Mittwoch, Januar 15

Autos fliegen durch die Luft, und chemische Substanzen entziehen den Gewitterwolken die Kraft: Die Filmemacher haben ein Märchen in viele realistische Details gepackt.

Die Wissenschafterin Kate Carter und der Tornadojäger Tyler Owens stehen nebeneinander und betrachten prüfend die Haufenwolken. Welche der Wolken entwickelt sich wohl zu einem stattlichen Gewitter und produziert einen Tornado? Carter und Owens trauen sich nicht über den Weg, darum versuchen sie sich im Gespräch gegenseitig in die Irre zu schicken. Doch schon bald gehen sie gemeinsam auf die Pirsch nach den zerstörerischen Wolkenrüsseln.

Die Szene stammt aus dem Hollywoodfilm «Twisters», der seit Mitte Juli in den Kinos läuft. Die Beziehung zwischen der ernsthaften Meteorologin und dem draufgängerischen «Sturmjäger» ist nur einer von vielen Erzählsträngen. Die eigentliche Attraktion des Films stellt das Naturphänomen der Tornados dar. Man fragt sich nach dem Kinobesuch, was echt ist und was Phantasie. Hier sind die Antworten.

Wie bilden sich eigentlich Tornados?

Es gebe mehrere Entstehungsmechanismen bei Tornados, sagt Felix Dietzsch vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach. In der Regel hätten sie mit Gewittern zu tun – mit einzelnen Gewitterwolken oder mit mehreren Gewittern, die in einer Linie verbunden seien. Das Zauberwort, das immer fällt, wenn es um die Bildung von Tornados geht, heisst Rotation.

Um so kräftige Exemplare der Luftwirbel zu erzeugen, wie sie in «Twisters» zu sehen sind, reicht ein gewöhnliches Gewitter nicht aus. Dazu muss es eine spezielle rotierende Gewitterzelle sein – eine sogenannte «Superzelle», wie sie im Film mehrfach gezeigt wird.

Das Besondere an diesem Gewittertyp: Aufwind und Abwind sind räumlich voneinander getrennt, so dass sie sich nie in die Quere kommen und gegenseitig abbremsen. Dadurch bleibt eine Superzelle lange bestehen, manchmal stundenlang.

Eine Superzelle bildet sich vor allem dann, wenn zusätzlich zu den üblichen Zutaten von Gewittern – starke Temperaturabnahme mit der Höhe; schwüle Luft, die aufsteigt – noch eine weitere Bedingung erfüllt ist: Der Wind nimmt mit der Höhe zu. Diese Bedingung ist notwendig, damit die Luft in dem Gewitter zu rotieren beginnen kann. Oft ändert sich zusätzlich mit der Höhe auch die Windrichtung.

Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, kommt es darauf an, wie das Gewitter die Luftwirbel beeinflusst, die sich in Bodennähe befinden. Viele dieser Wirbel haben eine horizontale Drehachse. Die Superzelle kippt einen dieser Wirbel durch ihre Auf- und Abwinde in die Vertikale. Anschliessend verstärkt dieser Luftwirbel sich noch, indem er sich in die Länge streckt. «Pirouetteneffekt» nennen Meteorologen das – in Anlehnung an den Eiskunstlauf. Sobald der Wirbel den Boden berührt, ist ein Tornado entstanden.

Welche Rolle die Reibung der Luft am Boden für die Tornados spiele, müsse noch genauer erforscht werden, sagt Pieter Groenemeijer vom European Severe Storms Laboratory, einer gemeinnützigen Forschungsorganisation mit mehreren Standorten in Europa. Die Vermessung von Tornados sei allerdings sehr anspruchsvoll. Darum liessen sich Simulationen mit Rechenmodellen oft nicht bis ins Letzte überprüfen. Auch die genaue Vorhersage von Tornados bleibe deshalb sehr schwierig.

Warum wirken in den Luftwirbeln so zerstörerische Kräfte?

Auf Häuser, Gegenstände oder Menschen, über die ein kräftiger Tornado hinwegzieht, wirken hohe Druckkräfte. Sie kommen einerseits durch die enormen Windgeschwindigkeiten zustande, andererseits durch starke Unterschiede des Luftdrucks.

In einem schwachen Tornado weht der Wind nicht schneller als in einem Sturm oder Orkan. Sehr starke Tornados erreichen jedoch Windgeschwindigkeiten weit über 300 Kilometer pro Stunde, der Wind weht also noch kräftiger als in einem Nordseeorkan oder einem tropischen Wirbelsturm.

