Sonntag, Dezember 1

Der Intralogistiker hat die Profitabilität trotz rückläufigem Geschäft verteidigt. Zudem versprüht das Management Optimismus. Erst im Februar haben Short-Seller ihre Wetten gegen das Tessiner Unternehmen deutlich erhöht.

Als Interroll Ende Januar die Umsatzzahlen für 2023 publizierte, sorgte der Intralogistikspezialist bei Analysten noch für Enttäuschung. So fiel der Ertrag niedriger aus als erwartet, und auch der Auftragseingang hatte im zweiten Semester nicht die erhoffte Erholung gezeigt. Ein schwacher kurzfristiger Ausblick stärkte das Verdikt einiger Marktteilnehmer: Die Erholung von Interroll wird mehr Zeit benötigen als gedacht.

Der Pessimismus spiegelte sich auch in einem steigenden Interesse der Leerverkäufer. So belief sich der Anteil der leerverkauften Aktien bei Interroll zuletzt auf knapp 5%, was auf Monatssicht einem Anstieg von gut einem Viertel entspricht. Damit rückten die Aktien erstmals wieder in die Top Ten der grössten Shorts in der Schweiz.

Das Problem: Nicht nur schlugen sich die Interroll-Aktien seit der Verkündigung der Umsatzzahlen Ende Januar mehr als ordentlich (Kursplus bis gestern Donnerstag: 9%). Heute Freitag machten die Titel nochmals einen deutlichen Satz nach oben, nachdem das Unternehmen die vollständigen Jahreszahlen für 2023 vorgelegt hatte, die mehrere positive Überraschungen boten. Ein Kursplus von bis zu 8% bescherte allen Short-Sellern, die auf sinkende Kurse spekuliert hatten, eine eiskalte Dusche.

CEO versprüht Optimismus

Dass viele Kunden seit zwei Jahren Lager eher abbauen, anstatt in neue und modernere Intralogistik-Lösungen zu investieren, ist bekannt. Bei Interroll kommt erschwerend hinzu, dass die Tessiner stärker als Konkurrenten wie etwa Kardex auf den E-Commerce-Sektor fokussiert sind (Umsatzanteil bei Interroll: 25%, Kardex: 5%). Die besser diversifizierte Kundenbasis kam Kardex zuletzt zugute, was sich auch in der Aktienperformance der vergangenen zwölf Monate spiegelt.

Doch bei der Vorstellung der vollständigen Jahresergebnisse 2023 überraschte CEO Ingo Steinkrüger mit auffallend optimistischen Tönen zu den Geschäftsaussichten. «Wir gehen davon aus, dass die Talsohle erreicht ist». So etwas hören Aktionäre gerne. Leerverkäufern hingegen könnte zunehmend der Gedanke kommen, auf bzw. gegen das falsche Pferd gesetzt zu haben.

Während der Bilanzmedienkonferenz betonte Steinkrüger zudem, dass man sich für die erwartete Erholung gut gerüstet sieht und in einem Aufschwungszenario «frühzyklisch» unterwegs sei. Frühzykliker stehen bei der Erholung der Konjunktur in der allerersten Reihe, was die Aktien damit oft bereits steigen lässt, bevor die Erholung überhaupt klar erkennbar ist.

Interroll hat die Kosten im Griff

Doch nicht nur die Aussichten waren besser als erwartet, auch aus der Performance im zurückliegenden Jahr lässt sich einiges Positives herausziehen. Konkret bewies Interroll einmal mehr ihre Fähigkeit zur Kostenkontrolle, was sich in einer ordentlichen Ebitda-Marge von 19,1% spiegelt – im Boomjahr 2021 erzielte Interroll dasselbe Margenniveau. Das Unternehmen hat es dank Kostenoptimierung erreicht, die Profitabilität trotz rückläufigem Geschäfts stabil zu halten.

Auch hat es das Management 2023 geschafft, das Nettoumlaufvermögen wieder deutlich zu senken. Das bedeutet, dass weniger Kapital im Unternehmen gebunden ist, was die Liquidität erhöht. Dadurch ist Interroll in der Lage, eine stabile Dividende von 32 Fr. zu zahlen (Rendite: 1,1%). Auch das war nicht selbstverständlich und dürfte für den heutigen Kursanstieg mitverantwortlich sein.

Mit den heutigen Jahreszahlen hat Interroll die Pessimisten Lügen gestraft. Vor allem mit dem positiven Ausblick hat Interroll Short-Seller auf dem falschen Fuss erwischt. Gleichzeitig wird sich das Management nun an seinen Aussagen messen lassen müssen. CEO Steinkrüger äusserte in seinem Ausblick Hoffnungen auf ein Nachlassen des Inflationsdrucks und auf Leitzinssenkungen in diesem Jahr.

Bewertung nicht günstig

Dieses Szenario ist derzeit noch Konsens an den Märkten. Doch die jüngsten Inflationsdaten aus den USA zeigen, dass sich die Teuerung als klebrig erweist. Hier lauern Enttäuschungsrisiken. Zumal die Bewertung mit einem für das laufende Geschäftsjahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 36 zwar noch immer tiefer als im Boomjahr 2021 ist. Damals erreichte das KGV einen Wert von 41. Doch günstig ist die Aktie nicht.

Für langfristig orientierte Anleger muss dies jedoch keine Rolle spielen. Auf lange Sicht ist Interroll in den Augen von The Market gut positioniert, um von strukturellen Trends, die nach mehr Materialflusslösungen rufen, zu profitieren. Eine steigende Lohninflation, der Arbeitskräftemangel sowie eine alternde Bevölkerung dürften dafür sorgen, dass der Trend zur Lagermodernisierung und -automatisierung anhält.

Exit mobile version