Schon im Mai sorgten Fussball-Ultras mit Schulbesuchen für Schlagzeilen.
Der «Chlaustag» des Jahres 2024 wäre im Stadtzürcher Schulhaus Schütze wohl so manchem Schulkind in Erinnerung geblieben. Nicht des Samichlaus und Schmutzlis wegen, eine ganz andere Delegation hatte sich angekündigt: Der FC Zürich wollte auf Schulbesuch kommen.
Laut einem Flyer sollten Vereinspräsident Ancillo Canepa zusammen mit dem Sportchef und zwei Spielern am Freitag das Schulhaus im Industriequartier besuchen. Dies nur wenige Monate nachdem eine Schulaktion von FCZ-Fans bei der Stadt für Kritik gesorgt hatte.
Zudem hat sich in den letzten Wochen der Konflikt zwischen den beiden Stadtrivalen FCZ und GC wieder zugespitzt. So kam es zu tätlichen Angriffen von FCZ-Anhängern auf GC-Fans. Umgekehrt sollen Ultras der Grasshoppers in einer S-Bahn randaliert haben.
Der Besuch wäre mitten in diese angespannte Situation gefallen. Das registrierte man irgendwann auch im Schuldepartement. Am Donnerstag wurde der Aktion im letzten Moment der Stecker gezogen.
Auf der Kurznachrichtenplattform X schreibt der FCZ: «Auf Empfehlung von Stadtrat Filippo Leutenegger haben wir diesen Besuch in Anbetracht der derzeitigen Situation auf das kommende Jahr verschoben.»
Das Schuldepartement bestätigt dies auf Anfrage der NZZ, will zur Angelegenheit aber nicht weiter Stellung nehmen.
Was den Schulbesuch angeht, äussert sich FCZ-Präsident Ancillo Canepa auf X: Ihm tue es vor allem für die vielen Schulkinder leid, die sich sehr auf den Besuch gefreut hätten. Canepa: «Es wäre für uns auch eine gute Gelegenheit gewesen, sie für das Thema ‹anständiges Verhalten von Fussballfans› zu sensibilisieren. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.»
Hintergrund des Schulbesuchs war eine Crowdfunding-Kampagne für das neue FCZ-Museum. Da das alte Museum den bisherigen Standort verlassen muss, soll ein neues gestaltet werden, das die über 125-jährige Geschichte des Klubs thematisiert. Auf der Crowdfunding-Plattform Wemakeit sind dafür über 58 000 Franken zusammengekommen.
Den Spendern winkten verschiedene Belohnungen. Eine davon war ein Schulbesuch durch zwei Spieler, den Sportchef und den Präsidenten. Dieser war für 1000 Franken zu haben und wurde vom Vater eines Schülers des Schulhauses Schütze gekauft. Ganz im Gegensatz zum «Abendessen mit dem Präsi-Ehepaar», das für 5000 Franken zu haben gewesen wäre.
Wenn Ultras plötzlich Fussbälle verteilen
Schulbesuche von Fussballvereinen bzw. deren Anhängern sorgten dieses Jahr bereits für Schlagzeilen. So besuchten Mitte Mai Vertreter der «Südkurve» gegen 70 Schulhäuser in der Stadt und verteilten rund 1000 Fussbälle mit dem Südkurve-Logo an die Kinder.
Die Guerillaaktion war weder mit den Schulleitungen noch mit den Behörden abgesprochen. Und dies, obwohl die Sache bewilligungspflichtig gewesen wäre. «Damit verstiessen die FCZ-Fans gegen die Hausordnung», schrieb der Stadtrat später auf eine parlamentarische Anfrage zum Thema.
Man habe damals jedoch auf eine Strafanzeige verzichtet, da es sich nicht um einen strafbaren Hausfriedensbruch gehandelt habe.
Der Schulvorsteher Filippo Leutenegger äusserte sich dennoch verärgert: «Wir wussten nichts von der Aktion der Südkurve. So etwas hat es noch nie gegeben und darf nicht vorkommen», sagte er im «Blick». Das Schul- und Sportdepartement habe nach der Verteilaktion beim FCZ die dringende Bitte deponiert, eine solche illegale Aktion in Zukunft zu verhindern.
Gemeinderat sagt: Aktion hatte «etwas Sektenhaftes»
Der SVP-Gemeinderat Stefan Urech hatte im Sommer den Vorstoss zur Südkurven-Aktion eingereicht. Urech sagt, er sei positiv überrascht, dass Leutenegger nun interveniert habe. Auch dass Stadtrat Daniel Leupi (Grüne) vergangene Woche im Amtsblatt eine kritische Kolumne an die FCZ-Anhänger gerichtet hatte, begrüsst Urech.
Bisher habe der Stadtrat immer mit «Schulterzucken» auf die gesteigerte Fanrivalität reagiert. «Nun hat auch der Stadtrat realisiert, dass das Thema endlich ernst genommen werden muss», sagt Urech.
Er findet es grundsätzlich in Ordnung, dass Fussballklubs Schulbesuche abhalten. «Aber diese Aktion wäre beim gegenwärtigen aufgeheizten Klima unangebracht gewesen. Für mich hatte das etwas von einer Provokation», sagt Urech. Der Verein habe ja gewusst, welche Wellen die Südkurven-Aktion geschlagen habe.
Urech sagt weiter, es habe etwas «Sektenhaftes», wenn ein Klub bereits Unterstufenschüler beeinflussen wolle. Bei ihm hätten sich Eltern gemeldet, deren Kinder sich nicht mehr mit einem GC-Leibchen in den Sportunterricht wagten.
Urech hat auch eine Idee, wie solche Schulbesuche künftig aussehen sollten: FCZ und GC könnten dies gemeinsam tun.