Montag, Januar 20

Eigentlich hat die «Maga»-Bewegung den falschen Slogan gewählt. Amerikas Wirtschaft ist schon «great». Die Vereinigten Staaten müssen aufpassen, dass sich dies mit den problematischen Teilen von Trumps Wahlkampfprogramm nicht ändert.

Es sind grosse Fragen, die sich diese Woche anlässlich von Donald Trumps Amtseinführung und der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos besonders dringlich stellen. Ist «Maga», «Make America great again», mehr als ein Slogan? Wird Donald Trumps zweite Amtszeit für die wirtschaftliche und politische Stärke der Vereinigten Staaten und des Rests der Welt tatsächlich vieles verändern? Oder gar der Nachkriegsordnung den Todesstoss verleihen?

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Tatsache ist, dass sich wieder alle Augen und Ohren darauf richten, was für grosse Pläne ein Mann verkündet, der Unberechenbarkeit und Abschreckung zu seinem Prinzip erhoben hat.

Seine bisherigen Verlautbarungen und personellen Entscheide lassen vermuten, dass der gewiefte Selbstdarsteller diesmal besser vorbereitet ist als vor acht Jahren, der amerikanischen Wirtschaft mit einer Pro-Business-Agenda zu weiterem Aufschwung zu verhelfen. Damit will er die dominante Stellung Amerikas in der Welt verstärken. Als Gradmesser seines Erfolgs wird er seinen Blick erfahrungsgemäss auf die Börse richten.

Kurzfristig wenig Einfluss

Damit ist es nur natürlich, dass auch die Anleger an den Aktienmärkten gebannt darauf schauen, was im Weissen Haus passiert. Aber wie hat die Börse auf Trumps Wahl reagiert?

Betrachtet man die Börsenreaktion der wichtigsten beiden amerikanischen Aktienindizes am Tag der Wahl und am Tag danach, so blieb diese im Durchschnitt der vergangenen 15 Präsidentschaftswahlen seit 1968 erstaunlich unbekümmert. Anfängliche Gewinne wurden am Folgetag oft wieder zunichtegemacht, im Durchschnitt verblieb beim breiten Aktienindex S&P 500 ein Plus von 0,2 Prozent. Wer als US-Präsident gewählt wurde, machte in den Augen der Anleger für ihre Gewinnaussichten also oft kaum einen Unterschied.

In letzter Zeit hat sich das allerdings geändert, zum Positiven und zum Negativen. Ganz besonders war dies diesmal bei Donald Trump der Fall. Der S&P-500-Index machte einen Sprung von 3,8 Prozent (bei Trumps erster Wahl im Jahr 2016 waren es nur 1,6 Prozent gewesen). Noch stärker reagierte diesmal mit einem Plus von 4,4 Prozent der technologielastige Nasdaq Composite.

Die Anleger erhoffen sich diesmal also von Trump kurzfristig einen noch verstärkten Wirtschaftsaufschwung. Allerdings war dies beim Sieg von Joe Biden über Trump 2020 sogar noch etwas stärker der Fall und ist das Verdikt über denselben Biden nun primär wegen der hohen Teuerung der vergangenen Jahre verheerend ausgefallen.

Beneidenswert gute Ausgangslage

Dabei befindet sich die amerikanische Wirtschaft zum Ende von Bidens Präsidentschaft in deutlich besserer Verfassung als die europäische. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat soeben seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr für die USA um 0,5 Prozentpunkte auf 2,7 Prozent angehoben. Gleichzeitig senkte er diejenige für den Euro-Raum um 0,2 Prozentpunkte auf bloss noch 1,0 Prozent.

Der Inflationsdruck ist zwar gesunken, doch sieht es in den USA nicht danach aus, dass die Teuerung der Konsumentenpreise, die Hauptsorge vieler Amerikaner, bald dauerhaft unter 2 Prozent fallen wird. Das Zinsniveau dürfte deshalb noch eine Weile höher als in Europa bleiben, was für einen starken Dollar spricht.