In einem Fall sei mit einem Radargerät sogar eine Geschwindigkeit von ungefähr 500 Kilometern pro Stunde gemessen worden, erzählt Groenemeijer. Diese Geschwindigkeit wurde allerdings nur über einen Zeitraum von einem Sekundenbruchteil festgestellt.

Die Kraft, die der Wind auf eine Fläche ausübt, wächst mit dem Quadrat der Windgeschwindigkeit. Verdreifacht sich die Windstärke, verneunfacht sich also der Druck. Zusätzlichen Schaden können herumfliegende Gegenstände anrichten, die der Wind auf Gebäude katapultiert.

Der Luftdruck im Inneren eines Tornados kann zudem einen Zehntel bis einen Fünftel niedriger liegen als ausserhalb. Dies genau zu messen, sei allerdings schwierig, weil die Geräte den Kräften nicht standhielten, sagt Dietzsch.

Da der Druck innerhalb weniger Sekunden absinkt, wenn ein Tornado darüberzieht, explodiert ein schwach konstruiertes Gebäude geradezu. Der Film zeigt, wie der Unterdruck Staub und Dreck aus Gebäuden heraussaugt. Das sei sehr schön animiert worden und man könne es auch in Wirklichkeit beobachten, sagt der Meteorologe.

Im Inneren eines Tornados tritt ausserdem ein Sog in die Höhe auf. Man hat durchaus schon in der Realität beobachtet, dass Autos, Tiere oder Menschen von einem Tornado angehoben und Hunderte Meter durch die Luft verfrachtet wurden – nicht nur in der Traumwelt von Hollywood.

Lassen sich Tornados mit technischen Mitteln verhindern?

In dem Film «Twisters» schiessen die Protagonisten tonnenweise das Salz Silberjodid in die Wolken, um einen Tornado aufzulösen. Dies sei nicht realistisch, sagen Fachleute unisono.

Silberjodid regt zwar grundsätzlich die Bildung von Niederschlag an, und zusätzlicher Regen würde die Gewitterwolke in der Tat schwächen. Doch die im Film eingesetzten Materialmengen reichen bei weitem nicht aus.

«Die paar Fässer sind zu wenig, um etwas zu bewirken», sagt Dietzsch. Dafür seien solche Gewitterzellen und die Energiemengen, die umgesetzt würden, einfach zu gross. Das zweite Problem sei die Zeit. Um einen Effekt zu sehen, müsste das Silberjodid mehrere Stunden vorher in die Wolke eingebracht werden.

Selbst dann wäre nicht sicher, dass die Methode funktioniert. Man wisse, dass Silberjodid in einer flachen Schichtwolke ein wenig Regen bringen würde, sagt Groenemeijer. Aber in einer Superzelle könne der Aufwind eine Geschwindigkeit von mehr als 300 Kilometern pro Stunde erreichen. «Dann ist das, was der Wolke ‹geimpft› worden ist, schnell wieder aus der Wolke raus», sagt er.

Stellt der Film die Tornados und die Sturmjäger richtig dar?

Felix Dietzsch war selbst schon mehrmals in den USA zum «Chasen», wie er sagt – also zum Jagen von Tornados. Ein Grossteil der «Stormchaser» seien wie im Film dargestellt Nerds, das gehöre dazu. Die Streitereien im Film seien aber völlig übertrieben, die Leute gingen vielmehr «supernett» miteinander um. Es gebe allerdings durchaus Chaser, die Vorwürfe wegen rücksichtslosen Fahrens zu hören bekämen. Er vermutet, dass eine Hauptfigur des Films, Tyler Owens, an den amerikanischen Meteorologen und Stormchaser Reed Timmer angelehnt ist.

Generell sind Fachleute angetan von dem Film. Die meisten meteorologischen Details gibt er richtig wieder. Zum Beispiel wird erwähnt, dass man einem Tornado nicht ansieht, welche Intensität er hat. Eine Menge Lob erhalten die Visualisierungen. Gut sei auch, dass die Schutzräume genannt worden seien, sagt Groenemeijer. Das trage zum öffentlichen Bewusstsein für die Gefahr bei.

Die grosse Ausnahme von dem Realismus ist nur die Geschichte von der Manipulation des Tornadowetters – sie entspringt der Phantasie Hollywoods.

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