Mittwoch, Oktober 9

Was hören wir im Schlaf? Die Frage stellen sich zuweilen junge Eltern, wenn das Kind neben ihnen schlummert. Ein Beitrag aus der Rubrik «Hauptsache, gesund».

Einmal müde, schlafen Kinder fast überall. Am liebsten aber sind sie in der Nähe von Erwachsenen, wo sie leise Gespräche in den Schlaf wiegen. Doch für Eltern sind die Abendstunden auch die Gelegenheit, sich über das Kind zu unterhalten.

Wie sollen wir die Bildschirmzeit regeln? Welches Thema beschäftigt das Kind? Zu besprechen gibt es vieles. Und nicht immer soll das Kind mithören. Gut, dass es schläft und nichts mitbekommt. Oder etwa doch?

Noch in der frühen Schlafphase reagieren Menschen unwillkürlich auf den eigenen Namen oder führen gar Anweisungen aus. Bittet man sie, zu lächeln oder die Stirn zu runzeln, so tun sie das, wie französische Forscher kürzlich zeigten.

Entkoppelung von der Aussenwelt erhält den Schlaf

Im Tiefschlaf aber – wenn sich das Gehirn regeneriert – sind wir die meiste Zeit in einem Zustand der sogenannten sensorischen Entkoppelung. Dann erreichen uns kaum noch Sinnesreize von aussen. So gelingt es, den lebenswichtigen Schlaf zu erhalten.

Komplett ist die Entkoppelung allerdings nicht, denn das wäre gefährlich. Anzeichen für Gefahr etwa erkennt das Gehirn auch im Schlaf.

Das illustrierte jüngst eine Studie aus dem Schlaflabor der Universität Lausanne. Während Versuchspersonen im Labor schnarchten, hörten sie im Abstand von jeweils knapp einer Sekunde immer wieder denselben Ton, so leise, dass sie davon nicht aufwachten. Ein Computer zeichnete derweil den Herzschlag und elektrische Signale von der Kopfoberfläche der Versuchspersonen auf.

Hirn und Herz erschrecken

Bis ins Innenohr gelangen die Schallwellen sowieso, denn dazu ist keine Aktivität der Nervenzellen nötig. Doch von dort wanderte das elektrische Signal durch die gesamte Hörbahn bis in die Grosshirnrinde der Versuchspersonen. Und mehr noch: Fehlte ein erwarteter Ton, so reagierten ihr Hirn und ihr Herz sofort.

Das Herz machte einen kleinen Satz – eine kleine Schreckreaktion. Und auch das Hirn reagierte ähnlich wie im Wachzustand auf den fehlenden Ton. Kurz, das Gehirn hat auch während des Schlafens eine Ahnung davon, was in der Umgebung geschieht – obwohl die Schlafenden äusserlich keinerlei Reaktion zeigen.

Einen Ton zu hören, ist das eine, Wörter zu verstehen, etwas ganz anderes, sagte ich mir. Und doch lässt mich die Frage nicht los. Hört das Kind seinen Namen, während es in Morpheus’ Armen liegt?

Assoziationen werden im Schlaf gebildet

Versteht es gar den Sinn von Wörtern – «verträumt» oder «wütend» zum Beispiel –, und kann es ihn zu Aussagen verknüpfen, die sich in seinem Gehirn festsetzen? Würde das Kind daraus fixe Überzeugungen über sich selbst entwickeln?

Entwicklungsförderlich wäre das wohl nicht. Da hätte ich lieber, es würde Wörter wie «respektiert» oder «glücksbegabt» mit seinem Namen verknüpfen.

Tatsächlich gibt es auch zum Lernen von Assoziationen im Schlaf Studien. Forscher der Universität Bern zeigten, dass eine semantische Verbindung zwischen zwei Wörtern auch im Schlaf entsteht.

Ganz automatisch geschieht das allerdings nicht. Das Timing muss genau stimmen. Das Gehirn, dessen Aktivität ständig schwankt, muss sich in einem optimalen Zustand befinden, um die Worte aufnehmen zu können.

Dass meine Worte im passenden Moment beim tief schlummernden Kind ankommen, ist – rein theoretisch – möglich. Sehr wahrscheinlich ist es nicht. Trotzdem flüstere ich ihm, ganz im Sinne der gesunden Entwicklung, ab und zu ins Ohr: «Ich hab dich lieb.» Den Satz darf es gerne tief in seinem Gehirn abspeichern.

In der wöchentlichen Rubrik «Hauptsache, gesund» werfen die Autorinnen und Autoren einen persönlichen Blick auf Themen aus Medizin, Gesundheit, Ernährung und Fitness. Bereits erschienene Texte finden sich hier.

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