Der IWF ist bei seinen Prognosen davon ausgegangen, dass es zu keinen grossen Politikänderungen kommt. Doch die positive Einstellung der Märkte basiert auf der Erwartung, dass Trump mit tieferen Unternehmenssteuern, Bürokratieabbau und Deregulierung sowie einem Tech-freundlichen Umfeld dafür sorgen wird, dass der wirtschaftliche Aufschwung anhält und die Unternehmensgewinne noch weiter in die Höhe treiben wird. Dass sich so die bereits viel zu hohen Defizite der öffentlichen Hand kaum vermindern werden, scheint Trumps Mannschaft vorerst nicht zu beunruhigen. Dafür gibt es ja die in Aussicht gestellten erhöhten Zolleinnahmen und Elon Musks Effizienzprogramm.

Die Anleger scheinen Trump dies vorerst abzunehmen. Doch gleichzeitig sind die Unsicherheit und die Risiken gestiegen. Seit den Präsidentschaftswahlen hat sich der amerikanische Aktienmarkt auf hohem Niveau seitwärts entwickelt – ähnlich wie der globale Durchschnitt. Verloren haben die Schwellenländer, allen voran China. Der amerikanische Protektionismus schmälert deren Exportaussichten, und der starke Dollar, verbunden mit hohen Zinsen, erhöht die Schuldenlast.

Werden also die nächsten vier Jahre tatsächlich «Maga»? Die USA prosperieren und werden stärker, während die übrigen entwickelten Länder Mühe haben, sich an die neue Lage anzupassen, und China und die übrigen Schwellenländer den Anschluss verlieren?

Es drohen fundamentale Erschütterungen

Das wäre sicher Trumps Wunschszenario. Doch sollte der 47. Präsident der USA seine vielen Ankündigungen und Drohungen diesmal umsetzen, könnte dies die Nachkriegsordnung fundamental verändern und die Weltwirtschaft erschüttern.

