Die Autorin Gertraud Klemm wird aus einer Publikation gedrängt, weil sie sich eigene Ansichten erlaubt.

Die Anthologie soll Anfang September erscheinen. Sie heisst «Das Pen!smuseum» und wird vom Verlag als «Befreiungsschlag» und als «Offenbarung» beworben. Mit dem Befreiungsschlag wird es vorerst offenbar nichts. Österreich hat jetzt seinen eigenen J.-K.-Rowling-Fall. Die an der Anthologie beteiligte Autorin Gertraud Klemm wurde Anfang Juni von Aktivistinnen auf Instagram und Facebook in einem Shitstorm als «Terf», als «trans-ausschliessende Radikalfeministin», angegriffen.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Der in den sozialen Netzwerken aufgestellten Forderung, sie aus dem Buch zu entfernen, kam der Grazer Leykam-Verlag umgehend nach. Man habe «Hinweise auf frühere Aussagen» der Autorin erhalten und gemeinsam mit den Herausgebern des «Pen!smuseums» beschlossen, «den Beitrag nicht zu veröffentlichen». Gertraud Klemm hat ihren Text jetzt auch offiziell zurückgezogen.

Harmlose Bemerkungen

Worum geht es? Gertraud Klemm, die 2015 mit ihrem Roman «Aberland» auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand, ist landauf, landab als Feministin bekannt. Ihre Bücher sind provokativ. In ihrem letzten Roman «Einzeller» geht es um eine Frauen-WG und die Idee, ein Gegenformat zum Fernsehhit «Big Brother» zu bespielen: «Big Sista». Dabei soll es «gepflegte Unterhaltung mit feministischem Grundtenor» geben.

In den jetzigen Aufregungen um Gertraud Klemm geht es zwar immer noch feministisch zu, von gepflegter Unterhaltung kann allerdings keine Rede sein. Die «Hinweise auf frühere Aussagen» Klemms beziehen sich schlicht auf zwei Texte, die die Schriftstellerin schon vor Jahren in der österreichischen Tageszeitung «Der Standard» veröffentlicht hat. Sie waren also alles andere als geheim. In den Texten versucht Gertraud Klemm, ihr Verständnis vom Begriff «Frau» zu erklären.

In dem einen steht, als Kritik aktueller Diskurse: «Wer ‹Frau› sagt, um die ganz normale, nicht auszurottende Geschlechterungerechtigkeit zu verbalisieren, ist transfeindlich und am Binären festhaltend.» Im anderen schreibt Klemm: «Ich halte es für zynisch, die Existenz von Geschlecht zu hinterfragen, während zeitgleich Abermillionen von Frauen wegen ihres Geschlechts weltweit genitalverstümmelt, zwangsverschleiert, entrechtet, pränatal abgetrieben und unterbezahlt werden.» Es folgte als Nachsatz: «Dass sprachliche Einschränkungen von links kommen, ist neu.»

Herausgeber entschuldigen sich

Nachdem die Aktivistinnen gedroht hatten, die beiden Anthologie-Herausgeberinnen Mareike Fallwickl und Eva Reisinger gleich mitzucanceln, wenn sie sich ihnen nicht anschliessen («Mit einer Terf zusammenarbeiten? Wow, deine Bücher fliegen im hohen Bogen aus meinem Regal»), haben diese klein beigegeben und sich entschuldigt. Man teile die in den «Standard»-Artikeln vertretenen Ansichten Gertraud Klemms nicht.

Textsammlungen sind normalerweise dazu da, verschiedene Ansichten abzubilden, aber hier scheint man sich auf eine einzige, sehr spezielle festgelegt zu haben. Doch nun rollt die Gegenwelle. «Es darf nicht nur einen Feminismus geben», überschrieb die Schriftstellerin Angela Lehner ihren Text auf «Zeit online». Schriftsteller wie Martin Prinz und Lydia Mischkulnig haben sich mit Gertraud Klemm solidarisiert.

Der öffentliche Schaukampf unter Feministinnen um den Begriff «Frau» geht weiter, ohne dass sich der Verlag bisher zu einer weiteren Stellungnahme bemüssigt gefühlt hat. Vielleicht sollte man auch dort lesen, was Gertraud Klemm schon 2022 im «Standard» geschrieben hat: «Der Feminismus ist ein Staffellauf durch die Jahrhunderte; wollen wir uns auf den letzten Kilometern nicht lieber auf Gemeinsamkeiten konzentrieren, anstatt jede identitätspolitische Sau durchs digitale Dorf zu treiben?»

Exit mobile version