Montag, September 30

In dieser Woche berichteten beide Schweizer Intralogistikerinnen über das erste Halbjahr. Die Reaktionen an der Börse könnten kaum unterschiedlicher sein. Kardex beweist einmal mehr ihre Konjunkturresistenz.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Diese Woche zeigte sich exemplarisch, warum ich mich als Aktionär mit Kardex wohler fühle als mit Interroll – obwohl beide Intralogistikerinnen das Prädikat «Qualitätsunternehmen» verdient haben. Diese Woche legten sowohl die Zürcher als auch die Tessiner ihre Zahlen für das erste Halbjahr vor – und die Reaktion hätte kaum unterschiedlicher sein können: Während der Zahlenkranz von Kardex am Dienstag für einen Kurssprung von 13% sorgte, schmieren die Titel von Interroll am heutigen Freitag, an dem die Börsen allgemein unter Druck stehen, um bis zu 6% ab.

Dabei schlagen sich die Aktien von Kardex im direkten Vergleich bereits seit gut einem Jahr besser. Die Systemintegratorin profitiert in einem konjunkturell unsicheren Umfeld von ihrem defensiveren Geschäftsmodell und dem breiter aufgestellten Produktangebot, das zu einem entsprechend breiten Kundenstamm führt.

Interroll: Immerhin die Marge steigt

Der heutige Zahlenkranz von Interroll zeigt die Misere, in der das Unternehmen seit dem Corona-Hoch 2022 steckt: Der Umsatz stagniert, und der Auftragseingang zeigt noch immer keine klare Kehrtwende bei der Investitionsbereitschaft der Kunden. Bei der Profitabilität schlägt sich Interroll wiederum wacker. Trotz geringerer Volumen konnte die Ebit-Marge auf 12,1% leicht gesteigert werden, was jedoch auch am schwachen Vorjahresvergleichswert liegt, wo Störungen in der Lieferkette die Marge beeinträchtigt haben.

Einmal mehr zeigt sich die hohe Abhängigkeit Interrolls von Grossaufträgen im E-Commercebereich, wo die Zurückhaltung weiterhin gross ist. Die Tessiner agieren hier in erster Linie als Zulieferer von Komponenten für Lager- und Materialflusssysteme. Dies tun sie in vor allem für Grosskunden wie Nestlé, DHL, Amazon oder Zalando, die insbesondere 2021 ihre Lagersysteme und Verteilzentren massiv ausgebaut haben.

Kardex überzeugt im ersten Halbjahr

Auch Kardex spürte im ersten Halbjahr noch den Investitionsstau bei grösseren Intralogistikprojekten. Das zeigt die Schwäche im Segment Mlog, das integrierte Fördersysteme und automatisierte Hochregallager offeriert und wo die Neuaufträge um ein Fünftel zurückgingen. In diesem Geschäft handelt es sich meist um grössere, oft massgeschneiderte Lagerlösungen mit einem hohen Investitionsvolumen. Allerdings: Die Sparte macht lediglich 14% des Gruppenumsatzes aus – Tendenz sinkend.

Deutlich robuster zeigte sich das Geschäft im grösseren Segment Remstar, welches Lager- und Bereitstellungssysteme bietet und wo der Umfang der Projekte in der Regel etwas kleiner ist. Dafür ist die Kundenbasis in diesem Segment breit. Die Analysten der Privatbank Berenberg sehen in dem Fokus auf kleinere Projekte und Systeme den Grund, warum Kardex im Gegensatz zu anderen Intralogistikern wie Kion (und heute Interroll) trotz des weiterhin schwachen Marktumfelds Projekte gewinnen kann. Diese seien nämlich weniger abhängig vom allgemeinen Konjunktur- und Zinsumfeld.

Für eine dicke Überraschung, die für einen grossen Teil des Kurssprungs am Dienstag verantwortlich gewesen sein dürfte, sorgte zudem das relativ neue Segment AS Solutions, das standardisierte Systeme auf Basis des norwegischen Partners Autostore anbietet. Mit einem Umsatz von 52 Mio. im ersten Halbjahr (+44,6%) ist AS Solutions mittlerweile gleichauf mit Mlog. Zwar weisst Kardex nicht die genauen Margen der Segmente aus, doch die steigende Bruttomarge bei Standardized Systems, in der das Unternehmen Mlog und AS Solutions zusammenfasst, zeigt den positiven Effekt der neuen Sparte auf die Profitabilität.

Übergewicht in Kardex hat sich gelohnt

Während Kardex also wächst und einen steigenden Auftragsbestand aufweist, wartet Interroll noch immer auf die Trendwende. Das Management übt sich heute in Durchhalteparolen und spricht von Geduld, die man aufbringen müsse, bis der Markt wieder an Dynamik gewinne.

Doch wie bereits mehrmals beschrieben, halte ich sowohl Kardex als auch Interroll langfristig für kaufenswert. Beide Unternehmen haben eine hohe Qualität, was das Management, die Produktpalette und nicht zuletzt die finanzielle Solidität betrifft. Beide sind bestens positioniert, um vom strukturellen Trend der Automatisierung von Material- und Warenflüssen zu profitieren.

In der zuletzt konjunkturell unsicheren Zeit hat es sich jedoch gelohnt, Kardex den Vorzug zu geben. Der noch immer hohe Auftragsbestand dürfte das Unternehmen kurzfristig vor allzu grossen Rücksetzern schützen, hinzu kommen die attraktiven Wachstumsaussichten von AS Solutions. Interroll wiederum macht das hohe E-Commerce-Exposure und das weniger ausgeprägte Servicegeschäft weiter zu schaffen. Sobald sich jedoch eine wieder anziehende Investitionsbereitschaft im E-Commerce-Sektor abzeichnet, dürften die Interroll-Aktien überproportional profitieren.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Henning Hölder

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