Mittwoch, Februar 5

Keine Stadt der Schweiz hat pro Einwohner derart viele Staatsangestellte wie Zürich. Das zeigen neue Zahlen.

30 000 Leute reichen aus, um jedes Stadion in der Stadt Zürich zu füllen. Eine Demo dieser Grössenordnung würde sofort zur Grossveranstaltung. Und als Stimmblock würde die Anzahl locker ausreichen, um jede Abstimmung in der Stadt Zürich zu entscheiden. 30 000: Auf diese stattliche Zahl ist das Heer der Angestellten der Stadt Zürich mittlerweile angewachsen.

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Sind es zu viele, wie die Bürgerlichen seit Jahren monieren? Oder braucht es all diese Leute, um die Aufgaben in einer wachsenden Stadt zu bewältigen, wie es stets von linker Seite heisst? Zu diesen Fragen liefert ein Papier des Think-Tanks Avenir Suisse nun aufschlussreiches Datenmaterial.

Die Verwaltung wächst schneller als die Bevölkerung

Die Autoren haben einen landesweiten Städtevergleich über rund ein Jahrzehnt angestellt. Die Zahlen zeigen, dass die Verwaltung in der Stadt Zürich viel schneller wächst als die Bevölkerung. Zürich gehört damit zu einer Gruppe reicher linker Städte mit überdurchschnittlichem Verwaltungswachstum.

Ein weiterer Befund gilt für Schweizer Städte allgemein: Sie beschäftigen mehr Personal als kleinere Gemeinden. In Städten sind landesweit 23,3 Angestellte pro 1000 Einwohner auf der Lohnliste, in kleineren Gemeinden 9,9 – weniger als halb so viele.

Die Studie sieht hier drei Faktoren am Werk. Grössere Orte haben Zentrumslasten für andere zu tragen. Die Komplexität in der Verwaltung steigt mit der Grösse an. Und schliesslich, so die Autoren, führe die meist linke politische Ausrichtung der Städte dazu, dass «die Nachfrage nach öffentlichen Leistungen und damit der Personalbedarf» steige.

Zürich schwingt bei der Anzahl Leute auf der Lohnliste auch unter den Städten obenaus. Dies gilt nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch pro tausend Personen.

Betrachtet wurde die Kernverwaltung – ohne Elektrizitätswerk, Verkehrsbetriebe und Stadtspitäler, allerdings inklusive Lehrerinnen und Lehrer. Deshalb ist in der Aufstellung auch nicht von 30 000, sondern von rund 12 000 Mitarbeitenden die Rede.

Gegen Vergleiche zwischen Städten wird gerne ins Feld geführt, solche liessen sich nicht seriös machen, weil die Ausgangslage in den Städten je nach Kanton verschieden sei. Dieser Einwand ist nicht völlig von der Hand zu weisen. Wo die Kantone viele Aufgaben selbst finanzieren, ist der Aufwand für die Städte kleiner.

Besonders interessant ist deshalb der Vergleich innerhalb des Kantons – im Falle Zürichs mit der Stadt Winterthur. Nicht nur ist die Aufgabenteilung zwischen Städten und Kanton naturgemäss dieselbe. Winterthur hat in den letzten elf Jahren auch das exakt gleiche Bevölkerungswachstum erlebt wie die Stadt Zürich: 14 Prozent.

Und doch ist in Winterthur die Verwaltung in elf Jahren um 4 Prozent gewachsen – in Zürich um 21 Prozent. Die Stadt Winterthur kommt mit einer eigenen Zählweise zwar auf höhere Werte, aber auch gemäss dieser Statistik ist die Verwaltung weniger stark gewachsen als die Bevölkerung. Der Unterschied zu Zürich bleibt eklatant.

Woran liegt das? Die kurze Antwort lautet: am Geld. Zürich ist reich, und Winterthur ist es nicht.

Zürich hat beispielsweise eine ganze Abteilung, die sich dem Thema Smart City widmet. Und wenn in Zürich das Stadtparlament das Budget diskutiert, dann kommt es regelmässig vor, dass das Stadtparlament neue Stellen beschliesst, die die Stadträte erklärtermassen für unnötig halten.

In Winterthur wäre beides undenkbar, sagt Michael Zeugin, Winterthurer Alt-GLP-Kantonsrat.

Winterthur vollzog um die Jahrtausendwende den Übergang von der Industrie- zur Wohnstadt. Auf den Industriebrachen wurden Wohnungen gebaut, der Wohnanteil schnellte in die Höhe. Die Zahl der Arbeitsplätze im Verhältnis zur Wohnbevölkerung ist bis heute deutlich geringer als in der Stadt Zürich.

Eine Stadt strampelt

Diese strukturellen Probleme schleppe die Stadt mit sich, sagt Zeugin, sie sei «stets am Strampeln». Dies zwinge sie dazu, beim Personal genau auf die Ausgaben zu achten. Extras, wie man sie in der Stadt Zürich sehe, lägen nicht drin.

Das hat nach Zeugins Auffassung auch negative Folgen. Gerade im Schulbereich müsse man in Winterthur Abstriche machen. Beim Umgang mit privaten Bauherren hingegen zeige sich, dass mehr Personal manchmal mehr Probleme schaffe: Da sei Winterthur deutlich pragmatischer als die Stadt Zürich.

