Freitag, Februar 28

Brasiliens Justiz nimmt den Ex-Präsidenten Bolsonaro ins Visier, und dieser sucht Unterstützung in den USA. Doch Trump hält sich bislang bedeckt – auch gegenüber dem argentinischen Präsidenten.

Die brasilianische Generalstaatsanwaltschaft hat am vergangenen Dienstag Anklage gegen Ex-Präsident Jair Bolsonaro und 33 weitere Personen erhoben. Bolsonaro, der von 2019 bis 2022 regiert hatte, wird unter anderem vorgeworfen, gemeinsam mit hochrangigen Militärs einen Staatsstreich geplant zu haben. Dem bald 70-Jährigen drohen zwischen zwölf und vierzig Jahre Haft.

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Kaum war die Anklage beim Obersten Gerichtshof eingegangen, meldete sich der Präsidentensohn Eduardo Bolsonaro aus den USA zu Wort. Der Abgeordnete nahm an der CPAC (Conservative Political Action Conference), der Konferenz der globalen Rechten, teil. Vor allem aber nutzte er den direkten Kontakt zu den dort Versammelten, um für eine Amnestie und einen Freispruch seines Vaters zu werben.

«NZZ Pro» – geopolitische Einordnung im Überblick

Zusammenfassung: Rechte Politiker in Südamerika buhlen um die Gunst des amerikanischen Präsidenten.

Geopolitische Einschätzung: Von Trump erhoffen sie sich Unterstützung, um an Kredite zu kommen oder einer Verurteilung zu entgehen.

Blick voraus: Bisher hat sich Trump jedoch mit seiner Hilfe zurückgehalten. In der Vergangenheit war kein Verlass auf den amerikanischen Präsidenten.

Sohn Nummer «03» – wie ihn sein Vater nennt – spricht als einziger der drei politisch aktiven Brüder Englisch und hält seit Jahren engen Kontakt zu Trump und dessen Umfeld.

Mit Erfolg: Steve Bannon, Chefideologe der neuen Rechten in den USA, warnte nun davor, dass Bolsonaros Leben im Gefängnis bedroht sei. «Wenn Bolsonaro verhaftet wird, wird er im Gefängnis ermordet», so Bannon. «Das System will ihn nicht nur zum Schweigen bringen – es will ihn zerstören!» Die politische Verfolgung in Brasilien habe diktatorische Ausmasse angenommen.

Für seine Anhänger sind die Putschvorwürfe an den Haaren herbeigezogen. Eduardo Bolsonaro spricht vom «Disneyland Coup d’État», weil Bolsonaro zum Zeitpunkt des Sturms seiner Anhänger auf das Regierungsviertel in Brasilia am 8. Januar 2023 im Disneyland gewesen sein soll.

Bolsonaros Ziel ist eine öffentliche Verurteilung seiner Anklage durch Präsident Donald Trump. Laut der Analyse von Posts in Brasilien durch den Trendforscher Palver setzen seine Anhänger auf Trump, um Bolsonaro vor «politischer Verfolgung» zu schützen. Denn in Brasilien gilt eine Verurteilung als wahrscheinlich, möglicherweise noch in diesem Jahr.

Trump könnte eine Solidaritätswelle für Bolsonaro lostreten

Sie hoffen, dass ein Eintreten Trumps für Bolsonaro eine Solidaritätswelle für den Ex-Präsidenten auslösen würde. Bislang hat Bolsonaro überraschend wenig öffentliche Unterstützung ausserhalb seines engsten Unterstützerkreises erhalten. Bolsonaro hofft, durch eine allgemeine Amnestie aller Beteiligten beim Sturm auf das Regierungsviertel vor zwei Jahren seine politischen Rechte wiederzuerlangen. Bis 2030 darf er nicht mehr kandidieren.

Dennoch wächst seine Unterstützung in den USA. So hat die kanadische Videoplattform Rumble, die als rechte Alternative zu Youtube gilt, gemeinsam mit der Trump Media & Technology Group (TMTG) als Betreiber der Plattform Truth Social nun Klage gegen den brasilianischen Richter Alexandre de Moraes eingereicht. Der Vorsitzende der ersten Kammer des Obersten Gerichtshofs wird federführend darüber entscheiden, ob die Klage gegen Bolsonaro zugelassen wird.

Moraes, so die Klage, habe die durch den ersten Verfassungszusatz geschützte Meinungsfreiheit verletzt, als er die Sperrung der Accounts eines politisch aktiven brasilianischen Nutzers in den USA anordnete.

Die Klage betrifft den Blogger Allan dos Santos, der 2021 aus Brasilien in die USA floh, um einer Verhaftung zu entgehen. Er war in Brasilien von Richter Moraes wegen der Verbreitung von Fake News angeklagt worden. Die amerikanische Regierung lehnte den Auslieferungsantrag Brasiliens 2024 ab.

Nun hat Richter Moraes im Gegenzug die Sperrung der Videoplattform Rumble in Brasilien angeordnet, da diese sich weigert, den Anordnungen des Gerichts Folge zu leisten, und keinen Vertreter in Brasilien hat. Chris Pavlovski, CEO von Rumble, schrieb auf X: «Der Kampf für Meinungsfreiheit ist global geworden. Rumble wird sich von Brasiliens oberstem Richter Alexandre de Moraes nicht einschüchtern lassen.»