Das sind die Risiken

  • Internationale Arbeitsteilung: Wirtschaftsfreundliche Kreise beteuern zwar, Zollerhöhungen seien für Donald Trump nur ein Drohmittel auf dem Weg zu bilateralen Einigungen auf einen liberalen, «faireren» Freihandel. Doch die Äusserungen von Trump und seinen Handelspolitikern atmen einen zutiefst merkantilistischen Geist. Warenimporte sind negativ, Exporte positiv. Ob deutsche Autobauer oder japanische Stahlproduzenten: Ausländische Wettbewerber werden als Blutsauger und Profiteure verunglimpft. Die Merkantilisten glauben, Zölle würden der eigenen Wirtschaft helfen und die betroffenen Ausländer belasten. Dabei bezahlen die Zölle in erster Linie die einheimischen Verbraucher, inklusive der Firmen, die für ihre Produkte ausländische Vorleistungen benötigen. Mittelfristig führt hoher Zollschutz dazu, dass Firmen in den USA produzieren, die weltweit nicht mehr zu den besten zählen. Sie beschäftigen Arbeitskräfte und Kapital, die effizienter eingesetzt werden könnten. Das würde Amerikas Wirtschaft und Produktivität nicht stärken, sondern schwächen. Trumps Handelspolitik droht die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung zunichtezumachen und regionale Blöcke voneinander abzukoppeln. Je stärker das Ausland mit Vergeltung reagiert, umso mehr.
  • Wettbewerb: Eine protektionistische Handelspolitik schwächt den Wettbewerb. Auch die Nähe Trumps zu grossen, ihm wohlgesinnten Unternehmen und Unternehmern droht die Oligopolisierung und Oligarchisierung der US-Wirtschaft zu verstärken. Doch wenn grosse Konzerne statt in Innovation in Lobbying investieren, um vor Konkurrenz geschützt zu werden, flaut die Innovationsgeschwindigkeit der Wirtschaft ab. Zudem steigt die Gefahr, dass staatliche Mittel in eine ineffiziente Industriepolitik fliessen, die regierungsnahen Grosskonzernen hilft, statt wissenschaftliche und technologische Durchbrüche zu erleichtern. Auch der von der Administration Biden ebenso wie von Trump propagierte Ansatz, durch Protektionismus und Sanktionen Wettbewerber wie China kleinhalten zu wollen, ist risikoreich. Chinas eindrücklicher Aufstieg zur Tech-Grossmacht erklärt sich nicht zuletzt durch den von der Regierung geförderten, extrem starken Wettbewerbsdruck, dem chinesische Tech-Firmen ausgesetzt sind. Sollte Pekings Führung so weise sein, auf amerikanischen Protektionismus und Sanktionen nicht primär mit Gegenmassnahmen zu antworten, könnte dies den chinesischen Aufholprozess sogar noch beschleunigen. Das Risiko besteht, dass abflauender Wettbewerb die US-Wirtschaft bremst, während China auf Offenheit, Wettbewerb und multilaterale Regeln setzt. Dasselbe gilt für Europa.
  • Wechselkurs: Unter Zöllen leidende Exportländer können einen Teil ihrer Wettbewerbsfähigkeit zurückerlangen, wenn ihre Währung schwächer wird. Dies dürfte ihnen umso leichter fallen, als der Inflationsdruck und die amerikanische Schuldenwirtschaft die US-Zinsen hoch und den Dollar stark halten. Allerdings könnte dies international rasch in eine Spirale kompetitiver Abwertungen münden. Vorwürfe und Spannungen wegen angeblicher Währungsmanipulation liessen kaum lange auf sich warten. Trumps Regierung könnte versucht sein, dem mit der Forderung nach Gentlemen-Agreements zur Schwächung des Dollars entgegenzuwirken, wie man dies in den 1980er Jahren zum Verdruss Japans mit dem Plaza-Abkommen versuchte.
  • Regulierung: Die im Vergleich zur EU laxere Regulierung und die stärkere Unterstützung des Tech-Sektors erklären einen guten Teil der höheren Produktivität der US-Wirtschaft. Nun erwartet auch die Krypto-Branche unter Trump Aufwind. Der breite Einsatz künstlicher Intelligenz, die Digitalisierung von Währungen und Wertschriften als Token oder smarte Kontrakte auf der Blockchain haben alle das Potenzial, die Wirtschaft fundamental zu verändern und deren Produktivität zu erhöhen. Doch die neuen Technologien bringen auch die Gefahr unerwünschter Machtkonzentration und des Missbrauchs mit sich. Sollte es mangels Regulierung zu grossen Manipulationen und Betrugsfällen kommen, könnte dies die betroffenen Branchen in den USA auch zurückwerfen.
  • Umwelt: Trotz der willkommenen Abkehr von unrealistischen Zielen dürfte der Druck, energieeffizienter zu werden und umweltfreundlicher zu produzieren, weltweit anhalten. Sollte Trump einseitig auf fossile Brennstoffe setzen und die Anreize für Green Tech beseitigen, könnte die US-Wirtschaft ihre führende Rolle in dem Bereich an China und Europa verlieren.
  • Migration: Die Fähigkeit, trotz einem in der Breite eher mediokren Bildungswesen immer wieder die besten Köpfe an Spitzenuniversitäten und in führende Konzerne anzuziehen, gehört zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren der USA. Der in grossen Teilen der Maga-Bewegung verbreitete Nationalismus stellt dies infrage. Sollte Trump zudem Ernst machen mit dem Plan, massenweise illegal in die USA gelangte Einwanderer aus dem Land zu schaffen, müsste dies in den Niedriglohnbranchen zu einem akuten Mangel an Arbeitskräften führen.
  • Inflation: Höhere Einfuhrzölle und weniger Arbeitskräfte verteuern das Angebot; eine sehr expansive schuldenfinanzierte Fiskalpolitik stimuliert die Nachfrage. Das sich abzeichnende Ungleichgewicht stärkt vor allem den Inflationsdruck; was die Preise wieder steigen lassen könnte.

«Make America great again» – eigentlich zieht Donald Trump mit dem falschen Slogan wieder ins Weisse Haus ein. Die amerikanische Wirtschaft ist schon beneidenswert «great». Doch Trump sollte die Risiken seiner Politik nicht übersehen. Er täte gut daran, sich in Zurückhaltung zu üben und den Erfolg der US-Wirtschaft nicht mit allzu disruptiven Handlungen zu gefährden. Doch Zurückhaltung ist bekanntlich Donald Trumps Stärke nicht. Die Märkte sollten sich auf unsichere Zeiten gefasst machen.

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