Dienstag, März 18

Der Bollywood-Blockbuster «Chhaava» hat eine Diskussion über den muslimischen Herrscher Aurangzeb ausgelöst. Die Hindu-nationalistische Rechte versucht bereits seit Jahren, die indische Geschichte umzuschreiben.

Die Kaiser der Mogul-Dynastie sind für die Hindu-Nationalisten schon lange ein Feindbild. Die muslimischen Herrscher, die mehr als drei Jahrhunderte lang grosse Teile Indiens kontrollierten, gelten ihnen als Kolonisatoren und Unterdrücker der Hindus. Für niemanden gilt dies so sehr wie für Aurangzeb (1618–1707), den letzten grossen Mogul-Kaiser. Aus Sicht der Hindu-Nationalisten war er ein grausamer, fanatischer Tyrann, der Hindu-Tempel abreissen liess und die einheimischen Hindus mit Gewalt zwang, zum Islam zu konvertieren.

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Mehrere Politiker der regierenden Bharatiya Janata Party (BJP) fordern nun, das Grabmal von Aurangzeb zu zerstören. Der BJP-Abgeordnete Udayanraje Bhosale bezeichnete den Kaiser als «Dieb und Plünderer», dessen Grab dem Boden gleichgemacht werden sollte. Bhosale ist der Nachfahre des Marathen-Königs Chhatrapati Sambhaji Maharaj, der sich über Jahre einen Guerillakrieg mit Aurangzeb lieferte, bevor er von diesem schliesslich hingerichtet wurde.

Das Grabmal von Aurangzeb befindet sich im Teilstaat Maharashtra und steht als historisches Denkmal unter Schutz. Mehrere Hindu-nationalistische Organisationen drohen jedoch, selbst zur Spitzhacke zu greifen, wenn ihrer Forderung nach Zerstörung des Grabs nicht nachgekommen werde. Maharashtras Chefminister von der BJP behauptete daraufhin, es gebe einen breiten Konsens, dass das Grab zerstört werden sollte.

Eine frühe Form des antikolonialen Widerstands?

Der Auslöser der Kontroverse ist der Blockbuster «Chhaava». Der Bollywood-Film, der in den letzten Wochen Rekorderlöse einspielte, zeigt den Kampf des Hindus Sambhaji gegen den Muslim Aurangzeb. Die letzten, quälend langen vierzig Minuten des Films sind der Folter von Sambhaji gewidmet. Als echter Held ist der Marathen-Führer selbst dann nicht bereit, sich Aurangzeb zu unterwerfen und zum Islam überzutreten, als ihm in einer Art Kreuzigungsszene nach langem Martyrium die Augen ausgestochen und die Zunge herausgerissen werden.

Der Film hat in Indien ein breites Echo ausgelöst, aber gemischte Kritiken erhalten. Selbst für Bollywood-Verhältnisse ist er sehr plump in seiner Aussage und trieft von nationalistischen Pathos. Der Film stellt den Krieg gegen die muslimischen Moguln als Kampf für Swaraj – Selbstherrschaft – dar. Der Begriff wurde von Mahatma Gandhi für den Kampf gegen die britische Kolonialmacht benutzt. Der Kriegszug des Hindu-Königs erscheint so als frühe Form des antikolonialen Widerstands.

In den Medien wurde auch kritisch angemerkt, dass «Chhaava» den Machtkampf zwischen Moguln und Marathen als Krieg zwischen guten Hindus und bösen Muslimen darstelle. Dabei hätten aufseiten Aurangzebs auch viele Hindus gekämpft, während die Marathen mit Muslimen verbündet gewesen seien. Auch Sambhaji habe einst selbst das Bündnis mit Aurangzeb gesucht, als er gegen seinen Vater rebelliert habe. All dies komme in dem Film nicht vor.

Den Nationalisten geht es nicht um historische Genauigkeit

Dem Film geht es aber ebenso wie den Hindu-Nationalisten nicht um historische Genauigkeit. Diese sind seit Jahren bestrebt, die indische Geschichte gemäss ihrer eigenen Weltsicht umzuschreiben. Demnach ist Indien das Land der Hindus, und die Muslime sind fremde Eindringlinge, deren Kultur und Religion keinen Platz im Land haben sollten. Die Mogul-Herrschaft hat Premierminister Narendra Modi wiederholt als «tausend Jahre der Sklaverei» bezeichnet.

Vor drei Jahren haben die Nationalisten zudem die Stadt Aurangabad zu Ehren von Aurangzebs Intimfeind in Sambhajinagar umbenannt. Der Mogul-Kaiser hatte dort während seines jahrelangen Kriegs gegen die Marathen gelebt. Das Grab, das die Nationalisten nun ebenfalls verschwinden lassen wollen, liegt in einem Sufi-Heiligtum in der Nähe der Stadt. Anders als Aurangzebs Mutter Mumtaz Mahal, für die sein Vater das Taj Mahal erbauen liess, ist Aurangzeb unter freiem Himmel beigesetzt. Wer es nicht weiss, wird den Mogul-Kaiser kaum in dem schlichten, unmarkierten Grab vermuten.

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