Sonntag, September 29

Konflikte im Nahen Osten schlagen sich vor allem an den Energiemärkten nieder. Das Risiko höherer Erdölpreise ist gestiegen. Die Frage ist nun, wie Israel und die USA reagieren werden.

Der Schattenkrieg ist vorbei. Iran hat in der Nacht von Samstag auf Sonntag Israel direkt angegriffen und nicht mehr einen Stellvertreter wie die libanesischen Hizbullah-Milizen oder die jemenitischen Huthi vorgeschickt. Die Erdölmärkte hat dies jedoch am Montagmorgen unbeeindruckt gelassen. Der Preis für die Nordsee-Erdölsorte Brent ist gar unter die Schwelle von 90 Dollar je Fass gerutscht. Der Brent-Preis gilt als die beste Fieberkurve für globale Entwicklungen am Erdölmarkt.

Dies lässt sich zunächst damit begründen, dass Teheran den Angriff seit einigen Tagen angekündigt hatte und dieses Risiko bereits in den Erdölpreis eingeflossen war. Der Ölpreis ist auch tatsächlich seit einiger Zeit nach oben geklettert. Ausserdem versuchte die iranische Seite, nach der Eskalation zu deeskalieren: «Die Angelegenheit gilt als abgeschlossen», hiess es. Die USA machten es auch klar, dass sie einen Vergeltungsschlag Israels nicht unterstützen würden.

Hohes Risiko bleibt bestehen

Die Antwort Israels ist aber noch unklar, ein hohes Risiko bleibt bestehen. Konflikte im Nahen Osten beeinflussen die globalen Märkte vor allem über die Energiepreise. In der Region wird rund ein Drittel des weltweiten Erdölangebots und ein grosser Teil der Erdgasmengen gefördert. Steigende Energiepreise sind ein wichtiger Treiber für die Inflation in den Ländern, in denen Benzin, Diesel oder Kerosin genutzt wird.

Der Erdölpreis steigt bereits seit Jahresbeginn

Terminmarktpreis der Nordsee-Rohölsorte Brent, in $ je Fass

Vordergründig hat sich am Erdölangebot wenig verändert. Es fliessen weiterhin Rohöl und Erdölprodukte aus der Region an die globalen Märkte. Die Strasse von Hormuz, eines der wichtigsten Nadelöhre der Welt für den Schiffstransport von Öl und Gas, ist weiterhin passierbar. Iran hatte zwar am Wochenende im engen Seeweg zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman eine Machtdemonstration abgeliefert und ein Containerschiff mit einer israelischen Verbindung festgesetzt. Es dürfte aber kein Zufall sein, dass es ein Containerschiff und kein Erdöltanker war.

Teheran hätte aber durch eine Blockade der Strasse von Hormuz die Option, die Energiemärkte durcheinander zu wirbeln, wenn Israel einen Gegenschlag auf iranische Infrastruktur wie Förderanlagen oder Pipelines durchführen würde. Aber auch wenn es zu keiner militärischen Eskalation kommen sollte, besteht die Gefahr, dass sich das Erdölangebot verengt. Die USA dürften den iranischen Angriff wohl nicht unbeantwortet lassen. Eine Möglichkeit wäre es, die amerikanischen Sanktionen gegen die iranischen Erdölexporte wieder strenger durchzusetzen.

Iranische Erdölproduktion auf Höhenflug

Seit Joe Biden als amerikanischer Präsident ins Weisse Haus eingezogen war, lockerte Washington das Sanktionsregime gegen Iran. Teheran verfügt über eine so genannte Geisterflotte an Erdöltankern, die Katz-und-Maus-Spiele veranstalten, um iranisches Erdöl vorwiegend nach Asien zu verschiffen. In den vergangenen Jahren geschah dies immer offener, was sich auch in steigenden Produktionszahlen zeigte. So ist Iran weiterhin der viertgrösste Rohölproduzent innerhalb der Organisation erdölexportierender Länder (Opec).

Die iranische Erdölproduktion hat angezogen

Förderung von Rohöl und Kondensaten, in Mio. Fass pro Tag

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Russische Grossinvasion der Ukraine

Ob Biden aber in einem Wahljahr, am weltweiten Erdölangebot noch mehr herumschrauben will, ist fraglich. Die Largesse gegenüber Teheran erfolgte auch, weil mit Russland einer der grössten Erdölexporteure der Welt unter westlichen Sanktionen steht. Die USA hatten aus diesem Grund zudem die Massnahmen gegenüber Venezuela aufgeweicht. Ein Gewinner eines engen Erdölmarktes dürfte auf alle Fälle Moskau sein. Die Preise für russisches Erdöl sind derzeit bereits oberhalb des Preisdeckels, den westliche Staaten eingeführt hatten, um die Einnahmen für Russland aus dem Erdölgeschäft einzudämmen.

Ein wichtiger Faktor ist zudem die Reaktion der Opec+, einer Vereinigung der Opec mit weiteren Petro-Staaten, die von Russland angeführt wird. Dabei kommt es aber vor allem auf die Stimme Saudiarabiens an. Opec+ hat es in den vergangenen Monat geschafft, das Angebot am Erdölmarkt zu verengen und die Preise steigen zu lassen. Es ist jedoch ein zweischneidiges Schwert: Wenn der Ölpreis zu hoch steigt, geht die Nachfrage zurück und der politische Druck aus den Konsumentenländern nimmt zu.

Es mangelt nicht an Erdöl

Ein Preis von 90 Dollar je Fass ist bereits attraktiv für viele Erdölproduzenten. Das nächste Treffen der Opec+ ist auf den 1. Juni anberaumt. Wenn der Preis stärker steigen sollte, könnte sich besonders Saudiarabien dazu entschliessen, wieder mehr zu fördern. Viele Beobachter verweisen darauf, dass es der Welt nicht prinzipiell an Erdöl mangelt. Aufgrund der Drosselungen von Saudiarabien, der Golfstaaten und weiterer Petro-Staaten sind ungenutzte Reservekapazitäten von 5 Millionen Fass Rohöl pro Tag vorhanden. Wenn diese angezapft werden, könnte es zu einer schnellen kurzfristigen Beruhigung kommen.

Die Internationale Energieagentur (IEA), einer Vereinigung der Konsumentenländer, schrieb, die geopolitischen Spannungen würden den Fokus auf die Versorgungssicherheit legen. Die weltweite Erdölnachfrage schwäche sich aber ab, und vier Länder ausserhalb von Opec+ würden beinahe gesamthaft das Nachfragewachstum befriedigen können. Die Fördermengen steigen besonders in den USA, Kanada, Brasilien und Guyana. Es gibt jedoch auch Vorhersagen, die von einer stärkeren Nachfrage ausgehen.

Vorläufig dürften die Auswirkungen auf die Inflation noch gering sein. Laut Ökonomen von Capital Economics führt eine Erhöhung des Erdölpreises um 10 Prozent in der Regel zu einer verstärkten Gesamtinflation von 0,1 bis 0,2 Prozentpunkten in Industrieländern. Die bisherige Entwicklung sei deshalb für die Notenbanken noch nicht bedeutsam gewesen.

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