Freitag, Oktober 18

Die Isländerinnen und Isländer haben Halla Tomasdottir als neue Präsidentin gewählt. Katrin Jakobsdottir hat sich verkalkuliert.

Am frühen Samstagnachmittag stehen die Zeichen noch auf Sieg. Die Anhänger von Katrin Jakobsdottir haben sich in einem Fussballstadion am Stadtrand von Reykjavik versammelt. Es gibt Kaffee, Kuchen und Dächlikappen: orange, mit einem grossen K drauf. Nicht nur die isländische Essenskultur scheint durch die starke Präsenz der Nato auf der Insel amerikanisiert (Hotdogs, Burger). Auch die Kopfbedeckungen im Wahlkampf wecken Erinnerungen an einen ehemaligen US-Präsidenten.

Das Motto von Jakobsdottir, die noch vor wenigen Wochen als Ministerpräsidentin geamtet hat, ist zwar nicht «Make Iceland great again». Ihre Anhängerinnen und Anhänger sind aber der festen Überzeugung, dass sie genau das könnte. Eine geborene Anführerin sei sie – integer, glaubwürdig und mitreissend, sagt ein langjähriger politischer Weggefährte. Für Katrin, sagt eine jüngere Frau, seien alle Menschen gleich. Eine wichtige Leitidee für ein Staatsoberhaupt.

Ihr Engagement für die Gleichstellung hat Jakobsdottir ausserhalb der Insel bekannt gemacht. Als Ministerpräsidentin nahm sie im letzten Herbst am Frauenstreik teil und sorgte damit im Ausland für Schlagzeilen. Dass die Regierungschefin ihre Arbeit niederlegt, um zu demonstrieren, fand in Island hingegen kaum jemand fragwürdig. Ebenso wenig wie Jakobsdottirs Zweitkarriere als Krimiautorin. Die Demos und Krimis haben sie in den Augen ausländischer Journalisten zu einer aussergewöhnlichen Politikerin gemacht – und zu einer klaren Favoritin für die Präsidentschaftswahl. Doch es kam alles anders.

Regierung in der Kritik

Am Sonntagnachmittag ist klar: Islands neue Präsidentin heisst nicht Katrin, sondern Halla. (Auf der Insel duzt man sich selbst in der Staatsführung, denn die isländischen Nachnamen besagen lediglich, wessen Tochter oder Sohn man ist.) Zur Auswahl standen zwölf Kandidatinnen und Kandidaten. Die Geschäftsfrau Halla Tomasdottir hat die Wahl mit 34 Prozent der Stimmen für sich entschieden. Jakobsdottir erreichte mit 25 Prozent den zweiten Platz. Eine zweite Wahlrunde gibt es nicht.

Wirklich überraschend ist der Ausgang der Wahlen nicht, wenn man sich etwas genauer mit der isländischen Politik befasst. Die Hochpreisinsel ächzt unter einer Inflation von 6,2 Prozent. Ein Vulkanausbruch belastet die Staatskasse, und unterschiedliche Haltungen zum Gaza-Krieg führen zu Spannungen innerhalb der Koalition. Seit 2017 führt Jakobsdottir die Regierung. Bei der letzten Umfrage schnitt die von ihr geleitete Partei, die Links-Grüne Bewegung, mit nur 5 Prozent Zustimmung historisch schlecht ab. Die gesamte Regierung kam auf knapp 30 Prozent.

Kritische Stimmen sagen, dass Jakobsdottir das sinkende Schiff im letzten Moment verlassen hat. Im Herbst 2025 finden in Island Parlamentswahlen statt, und es scheint bereits jetzt klar, dass es zu einem Regierungswechsel kommen wird. Es ist fraglich, ob es die Links-Grüne Bewegung überhaupt ins Parlament schafft. Vor ihrer Kandidatur hatte Jakobsdottir auch den Vorsitz der Partei geräumt.

Neue Präsidentin ist unpolitisch

Das Präsidentenamt ist in Island eine rein repräsentative Aufgabe. Durch Jakobsdottirs Kandidatur wurde aus dem eigentlich unpolitischen Wahlkampf aber ein politischer. Die isländische Tageszeitung «Heimildin» schreibt, dass sich viele Wählerinnen und Wähler wohl auch davon leiten liessen, wen sie auf keinen Fall in der Präsidentenresidenz sehen wollten: Katrin Jakobsdottir.

Die neugewählte Halla Tomasdottir ist die zweite Frau im Präsidentenamt Islands. Sie kandidierte bereits 2016, war aber abgesehen davon nie politisch aktiv. Stattdessen strebte die studierte Betriebswirtin eine Karriere in Wissenschaft und Wirtschaft an – zuletzt als CEO einer Nichtregierungsorganisation namens B Team, die sich für Geschäftspraktiken einsetzt, die «die Menschlichkeit und das Klima stärker gewichten».

Wo die neue Präsidentin politisch steht, ist nicht wirklich klar. Auf ihrer Website heisst es, dass sie in ihrem Leben Personen und Parteien gewählt habe, «die das gesamte politische Spektrum abdecken». Wer sich nicht klar positioniert, kann auch schwer kritisiert werden. Bei der gegenwärtigen Präsidentschaftswahl dürfte genau das Halla Tomasdottirs Trumpf gewesen sein.

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