Montag, November 25

Am Montag wurden in Gaza so viele israelische Soldaten wie nie zuvor an einem Tag getötet. Derweil versucht die Hamas, ihren Terroranschlag vom 7. Oktober zu rechtfertigen. Doch der Konflikt ist beiden Kriegsparteien längst entglitten.

Es sei einer der schwersten Tage seit Beginn des Krieges, schrieb Benjamin Netanyahu, Israels Ministerpräsident, am Dienstag in den sozialen Netzwerken. Am Tag zuvor hatte die israelische Armee bei ihrem Kampf in Gaza einen empfindlichen Rückschlag hinnehmen müssen: Im Süden des Küstenstreifens wurden auf einen Schlag 21 ihrer Soldaten getötet.

Laut Angaben der israelischen Armee hatten die Männer die Sprengung eines Gebäudes vorbereitet, als sie von feindlichen Kämpfern mit Panzerfäusten attackiert wurden. Dabei gelang es diesen offenbar, einen israelischen Panzer zu beschiessen sowie das mit Sprengstoff versehene Gebäude über den Soldaten zum Einsturz zu bringen.

Der Beschuss habe möglicherweise die Minen, welche die Soldaten zwecks Sprengung in dem Bau untergebracht hatten, detonieren lassen, vermutete der Armeesprecher Daniel Hagari. Die genauen Umstände des Vorfalls würden noch untersucht. Am selben Tag starben zudem drei weitere israelische Militärangehörige bei Kämpfen im weiter südlich gelegen Khan Yunis. Damit verlor Israel an einem einzigen Tag 24 Soldaten in Gaza. Insgesamt sind seit Beginn der Bodenoffensive 219 Armeeangehörige gefallen.

Schwere Kämpfe und internationaler Druck

Es handelt sich um die höchsten Verluste, die Israel an einem einzigen Tag seit Beginn der Militäroperation in Gaza hinnehmen musste. Sie zeigen, wie schwierig sich die Kämpfe in dem eng bebauten Küstenstreifen gestalten. Auch Monate nach dem Beginn der Offensive ist Israels Armee offenbar nirgendwo sicher. Selbst im Norden des Streifens kommt es immer wieder zu Feuergefechten, Truppen geraten in Hinterhalte der zur Hamas gehörenden Kassam-Brigaden.

Trotzdem gibt sich Israels Armeeführung kämpferisch: «Der Tod der Soldaten zwingt uns, unsere Kampfziele zu erreichen», sagte Verteidigungsminister Yoav Gallant nach dem blutigen Vorfall. Derweil hat die israelische Armee ihre Offensive auf das südliche Khan Yunis ausgeweitet. Dort finden seit dem Wochenende intensive Bombardements und schwere Kämpfe statt, bei denen Israels Armee laut eigenen Angaben bereits Dutzende Hamas-Kämpfer getötet hat.

Allerdings ist es Israel bisher nicht gelungen, die Gaza-Führung der Hamas um Mohammed Deif und Yahya Sinwar unschädlich zu machen oder die am 7. Oktober entführten Geiseln lebend zu befreien. Stattdessen wächst der internationale Druck auf Netanyahus Regierung. So sind vor allem die Vereinigten Staaten mit der Kriegsführung in Gaza seit längerem unzufrieden und drängen Israel im mit Flüchtlingen überfüllten Süden des Streifens zu einem vorsichtigeren Vorgehen.

Die Hamas versucht, sich zu rechtfertigen

Zuletzt waren sich Präsident Biden und Netanyahu auch in Bezug auf eine mögliche Nachkriegsordnung in die Haare geraten. So hatte Israels Ministerpräsident sowohl eine Beteiligung der Palästinensischen Autonomiebehörde an der Verwaltung Gazas abgelehnt als auch einen unabhängigen Palästinenserstaat. Andererseits zeigt eine neue Umfrage, dass eine knappe Mehrheit der Israeli einen solchen Staat im Rahmen eines grösseren Abkommens – inklusive der Heimkehr der Geiseln – offenbar befürwortet.

Auch Israels Feind macht schwere Zeiten durch. Zwar feiert die Hamas den Tod der 24 Soldaten in den sozialen Netzwerken. Gleichzeitig versucht sie Monate nach ihrem Terroranschlag in Südisrael, ihr Vorgehen von damals zu rechtfertigen. In einem bizarren, 18-seitigen Dokument leugnet die Terrorgruppe, Zivilisten ins Visier genommen zu haben, und ruft die internationale Gemeinschaft um Hilfe an. Zugleich gesteht sie ein, dass bei der Operation «möglicherweise Fehler gemacht wurden».

Der Hamas scheint es zu dämmern, dass sie mit ihrem Frontalangriff auf Israel ihre Hand wohl überspielt hat. Denn anstatt Seite an Seite mit den radikalen Palästinensern in den Kampf zu ziehen, liessen die meisten Verbündeten die Hamas nach dem 7. Oktober im Regen stehen. Zwar kämpft der Hizbullah in Südlibanon gegen Israel, und die jemenitischen Huthi attackieren Schiffe im Roten Meer. An der Lage der Hamas ändern beide Gruppen mit ihren Aktionen jedoch wenig.

Gerüchte um ein neues Abkommen

Zudem scheint die von Iran geführte Anti-Israel-Achse kaum motiviert, für die Palästinenser in einen grossen Krieg zu ziehen. Entsprechend versuchen die Hamas-Führer offenbar, am Verhandlungstisch in Katar zu retten, was noch zu retten ist. Am Montag schrieb die amerikanische Nachrichten-Website Axios, Israel habe einen Vorschlag für eine zweimonatige Waffenruhe und einen neuen Gefangenenaustausch vorgelegt. Ein Hamas-Sprecher wies den Bericht jedoch als falsch zurück. Auch sonst lassen sich die Informationen nicht bestätigen.

Allerdings ist der Konflikt den unmittelbaren Kriegsparteien längst entglitten. So hat er sich mit dem jahrelangen Schattenkrieg zwischen den USA und Iran zu einem regionalen Schwelbrand vermengt. Inzwischen fliegen Amerikaner und Briten Luftangriffe auf Huthi-Stellungen in Jemen, proiranische Milizen attackieren amerikanische Basen im Irak. Sogar Teherans Truppen selbst wurden aktiv und schossen Raketen auf den Nordirak und Syrien ab.

Zuletzt kamen am Wochenende mehrere Mitglieder der iranischen Revolutionswächter bei einem Angriff auf ein Gebäude im syrischen Damaskus ums Leben. Iran hat dafür bereits Vergeltung angekündigt. Die sich immer schneller drehende Spirale aus Schlägen und Gegenschlägen könnte leicht ausser Kontrolle geraten und die Region in den Abgrund reissen – auch wenn die meisten Beteiligten das eigentlich nicht wollen.

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