Der klamme Kleinklub im Norden der Schweiz steht für eine eiserne Regel im Schweizer Fussball: Ohne grosszügige Kapitalgeber geht wenig bis nichts. Einer von ihnen ist der Nationaltrainer.
Die Nonchalance hat Murat Yakin schon eng begleitet, als er Fussballer war. Sie lässt ihn auch jetzt nicht los – als Nationaltrainer und als Darlehensgeber im FC Schaffhausen.
Seit Jahren kursieren Fakten und Vermutungen darüber, inwiefern Yakin am notleidenden Klub in der Challenge League und an dessen Stadion finanziell beteiligt ist. An jenem Klub, in dem er zwei Mal Coach gewesen war, bevor er jeweils das Sprungbrett nutzte und im Grasshopper-Club (2017) und später im Nationalteam (2021) Trainer wurde.
Seit einigen Tagen ist die Liaison wieder aufgeflammt. Seit Hakan Yakin, der jüngere Bruder Murats, Trainer in Schaffhausen geworden ist.
Yakin hilft mit, «Schaffhausen vor dem Konkurs zu retten»
Gegenüber CH Media stellt Murat Yakin klar, er habe dem Klub seinerzeit ein Darlehen in siebenstelliger Höhe gewährt, «um letztlich das Stadion vor einem Konkurs zu retten». Das finanzielle Engagement sei «zur Sicherstellung der Immobilie und nicht in die Mannschaft» erfolgt. Und: Er habe ein Darlehen «für drei verschiedene Immobilieneinheiten des Stadions» gewährt, sagt Yakin. Im Januar 2025 hatte CH Media geschrieben, Yakin habe drei Darlehen gesprochen. Summa summarum: 1,8 Millionen Franken.
Das tat der gutmütige Yakin in seiner Zeit als Schaffhauser Trainer, weil der kleine Klub im Schweizer Fussball kein ökonomischer Sonderfall ist. Das heisst: Der Verein ist nicht rentabel und ist auf fremdes Kapital in Millionenhöhe angewiesen, zumal die 2017 eröffnete Arena als schwerer Klumpfuss gilt, die jährlich über eine Million verschlingt. Schaffhausen muss sich bei allen bedanken, die Geld zur Verfügung stellen.
Yakin, der Gambler
Doch mit der Transparenz ist es im Norden der Schweiz so eine Sache. Sie fehlt weitgehend. Auch das ist im Fussball nicht unüblich. Wer sich zum Beispiel ein Interview mit Murat Yakin auf «MySports» vom März 2021 zu Gemüte führt, erfährt, dass er nicht am Stadion, sondern «nur am Klub» beteiligt sei. Das Wort «Mitbesitzer» sei etwas «hoch gegriffen», sagte Yakin 2021, die Angelegenheit sei «komplex» und die Übernahme des Vereins sei «nicht optimal» verlaufen.
Was gilt nun? Für den Schweizerischen Fussballverband (SFV), den heutigen Arbeitgeber Yakins, ist klar, dass das Investment aus dem Jahr 2021 im Zusammenhang mit einer «klubseitig erworbenen Immobilie» stehe. So liess sich der Verband unlängst in einer Stellungnahme zitieren. Gut möglich, dass Yakin im «MySports»-Interview 2021 alles vermischt hat. Den Klub und dessen Kapitalbedarf, das Stadion und dessen Mantelnutzung.
Auf für ihn typische Art sagt Yakin in jenem Gespräch salopp auf die Frage, wie das mit ihm und dem Immobiliengeschäft begonnen habe: Ein Freund aus dem familiären Umfeld habe ihm gesagt, er müsse «einfach Geld schieben». Daraus ist laut Yakin «eine Welle» entstanden. Yakin, der Gambler.
Die Märchenstunde ist nicht ausgeschlossen
Der FC Schaffhausen bietet Episoden, die man nicht besser erfinden könnte. Allein die Rückkehr Hakan Yakins als Trainer ist eine. Murat Yakin sagt nun, dass er als Schaffhauser Mitbesitzer (von was auch immer) davon vorneweg nichts gewusst haben will, nichts erfahren habe. Echt jetzt? Mögliche Märchenstunde.
Eine Episode im Fall Schaffhausen ist die schwierige Erbfolge des langjährigen und 2019 verstorbenen Präsidenten Aniello Fontana, dessen Namen mit dem neuen Stadion verbunden ist und der den Klub zunächst in familiäre Hände weitergab, bevor Roland Klein auf den Plan trat. Nur: Die Zuschauerzahlen steigen nicht, die Belastung des Stadions ist gross, ursprünglich waren auch Konzerte Teil des Businessplans. Doch das war eine Fehlkalkulation. Also sind Mäzene gefragt, die etwas für das Volk und dessen Kolosseum tun.
Ohne Super League ist allerdings nicht viel möglich. Mal betrug das jährliche Klubbudget (mit Stadion) dennoch über 5 Millionen, alsbald waren’s unter deren 4 – jetzt sollen es wieder etwas mehr sein.
Mittendrin navigiert Murat Yakin, der Darlehen oder zumindest Teile davon zurückhaben will. Reine Wohltäter sind im Fussball selten. Nicht geklärt sind die Besitzverhältnisse, eine Übernahme liegt im Dunst. Die Zürcher Bauunternehmer Fitim und Boletin Hasani haben am 16. Januar 100 Prozent der Aktien übernommen und schreiten wie in solchen Fällen üblich zu Personalveränderungen. Der Geschäftsführer Jimmy Berisha weg, Trainerwechsel von Ciriaco Sforza zu Hakan Yakin, Bernt Haas wird anstelle von Marc Hodel Sportchef.
Was sie auch immer vorhaben: Sie müssen Geld zur Verfügung stellen. Murat Yakin weiss Bescheid. Wie Christian Constantin, wie die Familie Canepa, wie die Amerikaner (GC, Lugano), wie Ineos (Lausanne). Wie so viele andere. Willkommen im Klub.