Moraes hatte sich bereits im vergangenen Jahr öffentlich mit Elon Musk gestritten. Der Konflikt entzündete sich an der Sperrung brasilianischer Nutzerkonten, denen Moraes vorwarf, Falschinformationen und Hassreden zu verbreiten. Musk beschimpfte Moraes persönlich und veröffentlichte ein Foto von ihm hinter Gittern. Er lenkte aber ein und willigte ein, die Strafe von umgerechnet 1,4 Millionen Dollar zu zahlen.

Brasilien ist für Musk ein strategisch wichtiger Markt. Starlink, das Satelliten-Internet-Projekt von SpaceX, hat die Datenkommunikation in ländlichen Regionen möglich gemacht. Brasilien ist auch einer der grössten Social-Media-Märkte der Welt, und X (ehemals Twitter) hat eine grosse Nutzerbasis im Land.

Es ist daher wahrscheinlich, dass Trump, Bannon und Musk bald die linksgerichtete Regierung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva attackieren werden – und sei es nur, um die Geschäfte der US-Tech-Giganten zu verteidigen.

Ob sich Trump für einen neuen Kredit an Argentinien einsetzt?

Bolsonaro ist nicht der Einzige in Südamerika, der versucht, Trump für seine innenpolitischen Zwecke einzuspannen. Auch der argentinische Präsident Javier Milei ist gerade in die USA gereist: Er will dort vom Skandal um die Kryptowährung $Libra ablenken.

Er hatte diese in einem Posting angepriesen, dieses kurz darauf aber wieder gelöscht. Die Währung erlebte eine Achterbahnfahrt und stürzte schliesslich ab. Jetzt klagen Anleger, weil sie Geld verloren haben. Milei hat damit zum ersten Mal einen deutlichen Reputationsverlust erlitten – auch bei seinen Fans.

Beim CPAC-Treffen hielt Milei die Eröffnungsrede. Er lobte Trump ausgiebig für seine Politik. Zuvor schenkte Milei dem Unternehmer Musk eine Motorsäge, als Symbol für radikale Staatsreformen, welche die beiden verbinden.

Hintergrund der Charmeoffensive: Milei hofft, dass Trump beim Internationalen Währungsfonds ein gutes Wort für Argentinien einlegt, damit das beim Fonds bereits hochverschuldete Land einen neuen Kredit bekommt. Die USA sind der grösste Aktionär der Bank. Doch bisher hat sich da nichts bewegt: Nach einem Treffen Mileis mit der IWF-Chefin Kristalina Georgiewa hiess es nur, dass man weiter verhandeln würde.

Trump fand zwar warme Worte für Milei: «Wir sind sehr stolz auf dich!» Doch er erwähnte weder Hilfen noch Unterstützung für den Libertären in Buenos Aires.

Sieben Mal schon war Milei in den dreizehn Monaten seiner Amtszeit zu Trump, Musk und Co. in die USA gereist. Doch Musk hat nicht, wie von Milei erhofft, ein KI-Zentrum in Argentinien oder eine Batterieproduktion angekündigt. Diese könnte in dem Land mit einer der höchsten Lithiumreserven weltweit durchaus Sinn ergeben.

Daniel Noboa aus Ecuador war einer der drei lateinamerikanischen Präsidenten, die an Trumps Amtseinführung teilnahmen. Vor den Stichwahlen für das Präsidentenamt Mitte April hat der junge Politiker und Sohn des reichsten Unternehmers des Landes den USA die Wiedereröffnung ihres Militärstützpunktes am Pazifik angeboten. Unter dem linken Präsidenten Rafael Correa musste das amerikanische Militär 2009 Ecuador verlassen. Noboa verspricht sich davon eine bessere Verhandlungsbasis mit Trump und Vorteile im Kampf gegen die Drogenkriminalität im Land – und Stimmen bei der Wahl.

Ähnlich geht Nayib Bukele, der Präsident von El Salvador, vor: Er hat Donald Trump angeboten, deportierte Strafgefangene aus den USA in seinen neu errichteten Mega-Gefängnissen unterzubringen – als Teil eines grösseren Kooperationsabkommens im Bereich Migration und Kriminalität.

Bukele braucht ein harmonisches Verhältnis mit den USA: Die Wirtschaftsleistung des Landes hängt zu fast 30 Prozent von den Geldüberweisungen von Migranten aus den USA ab. Fallen die aus oder reduzieren sich massiv, dann droht El Salvador eine schwere Wirtschaftskrise.

Doch auf Trumps Loyalität ist wenig Verlass. Das musste auch Bolsonaro erfahren. Der Brasilianer pries den US-Präsidenten stets als sein grosses Vorbild. Doch dieser verhängte im März 2018 hohe Strafzölle auf brasilianische Stahlexporte in die USA, als es ihm politisch opportun erschien. Am Ende einigte man sich auf begrenzte zollfreie Importquoten.

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