Freitag, November 22

Dass die indische Finanzmarktaufsicht nichts gegen die Adani Group unternimmt, trifft bei der Opposition auf Kritik. Zugleich sieht sie sich selbst unter dem Verdacht, Bestechungsgeld von dem Milliardär angenommen zu haben.

Die New Yorker Korruptionsklage gegen Gautam Adani wirft in Indien hohe Wellen. Die Opposition beschuldigte Premierminister Narendra Modi am Freitag, den Milliardär zu beschützen. Für Kritik sorgte insbesondere, dass es erst der amerikanischen Staatsanwaltschaft bedurfte, um die Geschäftspraktiken von Adanis Konzern unter die Lupe zu nehmen. Der Oppositionsführer Rahul Gandhi forderte die Festnahme von Adani und rief die Regierung zum wiederholten Mal auf, die Chefin der Finanzmarktaufsicht zu entlassen.

Die Kongress-Partei wirft dem Securities and Exchange Board of India (Sebi) schon länger Untätigkeit vor. Sie kritisiert, dass die Sebi-Chefin Madhabi Puri Buch nicht längst gegen die Adani Group vorgegangen sei. Es ist schliesslich nicht das erste Mal, dass die Adani Group ins Zwielicht gerät. Anfang 2023 hatte die amerikanische Investmentfirma Hindenburg Research für Schlagzeilen gesorgt, als sie der Adani Group dreiste Kursmanipulation und Bilanzbetrug vorgeworfen hatte.

Der Hindenburg-Bericht führte damals zu massiven Kursverlusten der Adani Group, doch hat sich der Konzern seither von dem Imageschaden erholt. Im August legte Hindenburg Research allerdings nach und warf der Sebi-Chefin Buch einen Interessenkonflikt vor, da sie und ihr Ehemann über Offshore-Firmen finanziell an der Adani Group beteiligt seien. Der intransparente Umgang von Sebi mit den Vorwürfen erschütterte zusätzlich das Vertrauen in die Behörde.

Die Vorwürfe aus den USA sind gravierend

Die jetzigen Bestechungsvorwürfe könnten sich allerdings als noch gravierender erweisen. Schliesslich ist es nicht eine Investmentfirma, sondern die New Yorker Staatsanwaltschaft, die sie erhebt. Allem Anschein nach verfügt die Staatsanwaltschaft über konkrete Beweise, dass die Adani Group zwischen 2020 und 2024 in grossem Stil Schmiergeld gezahlt hat, um in Indien überteuerten Solarstrom zu verkaufen. Auch die amerikanische Börsenaufsicht SEC hat in dem Fall einen Zivilprozess gegen die Adani Group eröffnet.

Die Adani Group verlor am Donnerstag 34 Milliarden Dollar an Marktwert. Ihre Tochterfirma Adani Green Energy, die im Zentrum der Vorwürfe steht, musste die Ausgabe von Anleihen in den USA absagen. Kenyas Präsident William Ruto verkündete ausserdem, dass er zwei Milliardenaufträge an Adani zum Betrieb des Flughafens von Nairobi und zur Verlegung von Stromleitung annulliert habe. Insbesondere der Flughafendeal war in Kenya seit langem umstritten.

Wenig überraschend wies die Adani Group die Korruptionsvorwürfe aus New York kategorisch zurück. Die indische Regierung schwieg zunächst dazu, auch die zuständigen Aufsichtsbehörden äusserten sich nicht sogleich. Die Opposition sieht sich dagegen in ihrem Verdacht bestätigt, dass es der Regierung Modi an der nötigen Unparteilichkeit im Umgang mit Adani fehlt. Sie wirft dem Premierminister schon lange vor, eine ungute Nähe zu Milliardären wie Adani zu pflegen.

Modi hat seit seinem Amtsantritt 2014 dem Ausbau der Infrastruktur in Indien hohe Priorität gegeben. Die Adani Group spielt dabei eine zentrale Rolle. Der Konzern, der 45 000 Mitarbeiter in Indien beschäftigt, betreibt dort heute 13 Häfen, 7 Flughäfen und die zweitgrösste Zementfirma des Landes. Mit 6 Kohlekraftwerken ist er der grösste private Akteur in der Stromproduktion, hat aber auch massiv in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert.

Ging das Bestechungsgeld an die Opposition?

Den bisher grössten Auftrag in diesem Kontext erhielt die Adani Group im Juni 2020. Die Solar Energy Corporation of India (Seci), eine staatliche Organisation zur Förderung der erneuerbaren Energien, beauftragte Adani mit dem Bau von Solarkraftwerken mit einer Kapazität von 8 Gigawatt. Allerdings fiel es der Seci, die für die Vermarktung des Stroms zuständig war, schwer, unter den staatlichen Stromfirmen Abnehmer für den teuren Solarstrom zu finden. Laut der New Yorker Anklage bestach die Adani Group daraufhin Beamte der Stromfirmen, um den lukrativen Auftrag zu retten.

Insbesondere soll ein ungenannter Beamter im südindischen Teilstaat Andhra Pradesh 228 Millionen Dollar für seine Zusage erhalten haben, von der Adani Group 7 Gigawatt Strom abzunehmen. In Indien wird nun darüber spekuliert, wer dieser ungenannte Beamte ist. Pikant für die Opposition ist, dass sie Andhra Pradesh bis zu einem Machtwechsel im Mai selbst regiert hat. Der Verdacht liegt daher nahe, dass das Bestechungsgeld an ein Mitglied der Opposition geflossen ist.

Unter Verdacht steht speziell Jaganmohan Reddy von der YSR Congress Party, der bis Mai die Regierung in Andhra Pradesh leitete. Laut Medienberichten traf Reddy persönlich Adani im September 2021. Auch die New Yorker Anklage spricht von einem Treffen im September 2021 zwischen Adani und dem Beamten, der das Bestechungsgeld erhielt. Reddy bestätigte zwar, dass seine Regierung eine Vereinbarung zum Kauf von Solarstrom getroffen habe. Der Vertrag sei aber mit Seci und nicht mit der Adani Group geschlossen worden.

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