Dienstag, Februar 25

Über die kenyanische Gesellschaft wurde lange gesagt, sie lese kaum Bücher. Dabei liest sie nicht nur, sie schreibt auch. Ohne jegliche staatliche Literaturförderung schaffen sich Autorinnen und Autoren die nötige Infrastruktur selbst.

Die Kenyanerin Alexis Grace Teyie ist in so vielen Gebieten aktiv, dass sie länger braucht, um alles aufzuzählen: Sie ist Wissenschafterin, Verlegerin, Co-Herausgeberin mehrerer Literaturmagazine sowie einer Buchreihe, sie hat mit Freunden eine Bibliothek gegründet, schreibt Gedichte und Essays. Doch die Projekte reichen Teyie nicht, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Dies tut sie durch Forschung und Recherchen für andere.

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Trotzdem scheint Teyie keinen ernsthaften Gedanken daran zu verschwenden, mit der Literatur aufzuhören. Dafür ist sie viel zu begeistert davon, Teil einer vibrierenden Literaturszene zu sein. Und sie ist überzeugt davon, dass ihr Handeln wichtig ist. «Als Verlegerin verstehe ich mich als eine Art Hebamme», sagt sie am Rande des Macondo-Literaturfestivals, das die Macondo Book Society jährlich im Herbst in der kenyanischen Hauptstadt organisiert.

Es ist der unermüdlichen Arbeit von Menschen wie Teyie zu verdanken, dass es solche Festivals in Kenya überhaupt gibt und die Literaturszene im Land wächst.

Bewegung will Strukturen aufbauen

Viele kenyanische Literaturschaffende veröffentlichen im Selbstverlag und sind zusätzlich Herausgeber geworden, um auch anderen Schreibenden den Weg auf den Markt zu ebnen. Doch zum dauerhaften Blühen braucht die Szene stärkere Strukturen.

«Es hat hier in den vergangenen Jahren eine grundsätzliche Veränderung gegeben», sagt sie. «Wir haben mehr Autoren und mehr Lesende.» Es sei an der Zeit, dass die Künstlerinnen und Künstler des afrikanischen Kontinents mit ihrem Schaffen auch zu Hause ihren Lebensunterhalt verdienen könnten. «Es kann nicht die Lösung sein, dass wir immer mehr Künstler nach Berlin oder London schicken, damit sie von dort aus arbeiten, weil sie zu Hause nicht überleben könnten.»

Das dafür nötige «Ökosystem», wie Teyie es nennt, ist im Aufbau. Dass die Literaturszene jung ist und ihre Akteurinnen und Akteure Tech-affin sind, erleichtert die Entwicklung der Szene: Texte und andere Informationen werden auch über die sozialen Netzwerke verbreitet, Startups sind schnell gegründet, Neues wird gerne ausprobiert.

Ein Beispiel dafür ist das Macondo-Literaturfestival. Die deutsche Journalistin Anja Bengelstorff, die seit vielen Jahren in Nairobi lebt, und die kenyanische Schriftstellerin Yvonne Owuor haben es gegründet. Die Idee entstand 2018 aus einem Austausch mit weiteren Literaturfreunden. «Nairobi braucht endlich ein Literaturfestival», sagte Bengelstorff. Angesichts der vielen Autoren und Leser sei das in der ostafrikanischen Metropole überfällig.

Bengelstorff und Owuor wollten einen Raum schaffen, in dem sich die vielen Schriftstellerinnen und Schriftsteller Afrikas mit ihrem wichtigsten Publikum direkt austauschen können. Früher waren sie stattdessen bei Veranstaltungen in wohlhabenden Ländern zu Gast, wo sie sich fast nur an westliche Literaturfreunde wenden konnten.

Seit der Erstausgabe im Jahr 2019 hat sich das Macondo-Festival zu einem der renommiertesten Literaturereignisse auf dem Kontinent entwickelt. Sein Name bezieht sich auf die fiktive Stadt, die der kolumbianische Schriftsteller Gabriel García Márquez in seinem berühmten Roman «Hundert Jahre Einsamkeit» schuf. Es ist ein Ort, an dem sich magische Dinge ereignen.

Ohne staatliche Förderung

In den vergangenen Jahren sind in Afrika weitere Literaturfestivals entstanden. Ihre Gründer warten nicht auf staatliche Förderung, sondern nehmen die Dinge selbst in die Hand. Dieser Wille, Neues auszuprobieren, ist der entscheidende Entwicklungsmotor Kenyas und seiner jungen Literaturszene.

Dass sich in Kenya die Strukturen für Autoren und Leser in den vergangenen Jahren verbessert haben, liegt an der Begeisterung einzelner Akteure und ihrer Energie, die sie in die Branche stecken.

Ein passendes Beispiel dafür ist Abdullahi Bulle, ein ehemaliger Banker. In einem Interview sagte er, als passionierter Leser habe er früher seinen Kollegen in der Bank seine Bücher mitgebracht und sie mit seiner Begeisterung für Literatur angesteckt. «Schliesslich fragte mich ein Kollege, warum ich ihnen meine Bücher immer schenke, statt sie zu verkaufen», sagte er.

Bulle gründete 2015 mit dem Nuria Bookshop den ersten Online-Buchladen Kenyas. Später gab er dem Drängen vieler Kunden nach, die ein Buch vor dem Kauf auch sehen und anfassen wollten, und eröffnete zusätzlich einen physischen Laden – seinen Job als Banker hatte er aufgegeben. Um möglichst viele Kunden erreichen zu können, bespielt er die in Kenya sehr kleine Nische von Hörbüchern, und er unterstützt kenyanische Autoren, die im Selbstverlag veröffentlichen wollen. Und noch einen neuen Weg hat Bulle eingeschlagen: Er bekommt von ausländischen Verlagen die Rechte, Bücher kenyanischer Autoren in ihrer Heimat zu drucken. Das spart Steuern und Transportkosten und macht die Werke für das heimische Publikum erschwinglicher.

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