenes Zentrum für Cybersicherheit, um die sozialen Netzwerke zu kontrollieren und einzugreifen, sollten dort gefährliche Falschinformationen verbreitet werden.
Für Modis BJP ist die Maha Kumbh Mela eine Chance, ihre politische Botschaft zu verbreiten. Die Hindu-nationalistische Partei präsentiert Indien als Staat der Hindus, in dem für Muslime, Christen und andere Minderheiten kein Platz ist. Dies gilt nirgendwo mehr als im Teilstaat Uttar Pradesh, der seit 2017 von dem radikalen Hindu-Mönch Yogi Adityanath regiert wird. In diesem Kontext ist die Maha Kumbh Mela für die BJP eine einmalige Gelegenheit, die Bedeutung des Hinduismus für die kulturelle Identität des Landes hervorzuheben.