Mittwoch, April 2

Nach vierjähriger Pause hat die Diözese Lugano wieder einen Teufelsaustreiber. Das kommt in der Kirche nicht überall gut an.

Ein Exorzist? Wie bitte? Die Öffentlichkeit reagierte mit Erstaunen, als vor kurzem bekanntwurde, dass die Diözese Lugano wieder einen Priester mit dieser Funktion beauftragt hat. Er folgt auf den früheren Exorzisten des Bistums Lugano, Sandro Vitalini, der 2020 verstorben war. Seither war die Funktion vakant. Die Kommunikation erfolgte über die Bistumszeitschrift «Monitore della Diocesi di Lugano» und – das war überraschend – ohne den Namen des auserkorenen Geistlichen zu nennen. Offiziell aus Diskretionsgründen.

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Obwohl mittlerweile einige Monate vergangen sind, gibt sich die Kurie unter Leitung ihres apostolischen Administrators Alain De Raemy auf Anfragen zum neuen Exorzisten eher zugeknöpft. Auf der Homepage des Bistums findet sich kein Hinweis zum Auserwählten. Und die Antworten der Medienstelle auf entsprechende Fragen fallen kurz und allgemein aus. Auf die konkrete Frage, nach welchen Kriterien der Exorzist ausgewählt wurde, heisst es etwa: «Die Wahl des Exorzisten war das Ergebnis eines längeren Prozesses der Entscheidungsfindung und des Gebets.» Immerhin wird präzisiert, dass die gewählte Person ihre Ausbildung in diesem Bereich noch abschliessen sowie ein Unterstützungsteam zusammenstellen muss.

Auskunftsfreudigere Exorzisten

Doch das Tessin ist kleinräumig, und der Name des Geistlichen ist längst durchgesickert. Der frühere Pfarrer von Tesserete und heutige Koordinator eines Vereins zur Verbreitung neuer Formen der Evangelisierung will sich gegenüber der NZZ nicht zu seiner Funktion äussern. Er verweist auf auskunftsfreudigere Exorzisten, die in der Lombardei, speziell im Raum Como, tätig sind.

Gemeint ist damit Don Roberto Pandolfi, Exorzist des Bistums Como, der unlängst an der dortigen Buchmesse sein neuestes Werk «Satana, la Chiesa, il mondo» (Satan, die Kirche und die Welt) vorgestellt hat. Gegenüber dem italienischsprachigen Radio RSI hat Pandolfi ein langes Interview gegeben. Dort sagte er unter anderem: «Der Exorzist versucht den Personen ein Gefühl zu vermitteln, wonach sie sich als Person angenommen fühlen und nicht wegen ihrer Probleme.» Er stelle eine Diagnose und beschliesse eine Therapie mit Gebeten für die Genesung oder mit speziellen Riten. Ein psychiatrisches und ein teuflisches Leiden spielten oft zusammen.

Die Nachfrage ist jedenfalls gross. Seit 2009 sollen über 12 000 Personen bei Don Roberto Pandolfi um Rat angefragt haben, unter ihnen auch viele aus der Schweiz. «Doch nur in drei Fällen hat es sich um tatsächlich vom Satan besessene Personen gehandelt», präzisierte der Geistliche. Nach dem Kirchenrecht dürfen nur speziell vom Ortsbischof beauftragte Priester Exorzismusgebete über mutmasslich vom Teufel oder von einem Dämon besessene Personen sprechen.

Die vatikanische Liturgie-Kongregation formulierte die Gebetsformulare 1999 neu. Fester Bestandteil ist eine Anrufung Gottes um Hilfe; zusätzlich kann auch «ein Befehl an den Teufel» ausgesprochen werden, den Betroffenen zu verlassen. Vorbild des Rituals sind die Dämonenaustreibungen Jesu in den Evangelien.

Mit dem neu nominierten Geistlichen der Diözese Lugano ist die Zahl der offiziellen Exorzisten in den sechs Schweizer Bistümern auf drei gewachsen. Zwei sind im gemeinsamen Bistum von Freiburg, Lausanne und Genf tätig. Die Bistümer Sitten, St. Gallen, Chur und Basel haben hingegen keine eigenen vom Bischof ernannten Austreiber für Dämonen mehr, wie das katholische Medienzentrum kath.ch berichtete. Sie setzen auf Pastoraldienste.

Das Bistum Basel verfügt als Teil der Seelsorge über einen Heilungs- und Befreiungsdienst. Der Bischof von Chur, Joseph Maria Bonnemain, ist hingegen «seit seiner Amtsübernahme bestrebt, innerhalb der Deutschschweizer Ordinarienkonferenz (DOK) ein Fachgremium ins Leben zu rufen, in dem erfahrene Ärzte oder Psychiater, Psychologen und Seelsorgende mitwirken, welche einen kompetenten Befreiungsdienst anbieten für Menschen, die sich geplagt und verunsichert fühlen».

99 Prozent psychiatrische Fälle

Auch im Bistum St. Gallen gibt es keinen Exorzisten mehr. Franz Kreissl, Leiter des Pastoralamts in diesem Bistum, hat in einem langen Interview mit dem «St. Galler Tagblatt» über die Teufelsaustreibungen gesprochen. Er sagte: «Im Katalog der psychischen Krankheiten ist Besessenheit als Persönlichkeitsstörung benannt. Um solch belasteten Menschen zu helfen, braucht es Seelsorge und ärztliche Beihilfe.» 99 Prozent der «teuflischen Phänomene» seien psychiatrische Fälle.

Markus Krienke, Professor an der Theologischen Fakultät von Lugano, erklärt auf Anfrage, dass er den Entscheid der Diözese Lugano zur Wiedereinführung eines Exorzisten für problematisch hält und die Möglichkeit eines breit aufgestellten Pastoraldienstes bevorzugt hätte: «Doch Lugano hat diesen Weg wohl gewählt, weil in Italien diese Figur durchaus noch üblich ist, generell jedoch immer verdeckt gehalten wird.» Die grosse Zahl an Anfragen von Menschen, die sich in irgendeiner Weise als besessen oder geplagt empfänden, zeige aber, dass eine Dienstleistung in dieser Hinsicht nötig sei: «Und besser die katholische Kirche kümmert sich professionell darum als irgendwelche Scharlatane.»

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