Freitag, November 29

Der einst führende Halbleiterhersteller hat die Entwicklung der KI-Technologie verpasst und ist weit zurückgefallen. Nun will Intel wieder Boden unter die Füsse bekommen; mit mehr Effizienz und Subventionen aus Washington.

Der amerikanische Chipbauer Intel hat am Donnerstagabend das schlechteste Resultat seiner Geschichte vorgelegt. 16,6 Milliarden Dollar an Reinverlust – in nur einem Quartal. Das stellt den bisherigen Rekord von minus 2,8 Milliarden Dollar weit in den Schatten. Analysten hatten bloss mit etwas mehr als einer Milliarde Verlust gerechnet.

Die Anleger reagierten dennoch erfreut auf die tiefroten Zahlen. Am Freitag legten die Intel-Aktien im Handel um 8 Prozent zu. Die Reaktion lässt sich nur erklären, wenn man den tiefen Fall in den Blick nimmt, den das einst führende US-Technologieunternehmen in den vergangenen Jahren durchgemacht hat.

Milliarden-Wette auf PC-Boom scheiterte

Der allergrösste Teil des Verlusts stammt nämlich nicht aus dem operativen Geschäft, sondern kam wegen enormer Abschreibungen zustande: Intel hatte in der Pandemie von boomenden PC-Verkäufen profitiert und investierte in der Folge sehr viel, um das Geschäft mit Heimcomputern weiter voranzutreiben. Doch der PC-Boom endete abrupt, und es war seit einiger Zeit absehbar, dass sich das Risiko nicht auszahlen würde.

Nun sagte der Intel-Chef Patrick Gelsinger im Gespräch mit Analysten, dass die damals gekaufte Ausrüstung nicht für die Produktion modernster Chips umgenutzt werden könne.

Der Intel-CEO räumte damit ein Scheitern ein, dass die Märkte eingepreist hatten. Sie überraschte nicht die Abschreibung an sich, sondern einzig das Timing. Das Kursplus vom Freitag erklärt sich mit Aussagen von Gelsinger, dass das Unternehmen im laufenden Quartal besser abschneiden und einen höheren Umsatz erwirtschaften dürfte, als man es an der Börse erwarte.

Der Kursanstieg verblasst jedoch angesichts der miserablen Entwicklung der Titel seit Jahresbeginn. Intel hat an der Börse seit Januar mehr als die Hälfte seines Marktwerts eingebüsst – in einem von Tech-Euphorie geprägten Umfeld, in dem sich der Wert des Konkurrenten Nvidia beinahe verdreifachte. Nivida ist mit über 3 Billionen Dollar an Marktkapitalisierung derzeit das zweitgrösste Unternehmen der Welt, Intel bringt noch knapp 100 Milliarden Dollar auf die Waage.

Es ist ein Abstieg auf Raten. Lange Zeit konnte sich Intel damit trösten, dass seine Chips in Server-Zentren und Heimcomputern weiterhin zum Einsatz kamen.

Das Unternehmen hat aber die entscheidenden Trends in der Chipbranche verschlafen: Zunächst hat Intel als Chiplieferant für Smartphones stark an Boden verloren. 2020 beendete Apple eine jahrelange Zusammenarbeit mit Intel. Es entwickelt einige seiner Computerchips inzwischen selbst und lässt sie bei TSMC in Taiwan fertigen.

Nvidia zog an Intel vorbei

Vor allem aber ist es Intel trotz jahrelangen Anstrengungen nicht gelungen, auf KI-Prozesse optimierte Computerchips zu entwickeln oder zu bauen, die mit Nvidias Chips mithalten können. Dem Unternehmen wurde die dominante Stellung im PC-Geschäft zum Verhängnis, die es in den 1980er Jahren aufgebaut hatte. Dieses Geschäft war so profitabel, dass Intel die Entwicklung alternativer Technologien vernachlässigte.

Das im kalifornischen Santa Clara beheimatete Unternehmen wurde so zum Musterbeispiel der Wettbewerbsökonomie, wonach es einem Marktführer nur selten gelingt, einen bestehenden Markt mit innovativen Neuerungen zu revolutionieren.

Diese Rolle kam Nvidia zu, im Tandem mit dem Auftragsfertiger TSMC. Nvidia war einst ein Nischenanbieter für Grafikkarten, für die sich in den 2000er Jahren vor allem Gamer interessierten. Mit der Zeit zeigte sich aber, dass Nvidia-Chips sich auch sehr gut für die enormen Berechnungen eignen würden, die für den Aufbau von KI-Modellen nötig sind. Intel hat seit bald 20 Jahren an ähnlichen Chips getüftelt, dieser Forschung aber zu wenig Priorität eingeräumt.

Nun ist Intel, dessen Jahresumsatz seit 2021 um 30 Prozent eingebrochen ist, im Krisenmodus. Patrick Gelsinger, selbst ein Intel-Urgestein, hat die Dividende gestrichen und unlängst 15 000 Stellen abgebaut. Er versucht das Unternehmen als Chiphersteller wieder neu aufzurichten. Ein langwieriges Unterfangen: Ein neuer KI-fähiger Chip für Laptops, den Intel letzthin vorstellte, stiess zwar im Markt auf Interesse. Doch kann Intel diesen Chip nicht selber herstellen, sondern muss dafür auf die Dienste des grossen Konkurrenten TSMC zurückgreifen.

Es machten im September sogar Gerüchte die Runde, dass der auf Mobilfunkgeräte spezialisierte Halbleiterhersteller Qualcomm Intel übernehmen wollte. Das scheint, Stand heute, unwahrscheinlich; und doch haben die Gerüchte allen Beobachtern vor Augen geführt, wie sehr Intel in der Hierarchie der Branche nach unten gerutscht ist.

Ein wenig Hilfe aus Washington

Für die USA, die sich eine harte Auseinandersetzung mit China um die Zukunft der weltweiten Halbleiter-Entwicklung und -Produktion leisten, ist der Kriechgang von Intel sehr schmerzhaft. Intel war seit einem halben Jahrhundert ein wichtiger Baustein der technologischen Dominanz des Landes. Mehrmals hat Intel die Miniaturisierung der Halbleiter und damit die Informatikbranche als Ganzes entscheidend vorangetrieben. Mitgründer Gordon Moore hat das berühmte mooresche Gesetz formuliert, wonach sich die Leistungsfähigkeit von Computerchips alle 18 Monate verdoppeln wird.

Es ist kein Zufall, dass Intel in der Industriepolitik der Regierung von Joe Biden eine zentrale Rolle spielt. Intel hatte 2022 kräftig für ein amerikanisches Fördergesetz lobbyiert, die Chips Act, und hat seither Milliarden an Subventionen zugesprochen erhalten, um die einheimische moderne Chipproduktion wiederzubeleben. Die Biden-Regierung soll bei möglichen Kunden wie Apple oder Amazon kräftig dafür lobbyiert haben, dass diese künftig mehr Chips «made in USA» von Intel beziehen mögen. Fast alle Kunden bleiben bis jetzt aber beim Konkurrenten TSMC. Er ist Intel technologisch schlicht zu weit voraus.

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