Donnerstag, Oktober 10

Indien hält ein grosses multinationales Luftwaffenmanöver ab. In der ersten Runde nehmen europäische Staaten teil, in der zweiten sind die Quad-Mitglieder USA und Australien dabei. Sie wollen enger mit Indien kooperieren – auch im Rüstungsbereich.

Eurofighter im indischen Luftraum sind selten, doch in den vergangenen Tagen waren die Kampfjets aus mehreren europäischen Ländern am Himmel über Südindien zu sehen. Die Flugzeuge aus Deutschland, Frankreich und Spanien waren von Alaska, wo sie ihr Übungsprogramm begonnen hatten, bis nach Tamil Nadu gekommen. Anfang August landeten sie auf der südindischen Militärbasis Sulur. Auch die Briten schlossen sich dem Manöver an. Es ist die erste derartige multinationale Luftwaffenübung seit über sechzig Jahren in Indien.

Das Grossmanöver «Tarang Shakti» findet in zwei Runden bis Mitte September statt. In der ersten Runde übten bis Mittwoch fünf Nationen den militärischen Ernstfall. Neben Eurofightern waren auch französische Rafale-Jets, russische Suchoi Su-30 und indische Tejas des Gastgebers beteiligt. Der Chef der indischen Luftwaffe, Vivek Ram Chaudhari, zeigte sich zuversichtlich, dass das Manöver «zu einem regelmässigen Ereignis im Kalender unserer befreundeten Staaten werden wird».

Namentlich begrüsste er den Inspektor der deutschen Luftwaffe, Ingo Gerhartz. Deutschland hat die Führung im Verbund der europäischen Luftwaffen inne. «‹Tarang Shakti› ist insbesondere für die drei Nationen Frankreich, Spanien und Deutschland Teil eines grösseren Einsatzes», sagte Gerhartz, der schon seit Ende Juni unterwegs ist. Der Unterschied sei nicht so gross wie bei einer Nato-Übung, sagte ein beteiligter deutscher Pilot, doch die Kommunikation sei schwieriger.

Die Sorge über Chinas wachsende Macht verbindet

Dass insgesamt vier Nato-Staaten zu der ersten Runde des Manövers nach Indien gekommen sind, hat auch mit ihrer Sorge über Chinas zunehmende Machtdemonstrationen zu tun. Die europäischen Exportnationen sind auf freie und sichere Handelswege im Indopazifik angewiesen. Indien befindet sich seinerseits in einem permanenten Grenzkonflikt mit China. Der indische Luftwaffenchef Chaudhari versicherte aber, das Manöver richte sich gegen niemanden.

Denn trotz dem angespannten Verhältnis ist die Volksrepublik nach der Europäischen Union Indiens grösster Handelspartner. Die Europäer wiederum suchen zwar die Annäherung an Indien, beobachten aber kritisch dessen freundschaftliche Haltung gegenüber Moskau. Delhi unterhält traditionell enge Beziehungen zu Russland, mit Kritik am Krieg in der Ukraine hält es sich zurück. Etwa drei Viertel seines Waffenarsenals stammen zudem aus Russland.

Allerdings möchte Indien sein Arsenal modernisieren und diversifizieren. Zudem versucht Delhi, Joint Ventures einzugehen, die Arbeitsplätze im Land schaffen. Da verwundert es nicht, dass parallel zu dem Manöver «Tarang Shakti» eine Rüstungsausstellung stattfindet. Die gegenwärtige Lage bietet westlichen Staaten nicht nur die Gelegenheit, Geschäfte zu machen, sondern auch die Möglichkeit, Indien durch Kooperationen im Rüstungsbereich politisch enger an sich zu binden.

Indien ist bis jetzt der grösste Waffenimporteur der Welt. In den vergangenen Jahren bezog es etwa 36 Prozent seiner Waffen aus Russland, 33 Prozent aus Frankreich, 13 Prozent aus den USA und 9 Prozent aus Israel. Seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine kommt Russland seinen Rüstungsverpflichtungen gegenüber Indien allerdings weniger nach. Von der Lücke, die Russland hinterlassen hat, profitiert derzeit vor allem Frankreich.

Europäische Annäherungen

Für Deutschland ist das Manöver eine Premiere: Zum ersten Mal übten die beiden Luftstreitkräfte miteinander in Indien. Die Bundesrepublik möchte im Rahmen ihrer Indopazifik-Leitlinien mehr Präsenz in der Region zeigen und so sicherheitspolitische Beziehungen festigen. Demnächst wird noch ein deutsches Kriegsschiff an der westindischen Küste erwartet. Auch laufen Verhandlungen über ein milliardenschweres U-Boot-Geschäft mit ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS). Zu den Konkurrenten gehört ein Anbieter aus Spanien.

Da Indien derzeit wichtige Plattformen wie Kampfflugzeuge und U-Boote importiere, könnte das Zusammentreffen Grundlage für Rüstungsgeschäfte sein, meint der indische Militärexperte Uday Bhaskar. Die Übung sei auch eine Möglichkeit für Deutschland, sich zu profilieren. Gleichzeitig würden die EU-Staaten mit ihrem Engagement im Indopazifik ein Signal an Washington senden, dass sie bereit seien, dort Verantwortung zu übernehmen.

Für Frankreich ist die «Tarang Shakti»-Übung mehr Routine. Schon seit 2003 findet die bilaterale Luftwaffenübung «Garuda» (und ab 2021 «Shakti») abwechselnd auf indischem und französischem Territorium statt. In Indiens Luftwaffe sind auch Rafale-Jets im Einsatz. Bei einer Ausschreibung Indiens für den Kauf weiterer Kampfflugzeuge setzte sich der französische Rüstungskonzern Dassault gegen ein Konsortium europäischer Unternehmen durch.

Zu der zweiten Runde des Militärmanövers im September werden in Nordindien unweit der Grenze zu Pakistan auch die USA und Australien erwartet. Sie sind ebenso wie Indien und Japan Mitglieder der Quad-Allianz, die 2007 von Tokio ins Leben gerufen und 2017 neu belebt worden war, um China entgegenzutreten. Die umfangreiche Übung zeigt, dass Indien für den Westen zu einem wichtigen strategischen Partner in Asien geworden ist. Militärische Kooperationen sind politisch gewollt, und Delhi kann sich als Regionalmacht profilieren.

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