Neben dem fehlenden Geld spielt in Winterthur auch die Politik eine Rolle. SP und Grüne haben zwar auch hier eine Mehrheit – aber nur im Stadtrat, nicht im Stadtparlament. Dort gebe es wechselnde Mehrheiten und nicht wie in Zürich eine Machtdominanz der SP, sagt Zeugin.

In der Stadt Zürich ist die Ausgangslage ganz anders. Hier haben grosse internationale Finanzdienstleister ihren Sitz, die ihre Angestellten gut bezahlen. Im letzten Jahrzehnt flossen die Steuern üppig – zehn positive Rechnungsabschlüsse in Folge zeugen davon. Spardruck gibt es nicht.

Besonders in der Schule baut die rot-grüne Mehrheit in Stadtrat und Parlament oft aus, über die Vorgaben des Kantons hinaus – mit Schulsozialarbeitern oder Klassenassistenzen. Bewilligt werden aber auch neue Velofachleute oder Juristen, die eigens die Aufgabe haben, die neuen Velorouten juristisch durchzuboxen.

Geld plus linke politische Ausrichtung gleich Mehrausgaben: Die Studie legt nahe, dass diese Formel allgemein zutrifft, nicht nur in Zürich. So war das Personalwachstum in der Stadt Basel mit Abstand am grössten. Dort sprudelten die Steuereinnahmen, weil die Pharmaindustrie gut geschäftete.

Përparim Avdili, FDP-Präsident in der Stadt Zürich, zeigt sich ob der Zahlen in der Studie «null überrascht». Dass die Stadtverwaltung stärker wächst als die Bevölkerung, hat die städtische FDP schon mehrmals kritisiert. «Es heisst dann stets, die Ausgaben seien nötig für einen attraktiven Standort. Aber andere Städte zeigen auf, dass das nicht stimmt.»

Avdili findet neben Winterthur auch das Beispiel Luzern interessant, das mit 15,61 Stellen pro tausend Einwohner den tiefsten Wert aller Städte aufweist. Der Wert ist sogar tiefer als vor einem Jahrzehnt. Der Kanton Luzern überlässt den Städten relativ viele Aufgaben und ist deshalb gemäss der Publikation von Avenir Suisse mit Zürich vergleichbar.

In der Stadtzürcher Verwaltung sieht Avdili Effizienzverluste. In den neun Departementen herrsche ausgeprägtes Silodenken. Doppelspurigkeiten seien die Folge. Eine grosse Verwaltung habe negative Effekte – zum Beispiel, wenn sie ökologische Vorschriften produziere, die die Organisation von Grossanlässen erschwerten oder den Einzelnen einschränkten.

Florian Blättler, SP-Gemeinderat und Mitglied der Rechnungsprüfungskommission, sieht das Verwaltungswachstum als logische Folge eines aussergewöhnlichen, umfassenden Wachstums in der Stadt Zürich. In der Wirtschaft sei die Anzahl Beschäftigter in ähnlichem Umfang gewachsen. Und in Zürich seien beispielsweise die Schülerzahlen seit 2011 um über 35 Prozent gestiegen. Folglich müssten auch mehr Lehr- und Betreuungspersonen beschäftigt werden.

Doch was ist mit dem Personalwachstum, das über das Bevölkerungswachstum hinausgeht? Ist das rot-grün dominierte Stadtparlament schlicht ausgabefreudiger als andere? Blättler widerspricht: «Wir sagen nicht zu jeder Stelle Ja und Amen. Es geht darum, ob eine Stelle der Bevölkerung und der Wirtschaft nützt oder nicht.»

Zürich habe aber mehr Mittel zur Verfügung als andere und könne sich darum eine gute Qualität in der Bildung leisten. Blättler verweist darauf, dass auch die Stimmbevölkerung bei der Abstimmung über die Tagesschule die qualitativ bessere Variante gewählt habe. Es gibt aber auch Stellenwachstum, das Blättler kritisch sieht, beispielsweise in der IT der Stadt.

Unabhängig von der politischen Couleur gilt eines als belegt: Wird in der Verwaltung erst einmal eine Stelle geschaffen, ist es äusserst schwierig, sie wieder abzubauen.

Der FDP-Präsident Avdili sieht darin eine grosse Gefahr. Wenn einmal ein anderer wirtschaftlicher Wind wehe, werde die Stadt aufgrund der hohen Ausgaben für die Beschäftigten Mühe haben, jene Stellen zu besetzen, die es wirklich brauche – für Sicherheit, öffentlichen Verkehr oder die Schule.

Der SP-Gemeinderat Blättler sagt, die Stadt Zürich habe den Vorteil eines finanziellen Polsters. Dies erlaube es, ein paar schlechte Jahre durchzustehen, und verschaffe der Stadt Zeit, notfalls auf Veränderung zu reagieren.

Im Avenir-Suisse-Aufsatz machen die Autoren noch ein anderes Problem aus – dass nämlich die städtische Verwaltung der Privatwirtschaft gut qualifiziertes Personal entzieht. Die Städte sollten sich deshalb um eine «möglichst baldige Umkehr» bemühen, empfehlen die Autoren.

Setzt sich hingegen der heutige Trend in der Stadt Zürich fort, wächst das Heer der Angestellten weiter. Dann dauert es nicht mehr allzu lange, bis statistisch gesehen jeder zehnte Bewohner der Stadt in der städtischen Verwaltung arbeitet.

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