Im Fall der Pleite des Immobilien- und Handelskonzerns ist es nun auch zu Strafanzeigen gekommen, weil angeblich kurz vor dem Insolvenzantrag noch hohe Millionenbeträge verschoben wurden. Was droht dem Gründer René Benko?
Der Zusammenbruch des Signa-Imperiums von René Benko wird vermutlich auch zu einem Fall für die Strafjustiz. Gläubiger und Investoren des Immobilienkonzerns haben Ende vergangener Woche bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien eine Anzeige eingereicht und Ermittlungen gefordert, wie die «Financial Times» («FT») schreibt.
In einem 22 Seiten umfassenden Dokument machen sie geltend, dass sie bei der Projektgesellschaft Signa Development «einen beträchtlichen Abfluss von Vermögenswerten in der Höhe von mehr als 662 Millionen Euro an (indirekte) Anteilseigner und Schwestergesellschaften» festgestellt hätten. Dafür gebe es keine wirtschaftliche oder operative Rechtfertigung.
Die «FT» hatte schon vor einigen Tagen berichtet, dass die Signa Development kurz vor dem Insolvenzantrag vom 29. Dezember 300 Millionen Euro an zwei Unternehmen verschoben habe, die unter der Kontrolle der Benko selbst zugerechneten und nach seiner Tochter benannten Laura-Privatstiftung stehen sollen.
Zudem stiessen Datenforensiker offenbar auch bei der Dachgesellschaft Signa-Holding auf auffällig viele Transaktionen, die «zeitlich nahe vor Insolvenzeröffnung» erfolgten. Das ergab der zweite Bericht des Sanierungsverwalters Christof Stapf, welcher der NZZ vorliegt.
«Benko hatte die Zügel in der Hand»
In der Anzeige wird der Signa Development ein «vermutlich vorsätzlicher» Mangel an Transparenz im Vorfeld der Insolvenz vorgeworfen. Die Transaktionen an die beiden von der Laura-Stiftung kontrollierten Unternehmen seien unrechtmässig erfolgt. Ob diese Vorwürfe zutreffen und ob sie strafrechtlich relevant sind, ist offen.
Die Sanierungsverwalterin sagte gegenüber der «Presse», nach aktuellem Erhebungsstand seien die 300 Millionen Euro für Immobilienprojekte der Signa verwendet worden. Es würden derzeit aber alle Zahlungen an nahestehende Gesellschaften überprüft. Die Staatsanwaltschaft habe noch nicht entschieden, ob sie formell Ermittlungen einleite, erklärte ein Sprecher der Zeitung.
Kommt es so weit, gerät mutmasslich auch Benko selbst ins Visier. Er hat zwar seit Jahren keine offizielle Funktion mehr in seinem Konzern. Es heisst aber, dass er diesen dennoch gesteuert habe. Einer der wichtigsten Mitinvestoren der Gruppe, der Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner, bestätigte dies kürzlich in einem ORF-Interview. Benko habe die Zügel in der Hand gehabt und in Managemententscheidungen eingegriffen, erklärte er. «Dazu sollte er auch stehen.»
In diesem Fall stünde Benko als «faktischer Geschäftsführer» auch persönlich in der Verantwortung. Der Tiroler scheint sich jedenfalls vor einer Inhaftierung zu fürchten, wenn man einem Artikel des Boulevardblatts «Kronen-Zeitung» glaubt. Laut diesem haben seine Anwälte der Staatsanwaltschaft eine dreiseitige Äusserung übermittelt, in der sie eine «mehr als irreführende» Medienberichterstattung, ja sogar «mediale Hetze» beklagen.
Unmittelbarer Anlass dafür soll ein Artikel eines ehemaligen Politikers der Grünen auf dem von ihm gegründeten Onlineportal Zackzack gewesen sein. Darin werden unter dem Titel «Muss Benko ins Gefängnis?» diverse Straftatbestände aufgelistet, deren sich der Unternehmer möglicherweise schuldig gemacht haben könnte, darunter Betrug, Insolvenzverschleppung und Steuerhinterziehung. Weil er auch im Ausland Domizile und Vermögen besitze, könnte Benko sich der Strafjustiz durch Flucht entziehen, insinuiert der Text weiter. In solchen Fällen könne Untersuchungshaft verhängt werden.
Benkos Anwälte legen dagegen dar, warum kein Grund für eine Festnahme ihres Mandanten vorliege: Er habe geordnete Lebensverhältnisse und einen festen Wohnsitz in Österreich, zudem habe die Signa zahlreiche unabhängige Berater engagiert, die alle Geschäftsbereiche prüften. Die Annahme, Benko könnte Zeugen oder allfällige Mitbeschuldigte zu beeinflussen versuchen, sei «abwegig». Es bestehe deshalb weder Flucht- noch Verdunkelungsgefahr. Die «Krone» schliesst aus der Eingabe, von der sie auch eine Passage als Faksimile publizierte, dass «beim Immobilienspekulanten die Nerven blank liegen».
Benko könnte Vermögensverhältnisse offenlegen müssen
Bereits vergangene Woche hat die Republik Österreich den Signa-Gründer persönlich ins Visier genommen. Die Finanzprokuratur, die als deren Anwältin agiert, hat beim Gericht in Innsbruck einen Insolvenzantrag gegen Benko gestellt. Laut Medienberichten soll es zum einen um eine offene Steuerforderung gehen, zum anderen darum, dass der Unternehmer seiner Verpflichtung im Sanierungsverfahren der Signa-Holding zum Einschuss von drei Millionen Euro nicht vollumfänglich nachgekommen sei. Die Republik ist selbst auch Gläubigerin der Dachgesellschaft.
Der Insolvenzantrag bedeutet nicht, dass Benko zahlungsunfähig ist, sondern ist taktisch motiviert: Er soll sicherstellen, dass alle Gläubiger in einem solchen Fall gleich behandelt würden und der Immobilienmogul nicht gewisse mit seinem Privatvermögen befriedigt, während andere leer ausgehen. Allfällige derartige Zahlungen könnten auch rückabgewickelt werden, sollte das Gericht eine Insolvenzeröffnung beschliessen.
Das Gericht prüft den Antrag nun, zum Zeitplan machte es laut Medienberichten keine Angaben. Gibt es ihm formal statt, wird Benko zu einer sogenannten Einvernehmens-Tagsatzung geladen. In dieser müsste er genaue Auskunft über seine Vermögensverhältnisse, Zahlungsfähigkeit und Schulden geben – ein Striptease, wie das «Profil» es nennt. Dann wäre klar, inwieweit Benko persönlich zivilrechtlich haften könnte – immer vorausgesetzt, die operative Tätigkeit bei Signa kann ihm nachgewiesen werden.
Es ist allerdings auch möglich, dass das Gericht den Insolvenzantrag ablehnt, etwa weil der Unternehmer seine Schulden begleicht. Laut dem «Profil» sind die drei Millionen, die er für die Sanierung der Signa zugesagt hat, inzwischen bezahlt. Eine erste Tranche von gut einer Million Euro überwies er selbst im Dezember, wie dem Bericht des Insolvenzverwalters Stapf zu entnehmen ist. Eine zweite erfolgte Anfang Januar «von dritter Seite». Eine letzte Zahlung über gut eine Million Euro folgte schliesslich letzte Woche, wie das Magazin aus dem Umfeld der Dachgesellschaft erfahren haben will. Auch diese sei «von dritter Seite» geleistet worden. Gemäss involvierten Kreisen könnte es sich dabei um Haselsteiner handeln.