Samstag, Januar 4

Die Gesetze der Physik verbieten Zeitreisen in die Vergangenheit nicht. Aber nicht alles, was erlaubt ist, ist möglich.

Im Science-Fiction-Film «Interstellar» von Christopher Nolan gibt es eine bewegende Szene. Der Nasa-Pilot Joseph Cooper trifft seine Tochter Murphy wieder, die er verlassen hat, als sie zehn Jahre alt war. Der Clou: Während Cooper kaum gealtert ist, ist seine Tochter inzwischen über 90 Jahre alt und liegt im Sterben.

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Die Zeitreise in «Interstellar» beruht auf einem Effekt, den Physiker als gravitative Zeitdilatation bezeichnen. Cooper hatte auf seiner Weltraummission einen Planeten erkundet, der um ein Schwarzes Loch namens Gargantua kreist. Die enorme Schwerkraft von Gargantua hatte die Zeit fast zum Stillstand gebracht: Sieben Jahre auf der Erde entsprechen nur einer Stunde in der Nähe des Schwarzen Lochs.

Nicht alles, was erlaubt ist, ist möglich

Was Cooper im Film widerfährt, ist zumindest vom Prinzip her durch die Physik gedeckt. Ob das auch für Ausflüge in die Vergangenheit gilt, ist eine Frage, die nicht nur Science-Fiction-Autoren beschäftigt. Auch Physiker, Mathematiker und Philosophen untersuchen ernsthaft, ob und unter welchen Umständen man in die Vergangenheit reisen kann. Ihr Fazit lautet: Die Gesetze der Physik verbieten das nicht, praktisch ist es aber so gut wie unmöglich.

Den Anstoss zu solchen Gedankenspielen gab kein Geringerer als Albert Einstein. Mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie formulierte er 1915 eine Theorie, die die Gravitation mit der Geometrie von Raum und Zeit verknüpft. Einsteins Gravitationstheorie liefert bis heute die beste Beschreibung unseres expandierenden Universums.

Allerdings haben die Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie mehr als eine Lösung. Im Jahr 1949 entdeckte der österreichische Mathematiker Kurt Gödel eine Lösung, die einem rotierenden Universum entspricht. Im Gödel-Universum sind Zeitreisen in die Vergangenheit möglich. Ein Objekt kann sich entlang einer geschlossenen Kurve durch die vierdimensionale Raumzeit bewegen und zu dem gleichen Punkt zurückkehren, von dem es gestartet ist. Zwar ist das Universum von Gödel ein theoretisches Konstrukt, das kaum etwas mit unserem Universum gemein hat. Trotzdem zeigt Gödels Lösung, dass Einsteins Gravitationstheorie Zeitreisen nicht grundsätzlich ausschliesst.

Auch in realistischeren Modellen des Universums sind Zeitreisen in die Vergangenheit prinzipiell möglich – zum Beispiel, indem man durch ein sogenanntes Wurmloch reist. Dabei handelt es sich um eine Art Abkürzung zwischen zwei weit entfernten Regionen des Universums. Der Name Wurmloch leitet sich von einem Wurm ab, der sich durch einen Apfel frisst, anstatt den längeren Weg über dessen Oberfläche zu nehmen. Wie das Gödel-Universum sind auch Wurmlöcher hypothetisch. Nur weil sie mathematisch möglich sind, muss es sie nicht geben.

Albert Einstein war einer der Ersten, die die Möglichkeit von Wurmlöchern in unserem Universum erkannten. Allerdings war man lange Zeit der Ansicht, dass diese Gebilde nicht für Zeitreisen geeignet seien: Sie sind instabil und kollabieren zu schnell. Selbst wenn man sich mit Lichtgeschwindigkeit durch sie hindurchbewegen würde, würde man zerquetscht, bevor man das Ende des Wurmlochs erreicht hätte.

In den 1980er Jahren relativierte der Physiker und spätere Nobelpreisträger Kip Thorne diesen Vorbehalt. Er legte dar, wie sich Wurmlöcher im Prinzip stabilisieren liessen. Laut Thorne braucht man dafür ungeheure Mengen an negativer Energie, also Energie, die der Gravitation entgegenwirkt und das Wurmloch offen hält. Bisher hat noch niemand einen praktikablen Vorschlag gemacht, wie man diese Energie erzeugen könnte. Ähnliches gilt für andere Vorschläge zur Stabilisierung von Wurmlöchern. Sie postulieren Dinge, von denen man nicht weiss, ob sie existieren.

Wer verhindert, dass ich meinen Grossvater töte?

Zeitreisen in die Vergangenheit sind noch aus einem anderen Grund problematisch. Sie scheinen das Kausalitätsprinzip zu verletzen. Zur Illustration wird oft das Grossvater-Paradoxon erwähnt. Reist man weit genug in die Vergangenheit zurück, könnte man im Prinzip einen seiner Grossväter ermorden, bevor dieser Kinder gezeugt hat. Ohne Vater oder Mutter wäre aber auch der Zeitreisende nie geboren worden.

Zur Lösung dieses Paradoxons sind verschiedene Vorschläge gemacht worden. So könnten zum Beispiel nur solche Reisen in die Vergangenheit erlaubt sein, die zu einer konsistenten Geschichte führen. Der Zeitreisende könnte zwar die Hochzeit zwischen dem Grossvater und der Grossmutter arrangieren, aber keinen von beiden töten. Ein anderer Vorschlag lautet, dass der Zeitreisende in einer Parallelwelt landet. Was er dort tut, hat keinen Einfluss darauf, was in «seiner» Welt geschieht. Dort lebt der Grossvater weiter und zeugt Kinder.

Möglicherweise weist das Grossvater-Paradoxon aber auch auf die Unzulänglichkeit der Gravitationstheorie Albert Einsteins hin. Das vermutete zumindest Steven Hawking. Der Physiker und Kosmologe war davon überzeugt, dass eine zukünftige Quantentheorie der Gravitation Zeitreisen in die Vergangenheit ausschliessen wird. Hawking formulierte dies auf launige Art: «Es scheint, als gäbe es eine Art Schutzbehörde, die das Auftreten geschlossener zeitlicher Kurven verhindert und so das Universum für Historiker sicher macht.»

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