Mittwoch, April 2

Kurz nach dem verheerenden Erdbeben in Myanmar zeigte sich, wem das Regime nahe ist: China, Russland und Indien leisten Soforthilfe. Der Westen sollte sich auch engagieren.

Das verheerende Erdbeben in Myanmar hat bisher fast 3000 Todesopfer gefordert. Die Opferzahlen dürften in den nächsten Tagen weiter nach oben korrigiert werden. Während die Betroffenen verzweifelt nach Überlebenden suchen, bombardiert das Militärregime weiterhin Rebellen – eine Praxis, die in den vergangenen Monaten schon Hunderte Zivilisten das Leben gekostet hat.

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Dasselbe Militärregime hat nach den Erdbeben am vergangenen Freitag um internationale Hilfe gebeten. Soll man unter diesen Umständen überhaupt helfen?

Seit dem Militärputsch 2021 in Myanmar haben die Generäle eine Gewaltherrschaft errichtet. Die Folge ist ein komplizierter Bürgerkrieg – inzwischen kämpfen mehr als 2000 Rebellengruppen gegen die Armee. Manche kämpfen für ein demokratisches Myanmar, manche für die Selbstbestimmung der eigenen Ethnie. Das Militärregime kontrolliert heute nur noch das Landesinnere von Myanmar. Jene Gegend, wo das Erdbeben die meisten Schäden anrichtete.

Nach den Waffen kommt die Hilfe

Hilfe wird die Betroffenen nur erreichen, wenn die Hilfsorganisationen mit den Generälen zusammenarbeiten. Gerade für westliche Unterstützung ist das eine Herausforderung: Europa und die USA haben in den Friedensverhandlungen in Myanmar in den vergangenen Jahren eine untergeordnete Rolle gespielt und verfügen über wenige Kommunikationskanäle mit dem Regime.

Die USA versprachen nach dem Erdbeben 2 Millionen Dollar Soforthilfe. Auch in Europa werden Spendengelder gesammelt und Hilfe koordiniert. Es gibt noch immer schweizerische und deutsche Hilfswerke in Myanmar, die sich vor Ort bereits an die Arbeit gemacht haben.

Aber man sieht jetzt, einige Tage nach dem Erdbeben, welche Staaten dem Regime in Myanmar besonders nahe sind. Am meisten Soforthilfe kam aus China: 13,9 Millionen Dollar und Hilfsgüter wie Zelte und Medikamente. Russland schickte Ambulanzen, schwere Maschinen und 60 Retter. Die indische Armee schickte ebenfalls Retter und mindestens vier Flüge und vier Schiffe voller Hilfsgüter. All diese Länder haben dem Regime vorher auch Waffen geliefert.

Die Generäle verlassen sich in diesen ersten Tagen nach dem Erdbeben auf ihre alten Freunde und weniger auf den Westen. Dazu passt auch die Entscheidung des Regimes, vorerst keine ausländischen Journalisten ins Land zu lassen, um über das Unglück zu berichten. Das Ausmass der Zerstörung ist allerdings riesig. Es wird noch mehr Soforthilfe gefragt sein und später Unterstützung für den Wiederaufbau. Wahrscheinlich mehr, als die alten Freunde leisten wollen – Russland führt einen Krieg in der Ukraine, Chinas Wirtschaft schwächelt.

Der Westen sollte ebenfalls helfen. In einer Zeit, in der sich geopolitische Gewichte verschieben und man über Einflusszonen der Grossmächte debattiert, liesse sich gut argumentieren, dass man die Hilfe für Myanmar getrost den Chinesen und den Russen überlassen könnte. Es ist schwieriger zu erklären, wieso man ein Unrechtsregime mit humanitärer Hilfe unterstützen soll.

Geopolitik im Hintergrund

Aber wer weiss, wie Myanmar in einigen Jahren aussehen wird. Vielleicht wird die Militärregierung irgendwann fallen. Sie ist in jüngster Zeit zunehmend unter Druck geraten und kontrolliert heute nur noch die Hälfte des Landes. Vielleicht werden sich die Menschen in Myanmar dann daran erinnern, wer ihnen in ihrer Not half – und wer nicht.

Die allermeisten der 54 Millionen Bewohner von Myanmar können zudem nichts dafür, dass sie unter einem Unrechtsregime leben. Unter den Folgen des Erdbebens leiden nicht die Generäle in ihren Villen, sondern die Zivilbevölkerung, die nach Jahren der Isolation und des Bürgerkriegs verarmt ist. Nur wer hilft, kann Einfluss darauf nehmen, dass die Hilfe auch sie erreicht.

Die Bilder, die über Social Media nach aussen dringen, zeigen das Ausmass der Zerstörung in Myanmar: zusammengefallene Strassenzüge, verzweifelte Menschen, die vor den Ruinen für ihre verschütteten Angehörigen beten. Sich zu engagieren, macht geopolitisch Sinn, aber es darf in diesem Moment nicht die einzige Motivation sein: Die Menschlichkeit gebietet es.

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