Donnerstag, November 14

Jakarta und Peking wollen Ressourcen in umstrittenen Gewässern gemeinsam nutzen. Damit anerkennt Indonesien Chinas Anspruch, obwohl dieser unter internationalem Recht ungültig ist.

In der 16-seitigen gemeinsamen Erklärung, die Indonesiens Präsident Prabowo Subianto und Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping veröffentlicht haben, ist es nur ein Satz: Die beiden Seiten seien übereingekommen, die Gebiete überlappender Ansprüche gemeinsam zu entwickeln, heisst es da.

Die Rede ist vom Südchinesischen Meer. Und darum hat es dieser Satz in sich. «Das bedeutet, dass Indonesien Chinas Nine-Dash-Linie anerkennt», sagt Aristyo Darmawan, Dozent für internationales Recht an der Universitas Indonesia.

Die Nine-Dash-Linie ist unter internationalem Recht ungültig

Die Nine-Dash-Linie ist eine willkürlich gezogene Linie, mit der China seine Ansprüche im Südchinesischen Meer grob umreisst. Das Gebiet überschneidet sich mit maritimen Zonen der Philippinen, Vietnams, Bruneis, Malaysias und Indonesiens.

Ein internationales Schiedsgericht, das die Philippinen angerufen hatten, erklärte diesen Anspruch 2016 für ungültig unter internationalem Seerecht. China boykottierte die Verhandlungen und ignoriert seither das Urteil.

In den letzten Jahren gelang es den Philippinen, zahlreiche Länder dazu zu bewegen, sich explizit oder implizit hinter den Gerichtsentscheid zu stellen. Eine Zusammenstellung der Asian Maritime Transparency Initiative des Center for Strategic and International Studies führt 26 Länder auf, die öffentlich dazu aufgerufen haben, das Urteil zu respektieren. 17 weitere haben dieses positiv aufgenommen. Nur 8 Länder unterstützen die chinesische Position und lehnen das Urteil ab.

Die indonesische Vertretung in New York schrieb 2020 in einem Brief an den Generalsekretär der Uno António Guterres, dass die Nine-Dash-Linie eindeutig keine internationale Rechtsgrundlage habe und einen Verstoss gegen das Seerechtsabkommen von 1982 darstelle.

Wie kam es nun zur Kehrtwende?

Darmawan sagt, er habe von seinen Kontakten im indonesischen Aussenministerium gehört, Prabowo habe bei einem Besuch in China im April spontan den Vorschlag gemacht, die Ressourcen im umstrittenen Gebiet gemeinsam zu nutzen. Die zuständigen Beamten seien schockiert gewesen und hätten versucht, den designierten Präsidenten von seiner Idee abzubringen.

Drei Wochen nach Prabowos Amtsantritt sage das viel über die derzeitige indonesische Aussenpolitik aus, sagt Darmawan: «Prabowo macht, was er will, und hört kaum auf seine Berater.» Das zeige sich darin, dass er mit Sugiono einen Gefolgsmann mit wenig aussenpolitischer Erfahrung zum Aussenminister gemacht habe. Ganz im Gegensatz zu dessen Vorgängerin Retno Marsudi, die eine verdiente Karrierediplomatin gewesen war.

Indonesien schwächt die Position anderer Anrainer im Südchinesischen Meer

Bis jetzt gibt es keine Stellungnahmen der anderen Länder, die mit China im Südchinesischen Meer im Streit liegen. Sie alle anerkennen den mit der Nine-Dash-Linie erhobenen chinesischen Anspruch nicht. Wenn Jakarta dies jetzt tut, schwächt es deren Position gegenüber Peking.

Vor allem in den Philippinen dürfte der indonesische Schritt für viel Unbehagen sorgen. Die Philippinen spüren den chinesischen Druck am stärksten und versuchen sich zu wehren, indem sie die chinesischen Übergriffe publik machen.

An einer Konferenz zum Südchinesischen Meer vergangene Woche in Manila äusserten verschiedene Vertreter die Hoffnung, dass der philippinische Kurs Schule machen könnte. Als nachahmenswertes Beispiel wurde angeführt, dass die indonesische Küstenwache Ende Oktober eine maritime Konfrontation mit China publik gemacht habe.

Damals vertrieben die Indonesier Schiffe der chinesischen Küstenwache, welche in indonesische Gewässer vor den Natuna-Inseln eingedrungen waren. Es handelt sich genau um jenes Gebiet, das China beansprucht und Präsident Prabowo nun mit Peking zu teilen bereit ist.

Aus heutiger Sicht erscheint der Zwischenfall in einem anderen Licht. Es sei auffällig gewesen, dass sich Prabowo nicht dazu geäussert habe, sagt Darmawan: «Dass die Küstenwache den Zwischenfall publik machte, zeigt, dass die Kommunikation zwischen Präsident und Verwaltung offenbar nicht sehr gut ist.»

Indonesien nähert sich wirtschaftlich China an

Prabowos Besuch in China ist seine erste Auslandreise seit seinem Amtsantritt. Sie wird ihn noch in vier weitere Länder führen, darunter die USA, und an die Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft Apec in Peru und der G-20 in Brasilien.

Peking und Jakarta versprachen in der gemeinsamen Erklärung vom Samstag auch, bei Elektrofahrzeugen, Lithiumbatterien und Photovoltaik enger zusammenzuarbeiten. Zusätzlich soll der Tourismus zwischen den beiden Ländern gefördert werden. Insgesamt sollen chinesische Investitionen im Wert von 10 Milliarden Dollar in Indonesien erfolgen.

Die Einwilligung zur gemeinsamen Nutzung der Ressourcen in den umstrittenen Gewässern war offenbar der Preis, den Präsident Prabowo zu bezahlen bereit war. China schlägt solche Kooperationen seit Jahren immer wieder vor. Denn so kann es andere Länder dazu bringen, seinen Anspruch im Südchinesischen Meer anzuerkennen, auch wenn dieser unter internationalem Recht ungültig ist. Mit Indonesien ist dies nun gelungen.

Exit mobile version