Montag, November 25

Bisher ist nicht erwiesen, dass chemische Substanzen aus Plastikverpackungen Erkrankungen auslösen. Ein Toxikologe meidet dennoch Kunststoff – erklärt aber auch, was noch viel wichtiger ist als die Verpackung.

Leserfrage: Ich nutze Plastikbehälter, um meine Essensreste aufzubewahren. Schadet das meiner Gesundheit?

Wohl & Sein antwortet

In der Rubrik «Wohl & Sein antwortet» greifen wir Fragen aus der Leserschaft rund um Gesundheit und Ernährung auf. Schreiben Sie uns an wohlundsein@nzz.ch.

Tupperware, Frischhaltefolie und PET-Flaschen: In den meisten Küchen sind Behälter und Verpackungsmaterial aus Kunststoff zu finden.

Gesetzlich geregelt ist, welche Stoffe für Verpackungen von Lebensmitteln verwendet werden dürfen. Zudem haben die Behörden einen sogenannten maximalen Migrationswert bestimmt. Damit ist gemeint, in welchem Ausmass chemische Substanzen aus dem Kunststoff in die Lebensmittel übergehen dürfen.

Aber was kann überhaupt von Verpackungen in Lebensmittel gelangen? Kurz gesagt: Mikroplastik und Zusatzstoffe.

Nach längerem Gebrauch können sich Teile von Mikroplastik aus dem Kunststoff lösen. Die Mengen seien allerdings so gering, dass dies wohl nicht zu gesundheitlichen Problemen führe, sagt Martin Wilks, emeritierter Professor und Direktor des Schweizerischen Zentrums für Angewandte Humantoxikologie an der Universität Basel.

Neue Untersuchungen legen zudem nahe, dass Wasser in Kunststoffflaschen winzige Nanoplastikteilchen enthalten kann. Ob diese aus der Flasche oder aus der Wasseraufbereitung stammen und wie gefährlich sie für die Gesundheit sind, ist gemäss Wilks allerdings bis jetzt nicht geklärt. Er sagt: «Kritischer als solche Plastikteilchen sind sicher Zusatzstoffe, die dem Kunststoff bei der Herstellung zugefügt werden.»

Dazu gehören Weichmacher, die den Kunststoff weniger spröde machen, oder Substanzen, die das Material vor UV-Licht schützen. Auch sie können migrieren. Bisphenol A (BPA) etwa hat sich in Zell- und Tierversuchen in hohen Dosen als gesundheitsschädlich erwiesen. Es kann unfruchtbar machen und gilt als krebserregend.

Allerdings wurden in den Experimenten Dosierungen verwendet, die weit über das hinausgehen, was Menschen im Alltag abbekommen. «Der Migrationsgrenzwert ist so tief angesetzt, dass für unsere Gesundheit nach gängiger Lehrmeinung keine Gefahr droht», sagt Wilks und ergänzt: «Auch in den wenigen Studien mit Menschen konnten bisher keine Konzentrationen im Körper festgestellt werden, die besorgniserregend sind.» Denn so wie Mikroplastik werden auch Zusatzstoffe vom Körper mehrheitlich wieder ausgeschieden.

Hormonähnliche Wirkung

Doch es bestehen noch Unsicherheiten und Forschungslücken. Das betrifft laut Wilks besonders diese Frage: Welche Auswirkungen können niedrige Dosen von Zusatzstoffen haben, die in Lebensmittel übergehen? Dies zu untersuchen, ist wichtig, da manche Zusatzstoffe gemäss Wilks eine hormonähnliche Wirkung haben.

Zusatzstoffe aus dem Kunststoff könnten dort gefährlich werden, wo Hormone an der Krebsentstehung beteiligt sind – etwa bei Brust- und Prostatakrebs.

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In manchen Studien wurden Korrelationen, also Zusammenhänge, zwischen der Häufigkeit dieser Krebsarten und der Aufnahme von Zusatzstoffen aus Kunststoff gezeigt. Allerdings zeigt eine Korrelation noch keine Kausalität, also keine Verbindung von Ursache und Wirkung. «Um eine solche nachzuweisen, brauchte es grössere Datensätze», so Wilks.

Plastik vermeiden, wo es geht

Grund für Alarmstimmung gibt es aus der Sicht des Toxikologen Martin Wilks nicht: «Bis heute gibt es keine Krankheit, bei der ein klarer Zusammenhang mit Kunststoffverpackungen nachgewiesen ist.» Trotzdem rät er: «Es lohnt sich, wenn immer möglich, auf Kunststoffverpackungen zu verzichten – auch der Umwelt zuliebe.»

Er selbst setze im eigenen Haushalt vor allem auf Glas, da dieses keine Zusatzstoffe enthalte.

Falls Kunststoff doch zum Einsatz kommt, hat der Toxikologe folgende Tipps: Je länger ein Lebensmittel darin gelagert wird, desto eher lösen sich Zusatzstoffe aus der Verpackung. Ausserdem sind fetthaltige und saure Lebensmittel eher in der Lage, Substanzen aus der Verpackung zu lösen. Es ist deshalb keine gute Idee, einen fetthaltigen Camembert wochenlang in Plastikfolie im Kühlschrank zu lagern. Auch Essiggurken sollte man besser im Glas aufbewahren.

Dasselbe gilt für kohlensäurehaltige Getränke. Sie werden oft in PET-Flaschen verkauft. Handlungsspielraum hat, wer zu Hause selbst Wasser mit Kohlensäure versetzt. Dazu kann man Glas- statt Kunststoffflaschen verwenden.

Verhindern sollte man zudem, warme Speisen in Kunststoffbehälter zu geben. Auch dann lösen sich mehr Substanzen.

Grundsätzlich betont der Toxikologe Wilks: «Krankheiten werden selten durch einen einzigen Faktor ausgelöst. Insofern können chemische Substanzen zwar mitspielen, aber es gilt den Blick aufs Ganze zu richten.» Entscheidender als die Verpackung sei, was wir ässen. «Eine gesunde Ernährung hat den grösseren Effekt als jeder Verzicht auf Verpackungen aus Kunststoff.»

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