Dienstag, Oktober 1

Die Stadt prüft rechtliche Schritte gegen die Graffiti. Die Revolutionäre Jugend Zürich bejubelt sich selbst.

Wer dieser Tage am Flussbad Oberer Letten in der Stadt Zürich schwimmen geht, kann die Botschaft kaum übersehen. Schlichtweg zu gross ist das Machwerk. Die rund vier Meter hohe und gut dreissig Meter lange Wand, die parallel zur Limmat verläuft, wurde vor ein paar Tagen mit antiisraelischen Parolen verunstaltet.

Zentral prangt der Schriftzug «Free Palestine». Auch «From the river to the sea», der Leitspruch der weltweiten Anti-Israel-Demonstrationen, wurde an die Wand gesprayt. Weiter sind «Intifada» und Parolen wie «Smash Zionism» zu lesen.

Ebenfalls angebracht wurde ein rotes Dreieck – das gleiche Symbol verwendet auch die Terrororganisation Hamas, um ihre Feinde zu markieren.

Gekennzeichnet sind die Graffiti von der Revolutionären Jugend Zürich (RJZ). Dabei handelt es sich um jene Jugendorganisation des Revolutionären Aufbaus, die bekannt dafür ist, bei Demos an vorderster Front mitzulaufen. Sie gehört gemäss Nachrichtendienst des Bundes zur gewalttätigen linksextremen Szene.

Ein Instagram-Kanal namens «pal_action_swiss» publizierte am Sonntag eine Art Bekennerschreiben, in dem die Aktion in den höchsten Tönen gelobt wird. Man bedankt sich bei den Beteiligten und «insbesondere» bei der Revolutionären Jugend Zürich «für die Arbeit».

Die Stadt will die Parolen entfernen

Die Wand beim Flussbad dient als Freiraum, wo die Stadt Zürich ausdrücklich Graffiti erlaubt. Hier gehen Sprayer nicht im Schutz der Dunkelheit, sondern tagsüber ans Werk. Jeder kann dabei zuschauen. Der Ort folgt eigenen Gesetzmässigkeiten der Subkultur, die Stadt hält sich weitestgehend raus.

Die jüdische FDP-Kantonsrätin Sonja Rueff-Frenkel sagt: «Nur weil das Sprayen an dem Ort legal ist, gibt das keine Narrenfreiheit, um illegale und antisemitische Parolen zu verbreiten.» Dazu gehören für sie die Parole «From the river to the sea» sowie das rote Dreieck.

Rueff-Frenkel ist hin- und hergerissen. «Eigentlich müsste man das Graffiti einfach ignorieren», sagt sie, «weil dem Ganzen nur wieder die ganze Aufmerksamkeit zuteilwird.» Aber das gehe halt nicht, wenn etwas Illegales stehe. Derlei Graffiti würden weder zu einer Deeskalation beitragen, noch seien sie lösungsorientiert.

Die Stadt befinde sich in einer schwierigen Situation, findet Frenkel. Übermalen bringe wenig, am nächsten Tag prange das nächste Werk an der Wand. Und kontrollieren, was an der Wand gesprayt werde, sei auch nicht der Sinn eines Ortes, der Freiraum bieten soll. «Ich erwarte aber, dass die Stadt die Parolen verurteilt.»

Ein Sprecher des Hochbaudepartements sagt gegenüber der NZZ: «Graffiti und Schriftzüge, die antisemitische, rassistische, sexistische oder auf andere Weise diskriminierende Aussagen beinhalten oder zu Gewalt aufrufen, werden von diesen Flächen entfernt.» Diese Praxis werde von den zuständigen Stellen nach bestem Wissen und Gewissen umgesetzt.

In der Regel erstattet die Stadt bei Sprayereien Anzeige wegen Sachbeschädigung. Nur handelt es sich hier eben nicht um eine Sachbeschädigung, strafrechtlich relevant wäre vielmehr der Inhalt der Graffiti. Die Stadt prüft derzeit mögliche rechtliche Schritte, derzeit sei noch keine Anzeige erstattet worden, sagt der Sprecher.

Aktion gegen jüdische Galerie und jüdische Künstler

Es ist nicht das erste Mal, dass die Stadt an gleicher Stelle gegen antiisraelische Parolen vorgehen muss. Auf ihrem Instagram-Kanal verweisen die Kreise, die hinter den jüngsten Graffiti stecken, auf das Katz-und-Maus-Spiel. Sie schreiben: Nachdem die Stadt bereits ein Graffiti übermalt habe, seien «die Leute am Letten aktiver denn je». Nun sei es wieder so weit, und nun stehe hier eben weit mehr als nur «Free Palestine». Der Kommentar dazu: «Unterdrückung führt zu Widerstand».

Immer wieder kommt es im öffentlichen Raum zu antiisraelischen Schmierereien. Im Juni sorgten Farbanschläge für Aufsehen, bei denen die Fassaden zahlreicher Zürcher Galerien versprayt wurden.

Betroffen waren unter anderem eine jüdische Galeristin sowie eine Galerie, in der zu dem Zeitpunkt Werke einer jüdischen Künstlerin ausgestellt waren. Das Timing der Aktion war wohl nicht zufällig gewählt, sie fiel just auf das Wochenende des Zurich Art Weekend.

Laut Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, erinnern die Schmierereien an düstere Zeiten, wie er der NZZ sagte: «Das ist purer Antisemitismus, nun jüdische Geschäfte und Mitbürger für den Staat Israel verantwortlich zu machen und auf diese abzuzielen.»

Die Schmierereien am Oberen Letten werden nicht mehr lange zu sehen sein: Wie das Hochbauamt gegenüber der NZZ mitteilt, hat man deren Entfernung in Auftrag gegeben.

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